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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Die fürstlichen Gegner Bismarcks

Gegner aus dem ersten Jahre seines Ministeriums gewesen. Zwar die
Königin und Kaiserin hat aus ihrer Abneigung gegen Bismarcks Person
und Politik auch nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs kein
Hehl gemacht. Doch der Kronprinz und der Herzog von Koburg haben
im Jahre 1866, als die Tatsachen Bismarck Recht gegeben hatten, ihre
scharfe Opposition eingestellt. Es war ein großer Triumph für Bismarck,
als seine bisherigen fürstlichen Gegner in Nikolsburg seiner Auffassung
über den Umfang und die Art der Gebietsabtretungen dem Standpunkt
des Königs gegenüber zum Siege verhalfen.

Noch einmal sollten fürstliche politische Gegner im Leben des großen
Staatsmannes eine bedeutungsreiche und verhängnisvolle Rolle spielen. Im
letzten Jahre seiner Tätigkeit als Reichskanzler wurde von fürstlichen:
Munde das Wort geprägt: "Es kommt jetzt darauf an, ob die Dynastie
Bismarck oder die Dynastie Hohenzollern regieren soll." Der alte Kaiser
würde sich über diesen Ausspruch wie über so manchen ähnlichen hinweg¬
gesetzt haben; denn er vertraute Bismarck. Er sah auch darin keine
Verletzung des monarchischen und dynastischen Gefühls, wenn sein Kanzler,
gestützt auf eine langjährige Erfahrung und Erprobung, in manchen Ange¬
legenheiten seine Anschauung mit aller Entschiedenheit durchzusetzen suchte.
In entsagender Selbstverleugnung hatte er es gelernt, den königlichen
Willen zu beugen unter das Wohl der Allgemeinheit. Auf den Enkel wirkte
die schroffe Opposition des Kanzlers, die vielleicht zuweilen die gegebenen
Grenzen nicht beachtete, verstimmend und verletzend. Denn das persönliche
Vertrauensverhältnis, das zwischen dein alten Herrn und seinem treuen Diener
bestanden und aus so mancher Feuerprobe gehärtet hervorgegangen war, konnte
hier nicht vorhanden sein. So hatten fürstliche Gegner und andere unverant¬
wortliche Ratgeber ein leichtes Spiel.

Es liegt eine gewisse Tragik in der Tatsache, daß erst ein politisches
Leben, das wie selten eines mit glänzenden Erfolgen gekrönt war, vergehen
mußte, ehe es Bismarcks Gegnern gelang, das Ziel zu erreichen, nach dem
im ersten Ministerjahre des noch unerprobten Staatsmannes mit so heißem
Bemühen vergeblich gerungen worden war.




Grenzboten I 19127K
Die fürstlichen Gegner Bismarcks

Gegner aus dem ersten Jahre seines Ministeriums gewesen. Zwar die
Königin und Kaiserin hat aus ihrer Abneigung gegen Bismarcks Person
und Politik auch nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs kein
Hehl gemacht. Doch der Kronprinz und der Herzog von Koburg haben
im Jahre 1866, als die Tatsachen Bismarck Recht gegeben hatten, ihre
scharfe Opposition eingestellt. Es war ein großer Triumph für Bismarck,
als seine bisherigen fürstlichen Gegner in Nikolsburg seiner Auffassung
über den Umfang und die Art der Gebietsabtretungen dem Standpunkt
des Königs gegenüber zum Siege verhalfen.

