Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Heinrich Heine

mich so gewaltig erhob, vielmehr waren's die Augen einer Italienerin, die gar
andächtig an sie heraufsah -- ich glaube, die alten Götter werden in Italien
noch immer angebetet."*)

In Hamburg, wohin Heine zunächst zurückkehrte, traf er mit seinem Ver¬
leger wieder persönlich zusammen. Dieser schrieb darüber an Immermann
(16. Februar 1829):

"Heine hat mich in dieser Zeit oft besucht u. Ihrer fleißig gedacht. Heute
bat ich ihn um einige Zeilen für Sie; er kann nicht. Er trug mir viel herz¬
liches auf, das ich nicht wiederholen kann. Aber auch, daß Platen eine Parodie
auf Sie geschrieben, ,Oedipus< betitelt, worin auch er vorkomme, Cotta hat
sie zum Druck u. Heine scheint dagegen gearbeitet zu haben. Genug, H. sagt,
wenn P. damit hervorträte, so würde er ihn verarbeiten, daß das Gräflein
seiner schmerzlich gedenken sollte. In Specia, zwischen Carara und Genua, sey
er vor seinem Hause vorbeigekommen; er, Heine, habe ihn nicht besucht. Ich
fragte, was P. dort mache? ,Er fräße Apfelsinen u. triebe viele Sodomite-
reien/ Hier ist Platens Geliebte W ich hielt es für griechische Nachbildungen,
und stoße auf solchen Schmutz.

Die Achtung für Pi. ist bei mir, wie soll ich sagen, gebrochen.

Heine habe ich so weit, daß er nun ernstlich zum Arbeiten gehen will,
aber wo, wo kann er arbeiten? überall will es nicht passen.

Ich schlug Hannover vor"*).

Er liebt die gesunden Knochen; die hannöverschen Junker mögten sich
etwas mit ihm zu schaffen machen, wenn er zu verwegen zwischen sie geriethe***).

Er will nach Berlin. Dort wird gewiß nichts aus den Arbeiten, daher
mögte ich ihn so gerne in sein altes Logie ^8le^ haben, wo der zweite Theil
öder Reisebilder^ zusammengefroren ist."

Platens Literaturkomödie "Der romantische Ödivus", die hier genannt
wird, war die Antwort auf Immermanns obenerwähnte Epigramme in Heines
Reisebildern, von denen einige durch ihren Spott über die neue orientalisierende
Literatur den höchsten Zorn Platens erregt hatten. Er schrieb im Sommer 1828
auf der Insel Palmaria bei Spezia seine aristophanische Satire, die Immer¬
mann, von dem Platen nur wenig gelesen hatte, ungerecht verspottete und die auch
schwere Angriffe gegen Heine enthielt.

Dieser ging am 20. Februar nach Berlin und von dort, Mitte April, um
zu arbeiten, nach Potsdam, wo ihn Campe, von der Leipziger Messe kommend,
Anfang Juni besuchte und mit dem "Odipus" Platens bekannt machte. Über





") Daffis I, S. 340 f.
Börne hatte in einem Brief an Campe (Hannover den 20. Januar 1329) diese
Stadt als sehr langweilig und daher sehr geeignet zum Arbeiten gerühmt.
Der zweite Teil der Reisebilder hatte herbe Spöttereien über die hannoversche
Aristokratie gebracht.
Heinrich Heine

mich so gewaltig erhob, vielmehr waren's die Augen einer Italienerin, die gar
andächtig an sie heraufsah — ich glaube, die alten Götter werden in Italien
noch immer angebetet."*)

In Hamburg, wohin Heine zunächst zurückkehrte, traf er mit seinem Ver¬
leger wieder persönlich zusammen. Dieser schrieb darüber an Immermann
(16. Februar 1829):

„Heine hat mich in dieser Zeit oft besucht u. Ihrer fleißig gedacht. Heute
bat ich ihn um einige Zeilen für Sie; er kann nicht. Er trug mir viel herz¬
liches auf, das ich nicht wiederholen kann. Aber auch, daß Platen eine Parodie
auf Sie geschrieben, ,Oedipus< betitelt, worin auch er vorkomme, Cotta hat
sie zum Druck u. Heine scheint dagegen gearbeitet zu haben. Genug, H. sagt,
wenn P. damit hervorträte, so würde er ihn verarbeiten, daß das Gräflein
seiner schmerzlich gedenken sollte. In Specia, zwischen Carara und Genua, sey
er vor seinem Hause vorbeigekommen; er, Heine, habe ihn nicht besucht. Ich
fragte, was P. dort mache? ,Er fräße Apfelsinen u. triebe viele Sodomite-
reien/ Hier ist Platens Geliebte W ich hielt es für griechische Nachbildungen,
und stoße auf solchen Schmutz.

