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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Heinrich Heine

sich als berechtigt, und im dritten Bande steigerte der Dichter sie auf einen
noch höheren Grad. Die Fertigstellung dieses Bandes verzögerte sich zu Campes
Bedauern freilich erheblich. Am 18. August 1827 klagt der Verleger in einem
Schreiben an Immermann:

"Von Heine habe ich vor 8 Wochen einen Brief aus Brighton gehabt,
dorthin mußte ich ihm auch Ihre Addresse geben. Er befand sich schlecht (krank);
ob das mehr wie gewöhnlich war, weiß ich noch nicht, denn ich erhielt keine
Zeile später, obgleich ich mit dem ersten Dampfboote ein Mehreres bekommen
sollte, das nun 7 Mal leer für mich angekommen ist. Er klagt und singt nur
Klagelieder: .London, das übertriebene, das unmenschliche London habe ihn in
jeder Hinsicht ruiniert.' Nach Margate wolle er gehen, um die Seebäder zu
gebrauchen. Er wird sich sehr lästig dort befinden und mit Unannehmlichkeiten
aller Art zu kämpfen haben. In 8 Wochen wollte er über Holland zurück¬
kehren, dann hoffe er endlich feine Lieblingskarikaturen zu sehen (die Holländer.) *)
Ja, mit unserm lieben Heine habe ich große Noth, selbst um Kleinigkeiten von
ihm zu bekommen. Den 3°°" Theil der Reisebilder sollte ich bestimmt zu Michaelis
ausgeben können; ich rechne nicht darauf, ihn vor Ostern zu erhalten, was
wahrlich mir großen Schaden bringt."

Campe verstand sich als geschickter Verleger vortrefflich auf den Vertrieb
schriftstellerischer Produkte, hatte sich aber geschäftlich wenig generös gegen Heine
erwiesen, und infolgedessen war bei diesem allmählich eine Verstimmung ein¬
getreten, die ihn im Verein mit Geldmangel veranlaßte, mit Cotta anzuknüpfen.
Durch Varnhagen hatte er bei dem Stuttgarter Verleger anfragen lassen, ob
er ihn für sein Morgenblatt beschäftigen wolle. Cotta machte ihm darauf
glänzende Anerbietungen, aber noch mochte Heine Campe gegenüber davon
keinen Gebrauch machen: "Ich will beileibe Campe keinen Floh ins Ohr setzen.
Das wäre jetzt ohne Nutzen, und ich hab' ihn zu lieb, um ihn unnötigerweise
ZU prickeln. Er tut viel für meine Kinder, und ich bin dankbar. Aber auf
seine Generosität werde ich mich nie mehr verlassen." (An Friedrich Merkel
d- 1. Juni 1827**). Noch am 20. August erklärte Heine demselben Adressaten***),
er werde "in nichts" auf Cottas Vorschläge eingehen und wieder ein gutes
Buch für Campe liefern. In Hamburg scheint ihn aber Merkel umgestimmt zu
haben, denn, wie das folgende Schreiben an Immermann lehrt, hielt Heine
doch eines Tages Cottas Anerbieten Campe vor, und dieser fürchtete schon, den
Dichter, mit dessen "Reisebildern" er gute Geschäfte gemacht hatte, -- von dem
ersten Bande, dessen dauerndes Verlagsrecht ihn nur fünfzig Louisdor kostete,
waren innerhalb eines Jahres fünftausend Exemplare abgesetzt worden -- für
immer zu verlieren I





Holland ist der Schauplatz von Heines "Memoiren des Herrn von Schnabelewopski".
**) DaffiS I, S. 307.
Ebenda. S. 311.
Heinrich Heine

sich als berechtigt, und im dritten Bande steigerte der Dichter sie auf einen
noch höheren Grad. Die Fertigstellung dieses Bandes verzögerte sich zu Campes
Bedauern freilich erheblich. Am 18. August 1827 klagt der Verleger in einem
Schreiben an Immermann:

„Von Heine habe ich vor 8 Wochen einen Brief aus Brighton gehabt,
dorthin mußte ich ihm auch Ihre Addresse geben. Er befand sich schlecht (krank);
ob das mehr wie gewöhnlich war, weiß ich noch nicht, denn ich erhielt keine
Zeile später, obgleich ich mit dem ersten Dampfboote ein Mehreres bekommen
sollte, das nun 7 Mal leer für mich angekommen ist. Er klagt und singt nur
Klagelieder: .London, das übertriebene, das unmenschliche London habe ihn in
jeder Hinsicht ruiniert.' Nach Margate wolle er gehen, um die Seebäder zu
gebrauchen. Er wird sich sehr lästig dort befinden und mit Unannehmlichkeiten
aller Art zu kämpfen haben. In 8 Wochen wollte er über Holland zurück¬
kehren, dann hoffe er endlich feine Lieblingskarikaturen zu sehen (die Holländer.) *)
Ja, mit unserm lieben Heine habe ich große Noth, selbst um Kleinigkeiten von
ihm zu bekommen. Den 3°°" Theil der Reisebilder sollte ich bestimmt zu Michaelis
ausgeben können; ich rechne nicht darauf, ihn vor Ostern zu erhalten, was
wahrlich mir großen Schaden bringt."