Noch einmal sollten fürstliche politische Gegner im Leben des großen
Staatsmannes eine bedeutungsreiche und verhängnisvolle Rolle spielen. Im
letzten Jahre seiner Tätigkeit als Reichskanzler wurde von fürstlichen:
Munde das Wort geprägt: „Es kommt jetzt darauf an, ob die Dynastie
Bismarck oder die Dynastie Hohenzollern regieren soll." Der alte Kaiser
würde sich über diesen Ausspruch wie über so manchen ähnlichen hinweg¬
gesetzt haben; denn er vertraute Bismarck. Er sah auch darin keine
Verletzung des monarchischen und dynastischen Gefühls, wenn sein Kanzler,
gestützt auf eine langjährige Erfahrung und Erprobung, in manchen Ange¬
legenheiten seine Anschauung mit aller Entschiedenheit durchzusetzen suchte.
In entsagender Selbstverleugnung hatte er es gelernt, den königlichen
Willen zu beugen unter das Wohl der Allgemeinheit. Auf den Enkel wirkte
die schroffe Opposition des Kanzlers, die vielleicht zuweilen die gegebenen
Grenzen nicht beachtete, verstimmend und verletzend. Denn das persönliche
Vertrauensverhältnis, das zwischen dein alten Herrn und seinem treuen Diener
bestanden und aus so mancher Feuerprobe gehärtet hervorgegangen war, konnte
hier nicht vorhanden sein. So hatten fürstliche Gegner und andere unverant¬
wortliche Ratgeber ein leichtes Spiel.

Es liegt eine gewisse Tragik in der Tatsache, daß erst ein politisches
Leben, das wie selten eines mit glänzenden Erfolgen gekrönt war, vergehen
mußte, ehe es Bismarcks Gegnern gelang, das Ziel zu erreichen, nach dem
im ersten Ministerjahre des noch unerprobten Staatsmannes mit so heißem
Bemühen vergeblich gerungen worden war.




Grenzboten I 19127K
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[0621] Die fürstlichen Gegner Bismarcks Gegner aus dem ersten Jahre seines Ministeriums gewesen. Zwar die Königin und Kaiserin hat aus ihrer Abneigung gegen Bismarcks Person und Politik auch nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs kein Hehl gemacht. Doch der Kronprinz und der Herzog von Koburg haben im Jahre 1866, als die Tatsachen Bismarck Recht gegeben hatten, ihre scharfe Opposition eingestellt. Es war ein großer Triumph für Bismarck, als seine bisherigen fürstlichen Gegner in Nikolsburg seiner Auffassung über den Umfang und die Art der Gebietsabtretungen dem Standpunkt des Königs gegenüber zum Siege verhalfen. Noch einmal sollten fürstliche politische Gegner im Leben des großen Staatsmannes eine bedeutungsreiche und verhängnisvolle Rolle spielen. Im letzten Jahre seiner Tätigkeit als Reichskanzler wurde von fürstlichen: Munde das Wort geprägt: „Es kommt jetzt darauf an, ob die Dynastie Bismarck oder die Dynastie Hohenzollern regieren soll." Der alte Kaiser würde sich über diesen Ausspruch wie über so manchen ähnlichen hinweg¬ gesetzt haben; denn er vertraute Bismarck. Er sah auch darin keine Verletzung des monarchischen und dynastischen Gefühls, wenn sein Kanzler, gestützt auf eine langjährige Erfahrung und Erprobung, in manchen Ange¬ legenheiten seine Anschauung mit aller Entschiedenheit durchzusetzen suchte. In entsagender Selbstverleugnung hatte er es gelernt, den königlichen Willen zu beugen unter das Wohl der Allgemeinheit. Auf den Enkel wirkte die schroffe Opposition des Kanzlers, die vielleicht zuweilen die gegebenen Grenzen nicht beachtete, verstimmend und verletzend. Denn das persönliche Vertrauensverhältnis, das zwischen dein alten Herrn und seinem treuen Diener bestanden und aus so mancher Feuerprobe gehärtet hervorgegangen war, konnte hier nicht vorhanden sein. So hatten fürstliche Gegner und andere unverant¬ wortliche Ratgeber ein leichtes Spiel. Es liegt eine gewisse Tragik in der Tatsache, daß erst ein politisches Leben, das wie selten eines mit glänzenden Erfolgen gekrönt war, vergehen mußte, ehe es Bismarcks Gegnern gelang, das Ziel zu erreichen, nach dem im ersten Ministerjahre des noch unerprobten Staatsmannes mit so heißem Bemühen vergeblich gerungen worden war. Grenzboten I 19127K

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/621>, abgerufen am 27.09.2024.