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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Heinrich Heine

die Wirkung dieser Komödie auf Heine erzählt Campe (12. Juny 1329 -- an
Immermann):

"Der Zt° Reisebilderband ist der Vollendung nahe, und Heine meinte, der
Graf wäre ihm eben so gekommen, wie ein Wild bei der Treibjagd die Reihe
der Schützen passirt; er würde ihm gehörig auf den Pelz brennen. Während
meiner kurzen Anwesenheit hatte er nicht Zeit die Lectüre zu vollenden, denn
wir waren meistens beisammen u. hatten besseres zu thun wie Platensche Misere
zu verarbeiten; daher kenne ich den ganzen Eindruck nicht, den es auf H.
gemacht hat, aber so viel ist mir klar geworden, daß er sich darüber u. die
Infamie, die so sehr nach Erbärmlichkeit schmeckt, sehr verletzt fühlte, u. besonders
Ihretwegen."*)

Ende Juli ging Heine nach Helgoland, um in der Nordsee zu baden. Hier
erhielt er Immermanns formal unbeholfene, aber in der Tonart würdige Ant¬
wort auf den "Ödipus", den ebenfalls bei Campe verlegten "Im Irrgarten der
Metrik umhertaumelnden Cavalier. Eine literarische Tragödie." Heine wollte,
wie ein Brief Campes an Immermann vom 12. August lehrt, den dritten Band
der Reisebilder nicht abschließen, bevor er den "Cavalier" gelesen. Campe
berichtet auf Grund von Andeutungen, die ihm Heine gemacht, dieser gehe
schmählich mit Platen um, "und was er auf diese Weise vermag, das wird er
uns zeigen". Endlich näherte sich der von Campe lange ungeduldig erwartete
Band der Vollendung.

Campe an Immermann Hamburg, den 25. September 1829:

"Seit 3 Tagen ist H. hier: in 11 Tagen geht der 3^° Reisebilderband in
die Druckeren u. wird bestimmt im Nov. fertig. PI. wird von H. nicht so
milde behandelt, wie Sie es gethan. Diese Abtheilung, Platen betreffend, wird
Ihnen dedizirt werden. H. hat eine Menge kindischer Ängstlichkeiten, daß über
seine Äußerung -- im Voraus gesprochen würde, so daß ich im Ärger darüber
zu dem Entschluße kam, nicht einen Buchstaben des Mscrpts lesen zu wollen,
daher kann ich Ihnen nichts daraus mittheilen. Was er u. einer seiner Freunde
Mir mündlich mittheilten, so berechtigt das zu großen Erwartungen."

Das Thema der folgenden Briefe Campes ist Immermanns komisches
Heldenepos "Tulifäntchen". Heine hatte das Manuskript bei Campe gesehen
und an sich genommen. Er war der Meinung, es könne wegen der formalen
Schwächen nicht so in die Druckerei gehen, und machte dem Verfasser eine Reihe
von feinsinnigen Änderungsvorschlägen, welche dieser freudig annahm**). Bei
den Verlagsverhandlungen beruft sich Campe (12. Februar 1830) auf Heine.



*) Lysers Erzählung ("Der Salon." Hrsg. von S. Engländer. Wien 1847. II, S. 23 ff.)
über die Art, wie Heine den "Romantischen Odipus" kennen lernte, ist demnach wie zahl¬
reiche andere Angaben Lysers in das Reich der Fabel zu verweisen, und Friedr. Hirth
(,.Joh. Peter Lyser", München und Leipzig. 1911. S. 68 ff.) geht fehl, wenn er sie für
authentisch hält.
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Grenzboten II 1912 os
Heinrich Heine

die Wirkung dieser Komödie auf Heine erzählt Campe (12. Juny 1329 — an
Immermann):

„Der Zt° Reisebilderband ist der Vollendung nahe, und Heine meinte, der
Graf wäre ihm eben so gekommen, wie ein Wild bei der Treibjagd die Reihe
der Schützen passirt; er würde ihm gehörig auf den Pelz brennen. Während
meiner kurzen Anwesenheit hatte er nicht Zeit die Lectüre zu vollenden, denn
wir waren meistens beisammen u. hatten besseres zu thun wie Platensche Misere
zu verarbeiten; daher kenne ich den ganzen Eindruck nicht, den es auf H.
gemacht hat, aber so viel ist mir klar geworden, daß er sich darüber u. die
Infamie, die so sehr nach Erbärmlichkeit schmeckt, sehr verletzt fühlte, u. besonders
Ihretwegen."*)

Ende Juli ging Heine nach Helgoland, um in der Nordsee zu baden. Hier
erhielt er Immermanns formal unbeholfene, aber in der Tonart würdige Ant¬
wort auf den „Ödipus", den ebenfalls bei Campe verlegten „Im Irrgarten der
Metrik umhertaumelnden Cavalier. Eine literarische Tragödie." Heine wollte,
wie ein Brief Campes an Immermann vom 12. August lehrt, den dritten Band
der Reisebilder nicht abschließen, bevor er den „Cavalier" gelesen. Campe
berichtet auf Grund von Andeutungen, die ihm Heine gemacht, dieser gehe
schmählich mit Platen um, „und was er auf diese Weise vermag, das wird er
uns zeigen". Endlich näherte sich der von Campe lange ungeduldig erwartete
Band der Vollendung.

