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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Ignaz Kuranda in seiner politischen Wirksamkeit

eine entschieden freiheitliche Monarchie, der Monarch selber solle nur der unver¬
antwortliche und erbliche Präsident sein. Die Träger der Freiheit aber können,
wie der Eröffnnngsartikel ausführt, nur die Deutschen sein. Ein großes, starkes
Österreich ist sein Ziel. "Aber wenn die Erhaltung dieses großen Österreich
auch nur mit der kleinsten Gefahr für unsere Nationalität verbunden oder gar
der Schwerpunkt der Monarchie nach slawischer Seite fallen sollte und die
Autonomie des deutschen Willens von der slawischen Majorität bedroht würde
-- dann mag immerhin die Monarchie in Trümmer fallen! Dann ist es
unsere heiligste Pflicht, das zu tun, was die Italiener und Kroaten gegen ihre
Unterdrücker unternommen haben. Und wir haben die lebendige Kraft dazu,
und wir haben auch das geschriebene Recht dazu; denn Österreich, das eigentliche
Österreich ist zu allen Zeiten deutsch gewesen und muß auch für alle Zukunft
deutsch bleiben." Kräftige Worte, die statt 1848 auch 1912 gesprochen sein
könnten I

Aber die politisch maßvolle Stimme der "Ostdeutschen Post" verhallte in
diesem Wiener Oktober, wo schon die extremen Elemente zu Wort gekommen
waren. Auch Kurandas Blatt wurde, als Windischgrätz Wien bezwungen,
Wert. Erst vom 18. Dezember 1848 an durfte es wieder erscheinen. Es litt
unter deu Quälereien des Belagerungszustandes. Kuranda mußte eine Zeitlang
die Redaktion abgeben und durfte sie erst 1853 wieder übernehmen. Gerade
um die Mitte der fünfziger Jahre aber hat die "Ostdeutsche Post" ihre Blütezeit
gehabt. Männer wie Eitelberger. Stubenrauch, Bauernfeld, Baron Eötvös,
Pratobevera, Rudolf Valdek, Emil Kuh u. a. waren ihre Mitarbeiter. Kuranda
selbst schrieb fleißig seine stets elegant adjustierten, kurzgefaßte:: und scharf
pointierter Artikel. Das Blatt war-- wie der durchaus nicht zum Lobredner
geeignete Herbst sagte -- unerreicht an vornehmem, würdigen! und doch ent¬
schiedenem Ton, an unter schwierigsten Verhältnissen bewährter Unabhängigkeit
und Gesinnungstüchtigkeit. Wie die Grenzboten einst ein Bindemittel zwischen
Deutschland und Österreich gewesen in den bösen Zeiten des Vormärz, wurde
die "Ostdeutsche Post" in dem kaum minder schlimmen Reaktionsdezennimn ein
"Pionier der österreichischen Publizistik".

Nicht eine politische Umgestaltung, sondern ein Zuscnnmenbrnch war das
Ende des nachmärzlichen Absolutismus. Kuranda, der den halbkonstitutionellen
und ganzföderalistischen Versuch des Oktoberdiploms von 1860 bekämpft hatte,
schloß sich, wie alle liberalen Deutschösterreicher, mit Begeisterung an Schmerling
an, den Schöpfer des Februarpatentes von 1861, das endlich eine wirkliche,
wenn auch recht bescheiden zugeschnittene Verfassung bot. Am 20. März wählte
ihn die innere Stadt Wien mit gewaltiger Mehrheit zu ihrem Abgeordneten in
den Landtag und dieser ihn (nach dem System der indirekten Wahlen, das bis
1673 bestand) am 6. April in den Reichsrat. Beiden Körperschaften hat
Kuranda von da ab ohne Unterbrechung bis zu seinem Tode, also durch drei¬
undzwanzig Jahre, angehört. "Von Schmerling bis Taaffe" ließe sich seine


Ignaz Kuranda in seiner politischen Wirksamkeit

eine entschieden freiheitliche Monarchie, der Monarch selber solle nur der unver¬
antwortliche und erbliche Präsident sein. Die Träger der Freiheit aber können,
wie der Eröffnnngsartikel ausführt, nur die Deutschen sein. Ein großes, starkes
Österreich ist sein Ziel. „Aber wenn die Erhaltung dieses großen Österreich
auch nur mit der kleinsten Gefahr für unsere Nationalität verbunden oder gar
der Schwerpunkt der Monarchie nach slawischer Seite fallen sollte und die
Autonomie des deutschen Willens von der slawischen Majorität bedroht würde
— dann mag immerhin die Monarchie in Trümmer fallen! Dann ist es
unsere heiligste Pflicht, das zu tun, was die Italiener und Kroaten gegen ihre
Unterdrücker unternommen haben. Und wir haben die lebendige Kraft dazu,
und wir haben auch das geschriebene Recht dazu; denn Österreich, das eigentliche
Österreich ist zu allen Zeiten deutsch gewesen und muß auch für alle Zukunft
deutsch bleiben." Kräftige Worte, die statt 1848 auch 1912 gesprochen sein
könnten I

