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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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sein wird. Der Staat wird es jedenfalls leichter haben, mit mehreren Gesell¬
schaften zuarbeiten, als wenn er sich nur eine große geschlossene Macht gegenüber
hat, die dann unwillkürlich die Forderung aufstellt, als gleichberechtigte Macht
behandelt und anerkannt zu werden. Es ist auch fraglich, ob sich immer Leute
finden werden, die fo genial veranlagt sind, daß sie ein so großes Unternehmen
auch unter schwierigen Verhältnissen richtig leiten können. Man muß dabei in
vorausschaue"der Weise nicht nur mit den augenblicklichen Verhältnissen rechnen.
Je größer ein Unternehmen wird, desto schwieriger seine Leitung. Schon jetzt
blicken viele besorgt in die Zukunft, was aus den Niesenunternehmen werden
soll, wenn die leitende Kraft einmal fehlt. Es ist sehr selten, daß die Leiter
solcher Unternehmungen für einen Nachwuchs und Nachfolger sorgen. Ihre
Tätigkeit, ihre Energie läßt selten andere Personen gleichberechtigt neben sich
gelten. Dies macht sich gewöhnlich erst bemerkbar, wenn die Frage der Nach¬
folgerschaft akut geworden ist. Hat sich aber ein Verkehrszweig, eine Industrie
in einem einzigen Unternehmen zusammengedrängt, so leidet sofort das ganze
Wirtschaftsleben, wenn dieses nicht auf der Höhe bleibt. Sind dagegen mehrere
Unternehmungen vorhanden, so kann die Notlage eines solchen niemals von
demselben großen Einfluß auf das gesamte Gebiet sein. Es ist nicht vorteilhaft,
wenn ein Wirtschaftsbetrieb schließlich nur auf zwei Augen beruht. Vorsorgeuo
muß der Staat hier eingreifen. Er darf jedenfalls die Gefahren einer derartigen
Lage, denen er sich keinesfalls verschließen kann, nicht noch vermehren.

Daß Hapag und Lloyd, im weiteren Sinne auch die Städte Bremen und
Hamburg bemüht sind, ihre Sonderstellung zu behaupten und mit allen Mitteln
gegen die Bestrebungen und Versuche ankämpfen, die ihnen in dieser Hinsicht
unbequem und gefährlich sein könnten, ist ja von ihrem Standpunkte aus
begreiflich. Es frägt sich aber, ob dies nicht ein sehr enger Standpunkt ist, der
nicht im Interesse der Allgemeinheit liegt.

Für Preußen liegt jedenfalls keine Notwendigkeit vor, seine eigenen Interessen
zugunsten der Hansestädte zurückzustellen und zu vernachlässigen. Daß Emden
"ach seiner Vergrößerung und Erweiterung eine gewisse Konkurrenz für die
anderen Häfen bedeuten würde, wie dies jede neue Hafenanlage sein würde, ist selbst¬
verständlich. Darüber mußte man sich aber vor Beginn der Hafenbauten klar werden,
ehe die großen Mittel zu ihrer Ausführung bewilligt und bereit gestellt wurden.
Jetzt, nachdem die Bauten zum größten Teil vollendet sind, muß man sich aber
"icht scheuen, die notwendigen Folgerungen daraus zu ziehen. Tut man dies
nicht, so bleibt der Hafen trotz seiner technischen Vorzüglichkeit leer und unbelebt,
die ganzen Anlagen unbenutzt, die 80 Millionen ohne Ergebnis. Einen solchen
Erfolg können aber weder die Stadt Emden, noch Landtag und Negierung
beabsichtigt haben. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, alle Kräfte in Bewegung zu
setzen, um die Entwicklung des Emdener Hafens zu ermöglichen und zu erweitern.
Sie müssen deshalb auch alle Mittel benutzen, um beim Bundesrat die Erteilung
der Auswandererkonzession zu erzielen.


