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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Unser Luftreich -- Unsere Ankunft!

gemacht, daß Kavalleristen und Artilleristen die besten Beobachtungsoffiziere
abgeben, und daß es besonders der kavalleristischen Erziehung eigen ist, stets
das große Ganze im Auge zu behalten. Deshalb soll das Gesamtgebiet des
militärischen Luftfahrtwesens in intime Berührung mit der Kavallerie gebracht
und den Kavallerie-Inspektionen unterstellt werden, um so mehr, als sich der
technische Dienst der Kavallerie stündig vermehrt.

Ein mit solchem Freimut geäußerter, radikaler Abänderungsvorschlag läßt
die Vermutung zu, daß der Verfasser noch tiefer liegende Gründe für seine
Vorschläge hat, die sich für die breitere Öffentlichkeit aus leicht verständlichen
Gründen nicht eignen. Aber es muß doch zunächst die Frage aufgeworfen
werden, ob denn die Kavallerie sich dieser verantwortungsschweren Aufgabe
unterziehen will. Wenn wir den kühnen, freudigen und mtternehmungslustigen
Reitergeist in Betracht ziehen, so wird man annehmen dürfen, daß die Kavallerie
die dargebotene Hand gern ergreift. Aber auch unsere Feldartillerie erfreut sich
des gleichen Geistes, und deshalb müßte bei den: vom Verfasser vorgeschlagenen,
radikalen Vorgehen erwogen werden, ob nicht die in der Schlacht stabilere
Artillerie, deren Aufstellung für das Gerippe der fechtenden Truppen maßgebend
ist, für die Mühewaltung und Wartung des Militär-Luftfahrtwesens noch geeig¬
neter ist. Das französische Luftfahrtgesetz kommt zu einem noch großzügigeren
Standpunkt, indem es sagt: Luftfahrtwesen gleich Generalstabsdienst!

Niemand wird also dem Verfasser bestreiten können, daß er mit seinen
Vorschlägen einem gesunden und bedeutungsschweren Zug der Zeit gefolgt ist --
mag man auch sonst in Einzelfragen anderer Ansicht sein.

Weiterhin ist das Buch durch die Gedanken über Funkentelegraphie, Wetter¬
dienst und Orientierungsvorschläge für Lustfahrt höchst bemerkenswert. Diese
Erörterungen sind auch für Laien leicht verständlich und enthalten gesunde
Kernpunkte von erheblicher Tragweite.

Die Spezialfmgen sind in folgende Unterkapitel gegliedert: Jugenderziehung,
Freiballon, Luftschiffe, Hallen, Gas, Flugzeuge, Flugplätze und Flugfelder,
Photographie und Photogrammetrie, Orientierung, Funkentelegraphie, Wissen¬
schaftliches. In allen diesen Einzelfragen ist der neueste Stand der Technik
berücksichtigt. An dieser Stelle sei namentlich auf das in Deutschland lange
vernachlässigte Gebiet der Photographie und Photogrammetrie hingewiesen. Die
Amerikaner benutzten die Photographie bereits mit Erfolg im Sezessionskriege.
Die Franzosen haben mit der ihnen eigenen Rührigkeit in technischen Dingen
auf den Vorschlägen des Obersten Laussedat weitergebaut und daraus namentlich
für die Vermessung und Kartenherstellung in den Kolonien wertvolle und kosten¬
ersparende Resultate erzielt. Die Engländer haben im Burenkriege aus dem
Fesselballon Photographien angefertigt, die sie ihren Meldereitern als Marschroute
angaben und als Ersatz für Karten verwandten. Bei uns ist diese Sache lange
Zeit stiefmütterlich behandelt worden; sie verlangt gewiß vermehrte Aufmerk¬
samkeit und Beachtung seitens der maßgebenden Behörden.


Unser Luftreich — Unsere Ankunft!

gemacht, daß Kavalleristen und Artilleristen die besten Beobachtungsoffiziere
abgeben, und daß es besonders der kavalleristischen Erziehung eigen ist, stets
das große Ganze im Auge zu behalten. Deshalb soll das Gesamtgebiet des
militärischen Luftfahrtwesens in intime Berührung mit der Kavallerie gebracht
und den Kavallerie-Inspektionen unterstellt werden, um so mehr, als sich der
technische Dienst der Kavallerie stündig vermehrt.

Ein mit solchem Freimut geäußerter, radikaler Abänderungsvorschlag läßt
die Vermutung zu, daß der Verfasser noch tiefer liegende Gründe für seine
Vorschläge hat, die sich für die breitere Öffentlichkeit aus leicht verständlichen
Gründen nicht eignen. Aber es muß doch zunächst die Frage aufgeworfen
werden, ob denn die Kavallerie sich dieser verantwortungsschweren Aufgabe
unterziehen will. Wenn wir den kühnen, freudigen und mtternehmungslustigen
Reitergeist in Betracht ziehen, so wird man annehmen dürfen, daß die Kavallerie
die dargebotene Hand gern ergreift. Aber auch unsere Feldartillerie erfreut sich
des gleichen Geistes, und deshalb müßte bei den: vom Verfasser vorgeschlagenen,
radikalen Vorgehen erwogen werden, ob nicht die in der Schlacht stabilere
Artillerie, deren Aufstellung für das Gerippe der fechtenden Truppen maßgebend
ist, für die Mühewaltung und Wartung des Militär-Luftfahrtwesens noch geeig¬
neter ist. Das französische Luftfahrtgesetz kommt zu einem noch großzügigeren
Standpunkt, indem es sagt: Luftfahrtwesen gleich Generalstabsdienst!

