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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Die fürstlichen Gegner Bismarcks

den schönen Phrasen. Der Herzog von Koburg war doch nur ein geschickter
politischer Regisseur. Zum Glück für Deutschland fehlte ihm der kraftvolle Wille
zur Tat. So konnte Bismarck nicht ohne Behagen auf den Hexenkessel herab¬
sehen, in dem die verschiedensten Gefühle und Pläne mehr oder minder klar
durcheinander wogten.

Immerhin haben Ernst der Zweite und seine Freunde zur Verlängerung
des Verfassungskonfliktes in Preußen nicht unwesentlich beigetragen und durch
Anregung und Steigerung der Opposition des Kronprinzen die Lage zeitweise
sehr verschärft. Denn nach dem Tode seines Bruders hielt der Herzog sich für
berechtigt und verpflichtet, das kronprinzliche Paar politisch zu beraten. Er
begnügte sich nicht damit, daß die Umgebung der jungen Herrschaften, wie
wir gesehen, durchaus von ihm abhängig war; er übersandte vielmehr dem
Kronprinzen zahlreiche Briefe und Memoires, in denen er seine bismarckfeindliche
Anschauung klar genug zum Ausdruck brachte. Da die Kronprinzessin in dem
Onkel Ernst eine politische Autorität verehrte, war die Wirkung dieser Denk¬
schriften auch beim Kronprinzen eine große. Den König freilich, für den sie
mit berechnet waren, haben sie in seiner Stellung zu Bismarck nicht wankend
gemacht. Er hatte mit seinem klaren Verstand die politische Zerfahrenheit
seines fürstlichen Freundes gründlich durchschaut, und köstlich sind die Rand¬
glossen, mit denen er dessen Ausführungen begleitete.

Für einen besonders wirkungsvollen Schritt, um das Ministerium Bismarck
zu erschüttern, hat Ernst der Zweite unzweifelhaft seinen erfolgreichen
Versuch gehalten, Österreich zu einem energischen Vorgehen in der deutschen
Frage anzuspornen. Zugleich im Namen zahlreicher Freunde wies er in Wien
darauf hin, daß für Österreich der Zeitpunkt, die große nationale Tat des
Einigungsmerkes auf sich zu nehmen, jetzt besonders günstig sei. Unzweifelhaft
hat diese Vorstellung den Plan des österreichischen Kabinetts, eine Fürsten¬
versammlung einzuberufen, bei der auf dem Wege persönlicher Verhandlungen
eine Bundesreform, natürlich unter österreichischer Vorherrschaft, erreicht werden
sollte, wesentlich beeinflußt. In der österreichischen Regierung, die ein fanatischer
Haß gegen Preußen wegen seines Verhaltens im Jahre 1859 beseelte, hielt
man auf Grund dieser und ähnlicher Eröffnungen den Zeitpunkt für gekommen,
die Politik und Stellung Preußens und vor allem auch den König Wilhelm
demütigen zu können. Durch eine Überrumpelung des Königs in Gastein, wo
Franz Joseph die Einladung zum Fürstenkongreß persönlich übermittelte, glaubte
man seine Erklärung, daß er erscheinen werde, am schnellsten und sichersten zu
erreichen. Doch der König antwortete unverbindlich, und nun warf Bismarck
seinen ganzen Einfluß in die Wagschale, den König fernzuhalten. Damals hatte
die Stellung des Ministers eine starke Belastungsprobe durchzumachen. Der
Kronprinz, der nach Gastein berufen wurde und unterwegs mit dem
Herzog von Koburg konferierte, trat für den Besuch des Kongresses ein. Die
fürstlichen Damen und die badischen Herrschaften schlössen sich dem Drängen


Die fürstlichen Gegner Bismarcks

den schönen Phrasen. Der Herzog von Koburg war doch nur ein geschickter
politischer Regisseur. Zum Glück für Deutschland fehlte ihm der kraftvolle Wille
zur Tat. So konnte Bismarck nicht ohne Behagen auf den Hexenkessel herab¬
sehen, in dem die verschiedensten Gefühle und Pläne mehr oder minder klar
durcheinander wogten.

Immerhin haben Ernst der Zweite und seine Freunde zur Verlängerung
des Verfassungskonfliktes in Preußen nicht unwesentlich beigetragen und durch
Anregung und Steigerung der Opposition des Kronprinzen die Lage zeitweise
sehr verschärft. Denn nach dem Tode seines Bruders hielt der Herzog sich für
berechtigt und verpflichtet, das kronprinzliche Paar politisch zu beraten. Er
begnügte sich nicht damit, daß die Umgebung der jungen Herrschaften, wie
wir gesehen, durchaus von ihm abhängig war; er übersandte vielmehr dem
Kronprinzen zahlreiche Briefe und Memoires, in denen er seine bismarckfeindliche
Anschauung klar genug zum Ausdruck brachte. Da die Kronprinzessin in dem
Onkel Ernst eine politische Autorität verehrte, war die Wirkung dieser Denk¬
schriften auch beim Kronprinzen eine große. Den König freilich, für den sie
mit berechnet waren, haben sie in seiner Stellung zu Bismarck nicht wankend
gemacht. Er hatte mit seinem klaren Verstand die politische Zerfahrenheit
seines fürstlichen Freundes gründlich durchschaut, und köstlich sind die Rand¬
glossen, mit denen er dessen Ausführungen begleitete.