Campe verstand sich als geschickter Verleger vortrefflich auf den Vertrieb
schriftstellerischer Produkte, hatte sich aber geschäftlich wenig generös gegen Heine
erwiesen, und infolgedessen war bei diesem allmählich eine Verstimmung ein¬
getreten, die ihn im Verein mit Geldmangel veranlaßte, mit Cotta anzuknüpfen.
Durch Varnhagen hatte er bei dem Stuttgarter Verleger anfragen lassen, ob
er ihn für sein Morgenblatt beschäftigen wolle. Cotta machte ihm darauf
glänzende Anerbietungen, aber noch mochte Heine Campe gegenüber davon
keinen Gebrauch machen: „Ich will beileibe Campe keinen Floh ins Ohr setzen.
Das wäre jetzt ohne Nutzen, und ich hab' ihn zu lieb, um ihn unnötigerweise
ZU prickeln. Er tut viel für meine Kinder, und ich bin dankbar. Aber auf
seine Generosität werde ich mich nie mehr verlassen." (An Friedrich Merkel
d- 1. Juni 1827**). Noch am 20. August erklärte Heine demselben Adressaten***),
er werde „in nichts" auf Cottas Vorschläge eingehen und wieder ein gutes
Buch für Campe liefern. In Hamburg scheint ihn aber Merkel umgestimmt zu
haben, denn, wie das folgende Schreiben an Immermann lehrt, hielt Heine
doch eines Tages Cottas Anerbieten Campe vor, und dieser fürchtete schon, den
Dichter, mit dessen „Reisebildern" er gute Geschäfte gemacht hatte, — von dem
ersten Bande, dessen dauerndes Verlagsrecht ihn nur fünfzig Louisdor kostete,
waren innerhalb eines Jahres fünftausend Exemplare abgesetzt worden — für
immer zu verlieren I





Holland ist der Schauplatz von Heines „Memoiren des Herrn von Schnabelewopski".
**) DaffiS I, S. 307.
Ebenda. S. 311.
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[0437] Heinrich Heine sich als berechtigt, und im dritten Bande steigerte der Dichter sie auf einen noch höheren Grad. Die Fertigstellung dieses Bandes verzögerte sich zu Campes Bedauern freilich erheblich. Am 18. August 1827 klagt der Verleger in einem Schreiben an Immermann: „Von Heine habe ich vor 8 Wochen einen Brief aus Brighton gehabt, dorthin mußte ich ihm auch Ihre Addresse geben. Er befand sich schlecht (krank); ob das mehr wie gewöhnlich war, weiß ich noch nicht, denn ich erhielt keine Zeile später, obgleich ich mit dem ersten Dampfboote ein Mehreres bekommen sollte, das nun 7 Mal leer für mich angekommen ist. Er klagt und singt nur Klagelieder: .London, das übertriebene, das unmenschliche London habe ihn in jeder Hinsicht ruiniert.' Nach Margate wolle er gehen, um die Seebäder zu gebrauchen. Er wird sich sehr lästig dort befinden und mit Unannehmlichkeiten aller Art zu kämpfen haben. In 8 Wochen wollte er über Holland zurück¬ kehren, dann hoffe er endlich feine Lieblingskarikaturen zu sehen (die Holländer.) *) Ja, mit unserm lieben Heine habe ich große Noth, selbst um Kleinigkeiten von ihm zu bekommen. Den 3°°" Theil der Reisebilder sollte ich bestimmt zu Michaelis ausgeben können; ich rechne nicht darauf, ihn vor Ostern zu erhalten, was wahrlich mir großen Schaden bringt." Campe verstand sich als geschickter Verleger vortrefflich auf den Vertrieb schriftstellerischer Produkte, hatte sich aber geschäftlich wenig generös gegen Heine erwiesen, und infolgedessen war bei diesem allmählich eine Verstimmung ein¬ getreten, die ihn im Verein mit Geldmangel veranlaßte, mit Cotta anzuknüpfen. Durch Varnhagen hatte er bei dem Stuttgarter Verleger anfragen lassen, ob er ihn für sein Morgenblatt beschäftigen wolle. Cotta machte ihm darauf glänzende Anerbietungen, aber noch mochte Heine Campe gegenüber davon keinen Gebrauch machen: „Ich will beileibe Campe keinen Floh ins Ohr setzen. Das wäre jetzt ohne Nutzen, und ich hab' ihn zu lieb, um ihn unnötigerweise ZU prickeln. Er tut viel für meine Kinder, und ich bin dankbar. Aber auf seine Generosität werde ich mich nie mehr verlassen." (An Friedrich Merkel d- 1. Juni 1827**). Noch am 20. August erklärte Heine demselben Adressaten***), er werde „in nichts" auf Cottas Vorschläge eingehen und wieder ein gutes Buch für Campe liefern. In Hamburg scheint ihn aber Merkel umgestimmt zu haben, denn, wie das folgende Schreiben an Immermann lehrt, hielt Heine doch eines Tages Cottas Anerbieten Campe vor, und dieser fürchtete schon, den Dichter, mit dessen „Reisebildern" er gute Geschäfte gemacht hatte, — von dem ersten Bande, dessen dauerndes Verlagsrecht ihn nur fünfzig Louisdor kostete, waren innerhalb eines Jahres fünftausend Exemplare abgesetzt worden — für immer zu verlieren I Holland ist der Schauplatz von Heines „Memoiren des Herrn von Schnabelewopski". **) DaffiS I, S. 307. Ebenda. S. 311.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/437>, abgerufen am 25.08.2024.