Niemand wird also dem Verfasser bestreiten können, daß er mit seinen
Vorschlägen einem gesunden und bedeutungsschweren Zug der Zeit gefolgt ist —
mag man auch sonst in Einzelfragen anderer Ansicht sein.

Weiterhin ist das Buch durch die Gedanken über Funkentelegraphie, Wetter¬
dienst und Orientierungsvorschläge für Lustfahrt höchst bemerkenswert. Diese
Erörterungen sind auch für Laien leicht verständlich und enthalten gesunde
Kernpunkte von erheblicher Tragweite.

Die Spezialfmgen sind in folgende Unterkapitel gegliedert: Jugenderziehung,
Freiballon, Luftschiffe, Hallen, Gas, Flugzeuge, Flugplätze und Flugfelder,
Photographie und Photogrammetrie, Orientierung, Funkentelegraphie, Wissen¬
schaftliches. In allen diesen Einzelfragen ist der neueste Stand der Technik
berücksichtigt. An dieser Stelle sei namentlich auf das in Deutschland lange
vernachlässigte Gebiet der Photographie und Photogrammetrie hingewiesen. Die
Amerikaner benutzten die Photographie bereits mit Erfolg im Sezessionskriege.
Die Franzosen haben mit der ihnen eigenen Rührigkeit in technischen Dingen
auf den Vorschlägen des Obersten Laussedat weitergebaut und daraus namentlich
für die Vermessung und Kartenherstellung in den Kolonien wertvolle und kosten¬
ersparende Resultate erzielt. Die Engländer haben im Burenkriege aus dem
Fesselballon Photographien angefertigt, die sie ihren Meldereitern als Marschroute
angaben und als Ersatz für Karten verwandten. Bei uns ist diese Sache lange
Zeit stiefmütterlich behandelt worden; sie verlangt gewiß vermehrte Aufmerk¬
samkeit und Beachtung seitens der maßgebenden Behörden.


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[0272] Unser Luftreich — Unsere Ankunft! gemacht, daß Kavalleristen und Artilleristen die besten Beobachtungsoffiziere abgeben, und daß es besonders der kavalleristischen Erziehung eigen ist, stets das große Ganze im Auge zu behalten. Deshalb soll das Gesamtgebiet des militärischen Luftfahrtwesens in intime Berührung mit der Kavallerie gebracht und den Kavallerie-Inspektionen unterstellt werden, um so mehr, als sich der technische Dienst der Kavallerie stündig vermehrt. Ein mit solchem Freimut geäußerter, radikaler Abänderungsvorschlag läßt die Vermutung zu, daß der Verfasser noch tiefer liegende Gründe für seine Vorschläge hat, die sich für die breitere Öffentlichkeit aus leicht verständlichen Gründen nicht eignen. Aber es muß doch zunächst die Frage aufgeworfen werden, ob denn die Kavallerie sich dieser verantwortungsschweren Aufgabe unterziehen will. Wenn wir den kühnen, freudigen und mtternehmungslustigen Reitergeist in Betracht ziehen, so wird man annehmen dürfen, daß die Kavallerie die dargebotene Hand gern ergreift. Aber auch unsere Feldartillerie erfreut sich des gleichen Geistes, und deshalb müßte bei den: vom Verfasser vorgeschlagenen, radikalen Vorgehen erwogen werden, ob nicht die in der Schlacht stabilere Artillerie, deren Aufstellung für das Gerippe der fechtenden Truppen maßgebend ist, für die Mühewaltung und Wartung des Militär-Luftfahrtwesens noch geeig¬ neter ist. Das französische Luftfahrtgesetz kommt zu einem noch großzügigeren Standpunkt, indem es sagt: Luftfahrtwesen gleich Generalstabsdienst! Niemand wird also dem Verfasser bestreiten können, daß er mit seinen Vorschlägen einem gesunden und bedeutungsschweren Zug der Zeit gefolgt ist — mag man auch sonst in Einzelfragen anderer Ansicht sein. Weiterhin ist das Buch durch die Gedanken über Funkentelegraphie, Wetter¬ dienst und Orientierungsvorschläge für Lustfahrt höchst bemerkenswert. Diese Erörterungen sind auch für Laien leicht verständlich und enthalten gesunde Kernpunkte von erheblicher Tragweite. Die Spezialfmgen sind in folgende Unterkapitel gegliedert: Jugenderziehung, Freiballon, Luftschiffe, Hallen, Gas, Flugzeuge, Flugplätze und Flugfelder, Photographie und Photogrammetrie, Orientierung, Funkentelegraphie, Wissen¬ schaftliches. In allen diesen Einzelfragen ist der neueste Stand der Technik berücksichtigt. An dieser Stelle sei namentlich auf das in Deutschland lange vernachlässigte Gebiet der Photographie und Photogrammetrie hingewiesen. Die Amerikaner benutzten die Photographie bereits mit Erfolg im Sezessionskriege. Die Franzosen haben mit der ihnen eigenen Rührigkeit in technischen Dingen auf den Vorschlägen des Obersten Laussedat weitergebaut und daraus namentlich für die Vermessung und Kartenherstellung in den Kolonien wertvolle und kosten¬ ersparende Resultate erzielt. Die Engländer haben im Burenkriege aus dem Fesselballon Photographien angefertigt, die sie ihren Meldereitern als Marschroute angaben und als Ersatz für Karten verwandten. Bei uns ist diese Sache lange Zeit stiefmütterlich behandelt worden; sie verlangt gewiß vermehrte Aufmerk¬ samkeit und Beachtung seitens der maßgebenden Behörden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/272>, abgerufen am 23.07.2024.