Emden

sein wird. Der Staat wird es jedenfalls leichter haben, mit mehreren Gesell¬
schaften zuarbeiten, als wenn er sich nur eine große geschlossene Macht gegenüber
hat, die dann unwillkürlich die Forderung aufstellt, als gleichberechtigte Macht
behandelt und anerkannt zu werden. Es ist auch fraglich, ob sich immer Leute
finden werden, die fo genial veranlagt sind, daß sie ein so großes Unternehmen
auch unter schwierigen Verhältnissen richtig leiten können. Man muß dabei in
vorausschaue«der Weise nicht nur mit den augenblicklichen Verhältnissen rechnen.
Je größer ein Unternehmen wird, desto schwieriger seine Leitung. Schon jetzt
blicken viele besorgt in die Zukunft, was aus den Niesenunternehmen werden
soll, wenn die leitende Kraft einmal fehlt. Es ist sehr selten, daß die Leiter
solcher Unternehmungen für einen Nachwuchs und Nachfolger sorgen. Ihre
Tätigkeit, ihre Energie läßt selten andere Personen gleichberechtigt neben sich
gelten. Dies macht sich gewöhnlich erst bemerkbar, wenn die Frage der Nach¬
folgerschaft akut geworden ist. Hat sich aber ein Verkehrszweig, eine Industrie
in einem einzigen Unternehmen zusammengedrängt, so leidet sofort das ganze
Wirtschaftsleben, wenn dieses nicht auf der Höhe bleibt. Sind dagegen mehrere
Unternehmungen vorhanden, so kann die Notlage eines solchen niemals von
demselben großen Einfluß auf das gesamte Gebiet sein. Es ist nicht vorteilhaft,
wenn ein Wirtschaftsbetrieb schließlich nur auf zwei Augen beruht. Vorsorgeuo
muß der Staat hier eingreifen. Er darf jedenfalls die Gefahren einer derartigen
Lage, denen er sich keinesfalls verschließen kann, nicht noch vermehren.

Daß Hapag und Lloyd, im weiteren Sinne auch die Städte Bremen und
Hamburg bemüht sind, ihre Sonderstellung zu behaupten und mit allen Mitteln
gegen die Bestrebungen und Versuche ankämpfen, die ihnen in dieser Hinsicht
unbequem und gefährlich sein könnten, ist ja von ihrem Standpunkte aus
begreiflich. Es frägt sich aber, ob dies nicht ein sehr enger Standpunkt ist, der
nicht im Interesse der Allgemeinheit liegt.

Für Preußen liegt jedenfalls keine Notwendigkeit vor, seine eigenen Interessen
zugunsten der Hansestädte zurückzustellen und zu vernachlässigen. Daß Emden
"ach seiner Vergrößerung und Erweiterung eine gewisse Konkurrenz für die
anderen Häfen bedeuten würde, wie dies jede neue Hafenanlage sein würde, ist selbst¬
verständlich. Darüber mußte man sich aber vor Beginn der Hafenbauten klar werden,
ehe die großen Mittel zu ihrer Ausführung bewilligt und bereit gestellt wurden.
Jetzt, nachdem die Bauten zum größten Teil vollendet sind, muß man sich aber
"icht scheuen, die notwendigen Folgerungen daraus zu ziehen. Tut man dies
nicht, so bleibt der Hafen trotz seiner technischen Vorzüglichkeit leer und unbelebt,
die ganzen Anlagen unbenutzt, die 80 Millionen ohne Ergebnis. Einen solchen
Erfolg können aber weder die Stadt Emden, noch Landtag und Negierung
beabsichtigt haben. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, alle Kräfte in Bewegung zu
setzen, um die Entwicklung des Emdener Hafens zu ermöglichen und zu erweitern.
Sie müssen deshalb auch alle Mittel benutzen, um beim Bundesrat die Erteilung
der Auswandererkonzession zu erzielen.