Die Achtung für Pi. ist bei mir, wie soll ich sagen, gebrochen.

Heine habe ich so weit, daß er nun ernstlich zum Arbeiten gehen will,
aber wo, wo kann er arbeiten? überall will es nicht passen.

Ich schlug Hannover vor"*).

Er liebt die gesunden Knochen; die hannöverschen Junker mögten sich
etwas mit ihm zu schaffen machen, wenn er zu verwegen zwischen sie geriethe***).

Er will nach Berlin. Dort wird gewiß nichts aus den Arbeiten, daher
mögte ich ihn so gerne in sein altes Logie ^8le^ haben, wo der zweite Theil
öder Reisebilder^ zusammengefroren ist."

Platens Literaturkomödie „Der romantische Ödivus", die hier genannt
wird, war die Antwort auf Immermanns obenerwähnte Epigramme in Heines
Reisebildern, von denen einige durch ihren Spott über die neue orientalisierende
Literatur den höchsten Zorn Platens erregt hatten. Er schrieb im Sommer 1828
auf der Insel Palmaria bei Spezia seine aristophanische Satire, die Immer¬
mann, von dem Platen nur wenig gelesen hatte, ungerecht verspottete und die auch
schwere Angriffe gegen Heine enthielt.

Dieser ging am 20. Februar nach Berlin und von dort, Mitte April, um
zu arbeiten, nach Potsdam, wo ihn Campe, von der Leipziger Messe kommend,
Anfang Juni besuchte und mit dem „Odipus" Platens bekannt machte. Über





