Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.Briefe ans (vstasieu stammt. Der Tempel ist auf Pfählen hart am Meeresstrande gebaut und steht Kompira gehört zu den meistbesuchten japanischen Wallfahrtsorten und ist In Kyoto wurden wir von dem braven Koza empfangen, der uns von Nur zwei Tage blieben wir in Kyoto und gingen dann wieder in Kozas Briefe ans (vstasieu stammt. Der Tempel ist auf Pfählen hart am Meeresstrande gebaut und steht Kompira gehört zu den meistbesuchten japanischen Wallfahrtsorten und ist In Kyoto wurden wir von dem braven Koza empfangen, der uns von Nur zwei Tage blieben wir in Kyoto und gingen dann wieder in Kozas <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0143" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321226"/> <fw type="header" place="top"> Briefe ans (vstasieu</fw><lb/> <p xml:id="ID_570" prev="#ID_569"> stammt. Der Tempel ist auf Pfählen hart am Meeresstrande gebaut und steht<lb/> während der Flut vollständig im Wasser, was einen ganz eigenartigen Eindruck<lb/> macht. Die Insel selbst ist mit dem herrlichsten Baumwuchs bedeckt und bietet<lb/> durch ihre landschaftliche Schönheit und stille Weltabgeschiedenheit einen Ort<lb/> poetischer Beschaulichkeit, wie er gar nicht schöner gedacht werden kann. Eine<lb/> merkwürdige Sitte gebietet, daß kein Geburth- noch Todesfall aus dieser den<lb/> Göttern geweihten Insel stattfinden darf. Daher werden Todeskandidaten und<lb/> angehende Mütter rechtzeitig nach der gegenüberliegenden Hauptinsel hinüber¬<lb/> geschafft. Wir hatten unter diesem Verbot zum Glück nicht zu leiden.</p><lb/> <p xml:id="ID_571"> Kompira gehört zu den meistbesuchten japanischen Wallfahrtsorten und ist<lb/> jetzt ebenfalls shintoistisch. obwohl es ursprünglich buddhistisch war. Mehr als<lb/> fünfhundert steinerne Stufen führen zu dem malerisch auf einer dichtbewaldeten<lb/> Höhe gelegenen Tempel empor. Oben angelangt wird der müde Pilger durch<lb/> die herrlichste Aussicht belohnt.</p><lb/> <p xml:id="ID_572"> In Kyoto wurden wir von dem braven Koza empfangen, der uns von<lb/> Mr. G. empfohlen worden war. Er war ein Jahr lang in dessen Diensten<lb/> gewesen, und jetzt ist er unser Boy, Führer und Riksha-Mann (zweibeiniger<lb/> Karrengaul); letzteres ist sein eigentliches Metier. Dabei spricht der Mann gut<lb/> englisch, hat einen fein entwickelten Kunstsinn und einen wahren Enthusiasmus<lb/> für alles, was schön ist, ist obendrein von einer wirklich rührenden Ehrlichkeit<lb/> und Bescheidenheit. Mr. G. hat ihn uns durch freundliche Vermittlung eines<lb/> japanischen Freundes, eines Herrn N., verschafft. Dieser Herr N. ist der größte<lb/> hiesige Seidenhändler, seine Spezialität sind altjapanische Seidenstickereien und<lb/> Brokate. Natürlich machten wir ihm gleich nach unserer Ankunft einen Besuch.<lb/> Er lud uns sofort ein, an demselben Abend mit ihm nach Arashiyama zu fahren,<lb/> wo Feuerwerk und Illumination stattfinden sollte. Der Ausflug war reizend. Ara¬<lb/> shinama ist eine bewaldete Bergkette, eine Stunde von Kyoto entfernt, an deren Fuße<lb/> ein breiter Bach entlang fließt, der weiterhin in prächtigen Stromschnellen bergab<lb/> rauscht. Allenthalben Girlanden von roten Papierlaternen, von Zeit zu Zeit<lb/> buntfarbige Leuchtkörper, die himmelan steigen, um dann einen Funkenregen<lb/> herabzusenden, und über allem der Mond, der mit den Wolken kämpfte. Wir<lb/> setzten uns mit Herrn N. und einigen seiner Freunde in eins der zahlreichen,<lb/> mit bunten Lampen geschmückten Boote und fuhren auf dem Bache auf und<lb/> nieder, uns an diesem Märchenbild erfreuend.