Aber die politisch maßvolle Stimme der „Ostdeutschen Post" verhallte in
diesem Wiener Oktober, wo schon die extremen Elemente zu Wort gekommen
waren. Auch Kurandas Blatt wurde, als Windischgrätz Wien bezwungen,
Wert. Erst vom 18. Dezember 1848 an durfte es wieder erscheinen. Es litt
unter deu Quälereien des Belagerungszustandes. Kuranda mußte eine Zeitlang
die Redaktion abgeben und durfte sie erst 1853 wieder übernehmen. Gerade
um die Mitte der fünfziger Jahre aber hat die „Ostdeutsche Post" ihre Blütezeit
gehabt. Männer wie Eitelberger. Stubenrauch, Bauernfeld, Baron Eötvös,
Pratobevera, Rudolf Valdek, Emil Kuh u. a. waren ihre Mitarbeiter. Kuranda
selbst schrieb fleißig seine stets elegant adjustierten, kurzgefaßte:: und scharf
pointierter Artikel. Das Blatt war— wie der durchaus nicht zum Lobredner
geeignete Herbst sagte — unerreicht an vornehmem, würdigen! und doch ent¬
schiedenem Ton, an unter schwierigsten Verhältnissen bewährter Unabhängigkeit
und Gesinnungstüchtigkeit. Wie die Grenzboten einst ein Bindemittel zwischen
Deutschland und Österreich gewesen in den bösen Zeiten des Vormärz, wurde
die „Ostdeutsche Post" in dem kaum minder schlimmen Reaktionsdezennimn ein
„Pionier der österreichischen Publizistik".

Nicht eine politische Umgestaltung, sondern ein Zuscnnmenbrnch war das
Ende des nachmärzlichen Absolutismus. Kuranda, der den halbkonstitutionellen
und ganzföderalistischen Versuch des Oktoberdiploms von 1860 bekämpft hatte,
schloß sich, wie alle liberalen Deutschösterreicher, mit Begeisterung an Schmerling
an, den Schöpfer des Februarpatentes von 1861, das endlich eine wirkliche,
wenn auch recht bescheiden zugeschnittene Verfassung bot. Am 20. März wählte
ihn die innere Stadt Wien mit gewaltiger Mehrheit zu ihrem Abgeordneten in
den Landtag und dieser ihn (nach dem System der indirekten Wahlen, das bis
1673 bestand) am 6. April in den Reichsrat. Beiden Körperschaften hat
Kuranda von da ab ohne Unterbrechung bis zu seinem Tode, also durch drei¬
undzwanzig Jahre, angehört. „Von Schmerling bis Taaffe" ließe sich seine


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[0216] Ignaz Kuranda in seiner politischen Wirksamkeit eine entschieden freiheitliche Monarchie, der Monarch selber solle nur der unver¬ antwortliche und erbliche Präsident sein. Die Träger der Freiheit aber können, wie der Eröffnnngsartikel ausführt, nur die Deutschen sein. Ein großes, starkes Österreich ist sein Ziel. „Aber wenn die Erhaltung dieses großen Österreich auch nur mit der kleinsten Gefahr für unsere Nationalität verbunden oder gar der Schwerpunkt der Monarchie nach slawischer Seite fallen sollte und die Autonomie des deutschen Willens von der slawischen Majorität bedroht würde — dann mag immerhin die Monarchie in Trümmer fallen! Dann ist es unsere heiligste Pflicht, das zu tun, was die Italiener und Kroaten gegen ihre Unterdrücker unternommen haben. Und wir haben die lebendige Kraft dazu, und wir haben auch das geschriebene Recht dazu; denn Österreich, das eigentliche Österreich ist zu allen Zeiten deutsch gewesen und muß auch für alle Zukunft deutsch bleiben." Kräftige Worte, die statt 1848 auch 1912 gesprochen sein könnten I Aber die politisch maßvolle Stimme der „Ostdeutschen Post" verhallte in diesem Wiener Oktober, wo schon die extremen Elemente zu Wort gekommen waren. Auch Kurandas Blatt wurde, als Windischgrätz Wien bezwungen, Wert. Erst vom 18. Dezember 1848 an durfte es wieder erscheinen. Es litt unter deu Quälereien des Belagerungszustandes. Kuranda mußte eine Zeitlang die Redaktion abgeben und durfte sie erst 1853 wieder übernehmen. Gerade um die Mitte der fünfziger Jahre aber hat die „Ostdeutsche Post" ihre Blütezeit gehabt. Männer wie Eitelberger. Stubenrauch, Bauernfeld, Baron Eötvös, Pratobevera, Rudolf Valdek, Emil Kuh u. a. waren ihre Mitarbeiter. Kuranda selbst schrieb fleißig seine stets elegant adjustierten, kurzgefaßte:: und scharf pointierter Artikel. Das Blatt war— wie der durchaus nicht zum Lobredner geeignete Herbst sagte — unerreicht an vornehmem, würdigen! und doch ent¬ schiedenem Ton, an unter schwierigsten Verhältnissen bewährter Unabhängigkeit und Gesinnungstüchtigkeit. Wie die Grenzboten einst ein Bindemittel zwischen Deutschland und Österreich gewesen in den bösen Zeiten des Vormärz, wurde die „Ostdeutsche Post" in dem kaum minder schlimmen Reaktionsdezennimn ein „Pionier der österreichischen Publizistik". Nicht eine politische Umgestaltung, sondern ein Zuscnnmenbrnch war das Ende des nachmärzlichen Absolutismus. Kuranda, der den halbkonstitutionellen und ganzföderalistischen Versuch des Oktoberdiploms von 1860 bekämpft hatte, schloß sich, wie alle liberalen Deutschösterreicher, mit Begeisterung an Schmerling an, den Schöpfer des Februarpatentes von 1861, das endlich eine wirkliche, wenn auch recht bescheiden zugeschnittene Verfassung bot. Am 20. März wählte ihn die innere Stadt Wien mit gewaltiger Mehrheit zu ihrem Abgeordneten in den Landtag und dieser ihn (nach dem System der indirekten Wahlen, das bis 1673 bestand) am 6. April in den Reichsrat. Beiden Körperschaften hat Kuranda von da ab ohne Unterbrechung bis zu seinem Tode, also durch drei¬ undzwanzig Jahre, angehört. „Von Schmerling bis Taaffe" ließe sich seine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/216>, abgerufen am 23.07.2024.