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[0373] Emden sein wird. Der Staat wird es jedenfalls leichter haben, mit mehreren Gesell¬ schaften zuarbeiten, als wenn er sich nur eine große geschlossene Macht gegenüber hat, die dann unwillkürlich die Forderung aufstellt, als gleichberechtigte Macht behandelt und anerkannt zu werden. Es ist auch fraglich, ob sich immer Leute finden werden, die fo genial veranlagt sind, daß sie ein so großes Unternehmen auch unter schwierigen Verhältnissen richtig leiten können. Man muß dabei in vorausschaue«der Weise nicht nur mit den augenblicklichen Verhältnissen rechnen. Je größer ein Unternehmen wird, desto schwieriger seine Leitung. Schon jetzt blicken viele besorgt in die Zukunft, was aus den Niesenunternehmen werden soll, wenn die leitende Kraft einmal fehlt. Es ist sehr selten, daß die Leiter solcher Unternehmungen für einen Nachwuchs und Nachfolger sorgen. Ihre Tätigkeit, ihre Energie läßt selten andere Personen gleichberechtigt neben sich gelten. Dies macht sich gewöhnlich erst bemerkbar, wenn die Frage der Nach¬ folgerschaft akut geworden ist. Hat sich aber ein Verkehrszweig, eine Industrie in einem einzigen Unternehmen zusammengedrängt, so leidet sofort das ganze Wirtschaftsleben, wenn dieses nicht auf der Höhe bleibt. Sind dagegen mehrere Unternehmungen vorhanden, so kann die Notlage eines solchen niemals von demselben großen Einfluß auf das gesamte Gebiet sein. Es ist nicht vorteilhaft, wenn ein Wirtschaftsbetrieb schließlich nur auf zwei Augen beruht. Vorsorgeuo muß der Staat hier eingreifen. Er darf jedenfalls die Gefahren einer derartigen Lage, denen er sich keinesfalls verschließen kann, nicht noch vermehren. Daß Hapag und Lloyd, im weiteren Sinne auch die Städte Bremen und Hamburg bemüht sind, ihre Sonderstellung zu behaupten und mit allen Mitteln gegen die Bestrebungen und Versuche ankämpfen, die ihnen in dieser Hinsicht unbequem und gefährlich sein könnten, ist ja von ihrem Standpunkte aus begreiflich. Es frägt sich aber, ob dies nicht ein sehr enger Standpunkt ist, der nicht im Interesse der Allgemeinheit liegt. Für Preußen liegt jedenfalls keine Notwendigkeit vor, seine eigenen Interessen zugunsten der Hansestädte zurückzustellen und zu vernachlässigen. Daß Emden "ach seiner Vergrößerung und Erweiterung eine gewisse Konkurrenz für die anderen Häfen bedeuten würde, wie dies jede neue Hafenanlage sein würde, ist selbst¬ verständlich. Darüber mußte man sich aber vor Beginn der Hafenbauten klar werden, ehe die großen Mittel zu ihrer Ausführung bewilligt und bereit gestellt wurden. Jetzt, nachdem die Bauten zum größten Teil vollendet sind, muß man sich aber "icht scheuen, die notwendigen Folgerungen daraus zu ziehen. Tut man dies nicht, so bleibt der Hafen trotz seiner technischen Vorzüglichkeit leer und unbelebt, die ganzen Anlagen unbenutzt, die 80 Millionen ohne Ergebnis. Einen solchen Erfolg können aber weder die Stadt Emden, noch Landtag und Negierung beabsichtigt haben. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, alle Kräfte in Bewegung zu setzen, um die Entwicklung des Emdener Hafens zu ermöglichen und zu erweitern. Sie müssen deshalb auch alle Mittel benutzen, um beim Bundesrat die Erteilung der Auswandererkonzession zu erzielen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/373>, abgerufen am 25.08.2024.