</p><lb/> <p xml:id="ID_573" next="#ID_574"> Nur zwei Tage blieben wir in Kyoto und gingen dann wieder in Kozas<lb/> Begleitung auf die Wanderschaft, die jedoch nur eine Woche währte. Es war<lb/> abermals gleich der ersten Reise eine Pilgerfahrt, deren Ziel zwei altehrwürdige<lb/> Heiligtümer waren: das uralte buddhistische Kloster Koyasan und die Shinto-<lb/> tempel von Ise. das berühmte Nationalheiligtum der Japaner. Das Kloster<lb/> Koyasan liegt auf einem hohen, dicht bewaldeten Berge und gleicht eigentlich<lb/> einer förmlichen Tempelstadt. Der Weg hinauf war steil und anstrengend, ^<lb/> dafür aber unbeschreiblich schön. Eine Vegetation, von der Du Dir keine</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0143]
Briefe ans (vstasieu
stammt. Der Tempel ist auf Pfählen hart am Meeresstrande gebaut und steht
während der Flut vollständig im Wasser, was einen ganz eigenartigen Eindruck
macht. Die Insel selbst ist mit dem herrlichsten Baumwuchs bedeckt und bietet
durch ihre landschaftliche Schönheit und stille Weltabgeschiedenheit einen Ort
poetischer Beschaulichkeit, wie er gar nicht schöner gedacht werden kann. Eine
merkwürdige Sitte gebietet, daß kein Geburth- noch Todesfall aus dieser den
Göttern geweihten Insel stattfinden darf. Daher werden Todeskandidaten und
angehende Mütter rechtzeitig nach der gegenüberliegenden Hauptinsel hinüber¬
geschafft. Wir hatten unter diesem Verbot zum Glück nicht zu leiden.
Kompira gehört zu den meistbesuchten japanischen Wallfahrtsorten und ist
jetzt ebenfalls shintoistisch. obwohl es ursprünglich buddhistisch war. Mehr als
fünfhundert steinerne Stufen führen zu dem malerisch auf einer dichtbewaldeten
Höhe gelegenen Tempel empor. Oben angelangt wird der müde Pilger durch
die herrlichste Aussicht belohnt.
In Kyoto wurden wir von dem braven Koza empfangen, der uns von
Mr. G. empfohlen worden war. Er war ein Jahr lang in dessen Diensten
gewesen, und jetzt ist er unser Boy, Führer und Riksha-Mann (zweibeiniger
Karrengaul); letzteres ist sein eigentliches Metier. Dabei spricht der Mann gut
englisch, hat einen fein entwickelten Kunstsinn und einen wahren Enthusiasmus
für alles, was schön ist, ist obendrein von einer wirklich rührenden Ehrlichkeit
und Bescheidenheit. Mr. G. hat ihn uns durch freundliche Vermittlung eines
japanischen Freundes, eines Herrn N., verschafft. Dieser Herr N. ist der größte
hiesige Seidenhändler, seine Spezialität sind altjapanische Seidenstickereien und
Brokate. Natürlich machten wir ihm gleich nach unserer Ankunft einen Besuch.
Er lud uns sofort ein, an demselben Abend mit ihm nach Arashiyama zu fahren,
wo Feuerwerk und Illumination stattfinden sollte. Der Ausflug war reizend. Ara¬
shinama ist eine bewaldete Bergkette, eine Stunde von Kyoto entfernt, an deren Fuße
ein breiter Bach entlang fließt, der weiterhin in prächtigen Stromschnellen bergab
rauscht. Allenthalben Girlanden von roten Papierlaternen, von Zeit zu Zeit
buntfarbige Leuchtkörper, die himmelan steigen, um dann einen Funkenregen
herabzusenden, und über allem der Mond, der mit den Wolken kämpfte. Wir
setzten uns mit Herrn N. und einigen seiner Freunde in eins der zahlreichen,
mit bunten Lampen geschmückten Boote und fuhren auf dem Bache auf und
nieder, uns an diesem Märchenbild erfreuend.
Nur zwei Tage blieben wir in Kyoto und gingen dann wieder in Kozas
Begleitung auf die Wanderschaft, die jedoch nur eine Woche währte. Es war
abermals gleich der ersten Reise eine Pilgerfahrt, deren Ziel zwei altehrwürdige
Heiligtümer waren: das uralte buddhistische Kloster Koyasan und die Shinto-
tempel von Ise. das berühmte Nationalheiligtum der Japaner. Das Kloster
Koyasan liegt auf einem hohen, dicht bewaldeten Berge und gleicht eigentlich
einer förmlichen Tempelstadt. Der Weg hinauf war steil und anstrengend, ^
dafür aber unbeschreiblich schön. Eine Vegetation, von der Du Dir keine
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