") Daffis I, S. 340 f.
Börne hatte in einem Brief an Campe (Hannover den 20. Januar 1329) diese
Stadt als sehr langweilig und daher sehr geeignet zum Arbeiten gerühmt.
Der zweite Teil der Reisebilder hatte herbe Spöttereien über die hannoversche
Aristokratie gebracht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0440" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321523"/>
          <fw type="header" place="top"> Heinrich Heine</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1884" prev="#ID_1883"> mich so gewaltig erhob, vielmehr waren's die Augen einer Italienerin, die gar<lb/>
andächtig an sie heraufsah &#x2014; ich glaube, die alten Götter werden in Italien<lb/>
noch immer angebetet."*)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1885"> In Hamburg, wohin Heine zunächst zurückkehrte, traf er mit seinem Ver¬<lb/>
leger wieder persönlich zusammen. Dieser schrieb darüber an Immermann<lb/>
(16. Februar 1829):</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1886"> &#x201E;Heine hat mich in dieser Zeit oft besucht u. Ihrer fleißig gedacht. Heute<lb/>
bat ich ihn um einige Zeilen für Sie; er kann nicht. Er trug mir viel herz¬<lb/>
liches auf, das ich nicht wiederholen kann. Aber auch, daß Platen eine Parodie<lb/>
auf Sie geschrieben, ,Oedipus&lt; betitelt, worin auch er vorkomme, Cotta hat<lb/>
sie zum Druck u. Heine scheint dagegen gearbeitet zu haben. Genug, H. sagt,<lb/>
wenn P. damit hervorträte, so würde er ihn verarbeiten, daß das Gräflein<lb/>
seiner schmerzlich gedenken sollte. In Specia, zwischen Carara und Genua, sey<lb/>
er vor seinem Hause vorbeigekommen; er, Heine, habe ihn nicht besucht. Ich<lb/>
fragte, was P. dort mache? ,Er fräße Apfelsinen u. triebe viele Sodomite-<lb/>
reien/ Hier ist Platens Geliebte W ich hielt es für griechische Nachbildungen,<lb/>
und stoße auf solchen Schmutz.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1887"> Die Achtung für Pi. ist bei mir, wie soll ich sagen, gebrochen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1888"> Heine habe ich so weit, daß er nun ernstlich zum Arbeiten gehen will,<lb/>
aber wo, wo kann er arbeiten? überall will es nicht passen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1889"> Ich schlug Hannover vor"*).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1890"> Er liebt die gesunden Knochen; die hannöverschen Junker mögten sich<lb/>
etwas mit ihm zu schaffen machen, wenn er zu verwegen zwischen sie geriethe***).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1891"> Er will nach Berlin. Dort wird gewiß nichts aus den Arbeiten, daher<lb/>
mögte ich ihn so gerne in sein altes Logie ^8le^ haben, wo der zweite Theil<lb/>
öder Reisebilder^ zusammengefroren ist."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1892"> Platens Literaturkomödie &#x201E;Der romantische Ödivus", die hier genannt<lb/>
wird, war die Antwort auf Immermanns obenerwähnte Epigramme in Heines<lb/>
Reisebildern, von denen einige durch ihren Spott über die neue orientalisierende<lb/>
Literatur den höchsten Zorn Platens erregt hatten. Er schrieb im Sommer 1828<lb/>
auf der Insel Palmaria bei Spezia seine aristophanische Satire, die Immer¬<lb/>
mann, von dem Platen nur wenig gelesen hatte, ungerecht verspottete und die auch<lb/>
schwere Angriffe gegen Heine enthielt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1893" next="#ID_1894"> Dieser ging am 20. Februar nach Berlin und von dort, Mitte April, um<lb/>
zu arbeiten, nach Potsdam, wo ihn Campe, von der Leipziger Messe kommend,<lb/>
Anfang Juni besuchte und mit dem &#x201E;Odipus" Platens bekannt machte. Über</p><lb/>
          <note xml:id="FID_61" place="foot"> ") Daffis I, S. 340 f.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_62" place="foot"> Börne hatte in einem Brief an Campe (Hannover den 20. Januar 1329) diese<lb/>
Stadt als sehr langweilig und daher sehr geeignet zum Arbeiten gerühmt.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_63" place="foot"> Der zweite Teil der Reisebilder hatte herbe Spöttereien über die hannoversche<lb/>
Aristokratie gebracht.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0440] Heinrich Heine mich so gewaltig erhob, vielmehr waren's die Augen einer Italienerin, die gar andächtig an sie heraufsah — ich glaube, die alten Götter werden in Italien noch immer angebetet."*) In Hamburg, wohin Heine zunächst zurückkehrte, traf er mit seinem Ver¬ leger wieder persönlich zusammen. Dieser schrieb darüber an Immermann (16. Februar 1829): „Heine hat mich in dieser Zeit oft besucht u. Ihrer fleißig gedacht. Heute bat ich ihn um einige Zeilen für Sie; er kann nicht. Er trug mir viel herz¬ liches auf, das ich nicht wiederholen kann. Aber auch, daß Platen eine Parodie auf Sie geschrieben, ,Oedipus< betitelt, worin auch er vorkomme, Cotta hat sie zum Druck u. Heine scheint dagegen gearbeitet zu haben. Genug, H. sagt, wenn P. damit hervorträte, so würde er ihn verarbeiten, daß das Gräflein seiner schmerzlich gedenken sollte. In Specia, zwischen Carara und Genua, sey er vor seinem Hause vorbeigekommen; er, Heine, habe ihn nicht besucht. Ich fragte, was P. dort mache? ,Er fräße Apfelsinen u. triebe viele Sodomite- reien/ Hier ist Platens Geliebte W ich hielt es für griechische Nachbildungen, und stoße auf solchen Schmutz. Die Achtung für Pi. ist bei mir, wie soll ich sagen, gebrochen. Heine habe ich so weit, daß er nun ernstlich zum Arbeiten gehen will, aber wo, wo kann er arbeiten? überall will es nicht passen. Ich schlug Hannover vor"*). Er liebt die gesunden Knochen; die hannöverschen Junker mögten sich etwas mit ihm zu schaffen machen, wenn er zu verwegen zwischen sie geriethe***). Er will nach Berlin. Dort wird gewiß nichts aus den Arbeiten, daher mögte ich ihn so gerne in sein altes Logie ^8le^ haben, wo der zweite Theil öder Reisebilder^ zusammengefroren ist." Platens Literaturkomödie „Der romantische Ödivus", die hier genannt wird, war die Antwort auf Immermanns obenerwähnte Epigramme in Heines Reisebildern, von denen einige durch ihren Spott über die neue orientalisierende Literatur den höchsten Zorn Platens erregt hatten. Er schrieb im Sommer 1828 auf der Insel Palmaria bei Spezia seine aristophanische Satire, die Immer¬ mann, von dem Platen nur wenig gelesen hatte, ungerecht verspottete und die auch schwere Angriffe gegen Heine enthielt. Dieser ging am 20. Februar nach Berlin und von dort, Mitte April, um zu arbeiten, nach Potsdam, wo ihn Campe, von der Leipziger Messe kommend, Anfang Juni besuchte und mit dem „Odipus" Platens bekannt machte. Über ") Daffis I, S. 340 f. Börne hatte in einem Brief an Campe (Hannover den 20. Januar 1329) diese Stadt als sehr langweilig und daher sehr geeignet zum Arbeiten gerühmt. Der zweite Teil der Reisebilder hatte herbe Spöttereien über die hannoversche Aristokratie gebracht.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/440
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/440>, abgerufen am 23.07.2024.