Campe an Immermann Hamburg, den 25. September 1829:

„Seit 3 Tagen ist H. hier: in 11 Tagen geht der 3^° Reisebilderband in
die Druckeren u. wird bestimmt im Nov. fertig. PI. wird von H. nicht so
milde behandelt, wie Sie es gethan. Diese Abtheilung, Platen betreffend, wird
Ihnen dedizirt werden. H. hat eine Menge kindischer Ängstlichkeiten, daß über
seine Äußerung — im Voraus gesprochen würde, so daß ich im Ärger darüber
zu dem Entschluße kam, nicht einen Buchstaben des Mscrpts lesen zu wollen,
daher kann ich Ihnen nichts daraus mittheilen. Was er u. einer seiner Freunde
Mir mündlich mittheilten, so berechtigt das zu großen Erwartungen."

Das Thema der folgenden Briefe Campes ist Immermanns komisches
Heldenepos „Tulifäntchen". Heine hatte das Manuskript bei Campe gesehen
und an sich genommen. Er war der Meinung, es könne wegen der formalen
Schwächen nicht so in die Druckerei gehen, und machte dem Verfasser eine Reihe
von feinsinnigen Änderungsvorschlägen, welche dieser freudig annahm**). Bei
den Verlagsverhandlungen beruft sich Campe (12. Februar 1830) auf Heine.



*) Lysers Erzählung („Der Salon." Hrsg. von S. Engländer. Wien 1847. II, S. 23 ff.)
über die Art, wie Heine den „Romantischen Odipus" kennen lernte, ist demnach wie zahl¬
reiche andere Angaben Lysers in das Reich der Fabel zu verweisen, und Friedr. Hirth
(,.Joh. Peter Lyser", München und Leipzig. 1911. S. 68 ff.) geht fehl, wenn er sie für
authentisch hält.
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[0441] Heinrich Heine die Wirkung dieser Komödie auf Heine erzählt Campe (12. Juny 1329 — an Immermann): „Der Zt° Reisebilderband ist der Vollendung nahe, und Heine meinte, der Graf wäre ihm eben so gekommen, wie ein Wild bei der Treibjagd die Reihe der Schützen passirt; er würde ihm gehörig auf den Pelz brennen. Während meiner kurzen Anwesenheit hatte er nicht Zeit die Lectüre zu vollenden, denn wir waren meistens beisammen u. hatten besseres zu thun wie Platensche Misere zu verarbeiten; daher kenne ich den ganzen Eindruck nicht, den es auf H. gemacht hat, aber so viel ist mir klar geworden, daß er sich darüber u. die Infamie, die so sehr nach Erbärmlichkeit schmeckt, sehr verletzt fühlte, u. besonders Ihretwegen."*) Ende Juli ging Heine nach Helgoland, um in der Nordsee zu baden. Hier erhielt er Immermanns formal unbeholfene, aber in der Tonart würdige Ant¬ wort auf den „Ödipus", den ebenfalls bei Campe verlegten „Im Irrgarten der Metrik umhertaumelnden Cavalier. Eine literarische Tragödie." Heine wollte, wie ein Brief Campes an Immermann vom 12. August lehrt, den dritten Band der Reisebilder nicht abschließen, bevor er den „Cavalier" gelesen. Campe berichtet auf Grund von Andeutungen, die ihm Heine gemacht, dieser gehe schmählich mit Platen um, „und was er auf diese Weise vermag, das wird er uns zeigen". Endlich näherte sich der von Campe lange ungeduldig erwartete Band der Vollendung. Campe an Immermann Hamburg, den 25. September 1829: „Seit 3 Tagen ist H. hier: in 11 Tagen geht der 3^° Reisebilderband in die Druckeren u. wird bestimmt im Nov. fertig. PI. wird von H. nicht so milde behandelt, wie Sie es gethan. Diese Abtheilung, Platen betreffend, wird Ihnen dedizirt werden. H. hat eine Menge kindischer Ängstlichkeiten, daß über seine Äußerung — im Voraus gesprochen würde, so daß ich im Ärger darüber zu dem Entschluße kam, nicht einen Buchstaben des Mscrpts lesen zu wollen, daher kann ich Ihnen nichts daraus mittheilen. Was er u. einer seiner Freunde Mir mündlich mittheilten, so berechtigt das zu großen Erwartungen." Das Thema der folgenden Briefe Campes ist Immermanns komisches Heldenepos „Tulifäntchen". Heine hatte das Manuskript bei Campe gesehen und an sich genommen. Er war der Meinung, es könne wegen der formalen Schwächen nicht so in die Druckerei gehen, und machte dem Verfasser eine Reihe von feinsinnigen Änderungsvorschlägen, welche dieser freudig annahm**). Bei den Verlagsverhandlungen beruft sich Campe (12. Februar 1830) auf Heine. *) Lysers Erzählung („Der Salon." Hrsg. von S. Engländer. Wien 1847. II, S. 23 ff.) über die Art, wie Heine den „Romantischen Odipus" kennen lernte, ist demnach wie zahl¬ reiche andere Angaben Lysers in das Reich der Fabel zu verweisen, und Friedr. Hirth (,.Joh. Peter Lyser", München und Leipzig. 1911. S. 68 ff.) geht fehl, wenn er sie für authentisch hält. ' .... Grenzboten II 1912 os

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/441>, abgerufen am 23.07.2024.