Für einen besonders wirkungsvollen Schritt, um das Ministerium Bismarck
zu erschüttern, hat Ernst der Zweite unzweifelhaft seinen erfolgreichen
Versuch gehalten, Österreich zu einem energischen Vorgehen in der deutschen
Frage anzuspornen. Zugleich im Namen zahlreicher Freunde wies er in Wien
darauf hin, daß für Österreich der Zeitpunkt, die große nationale Tat des
Einigungsmerkes auf sich zu nehmen, jetzt besonders günstig sei. Unzweifelhaft
hat diese Vorstellung den Plan des österreichischen Kabinetts, eine Fürsten¬
versammlung einzuberufen, bei der auf dem Wege persönlicher Verhandlungen
eine Bundesreform, natürlich unter österreichischer Vorherrschaft, erreicht werden
sollte, wesentlich beeinflußt. In der österreichischen Regierung, die ein fanatischer
Haß gegen Preußen wegen seines Verhaltens im Jahre 1859 beseelte, hielt
man auf Grund dieser und ähnlicher Eröffnungen den Zeitpunkt für gekommen,
die Politik und Stellung Preußens und vor allem auch den König Wilhelm
demütigen zu können. Durch eine Überrumpelung des Königs in Gastein, wo
Franz Joseph die Einladung zum Fürstenkongreß persönlich übermittelte, glaubte
man seine Erklärung, daß er erscheinen werde, am schnellsten und sichersten zu
erreichen. Doch der König antwortete unverbindlich, und nun warf Bismarck
seinen ganzen Einfluß in die Wagschale, den König fernzuhalten. Damals hatte
die Stellung des Ministers eine starke Belastungsprobe durchzumachen. Der
Kronprinz, der nach Gastein berufen wurde und unterwegs mit dem
Herzog von Koburg konferierte, trat für den Besuch des Kongresses ein. Die
fürstlichen Damen und die badischen Herrschaften schlössen sich dem Drängen


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[0618] Die fürstlichen Gegner Bismarcks den schönen Phrasen. Der Herzog von Koburg war doch nur ein geschickter politischer Regisseur. Zum Glück für Deutschland fehlte ihm der kraftvolle Wille zur Tat. So konnte Bismarck nicht ohne Behagen auf den Hexenkessel herab¬ sehen, in dem die verschiedensten Gefühle und Pläne mehr oder minder klar durcheinander wogten. Immerhin haben Ernst der Zweite und seine Freunde zur Verlängerung des Verfassungskonfliktes in Preußen nicht unwesentlich beigetragen und durch Anregung und Steigerung der Opposition des Kronprinzen die Lage zeitweise sehr verschärft. Denn nach dem Tode seines Bruders hielt der Herzog sich für berechtigt und verpflichtet, das kronprinzliche Paar politisch zu beraten. Er begnügte sich nicht damit, daß die Umgebung der jungen Herrschaften, wie wir gesehen, durchaus von ihm abhängig war; er übersandte vielmehr dem Kronprinzen zahlreiche Briefe und Memoires, in denen er seine bismarckfeindliche Anschauung klar genug zum Ausdruck brachte. Da die Kronprinzessin in dem Onkel Ernst eine politische Autorität verehrte, war die Wirkung dieser Denk¬ schriften auch beim Kronprinzen eine große. Den König freilich, für den sie mit berechnet waren, haben sie in seiner Stellung zu Bismarck nicht wankend gemacht. Er hatte mit seinem klaren Verstand die politische Zerfahrenheit seines fürstlichen Freundes gründlich durchschaut, und köstlich sind die Rand¬ glossen, mit denen er dessen Ausführungen begleitete. Für einen besonders wirkungsvollen Schritt, um das Ministerium Bismarck zu erschüttern, hat Ernst der Zweite unzweifelhaft seinen erfolgreichen Versuch gehalten, Österreich zu einem energischen Vorgehen in der deutschen Frage anzuspornen. Zugleich im Namen zahlreicher Freunde wies er in Wien darauf hin, daß für Österreich der Zeitpunkt, die große nationale Tat des Einigungsmerkes auf sich zu nehmen, jetzt besonders günstig sei. Unzweifelhaft hat diese Vorstellung den Plan des österreichischen Kabinetts, eine Fürsten¬ versammlung einzuberufen, bei der auf dem Wege persönlicher Verhandlungen eine Bundesreform, natürlich unter österreichischer Vorherrschaft, erreicht werden sollte, wesentlich beeinflußt. In der österreichischen Regierung, die ein fanatischer Haß gegen Preußen wegen seines Verhaltens im Jahre 1859 beseelte, hielt man auf Grund dieser und ähnlicher Eröffnungen den Zeitpunkt für gekommen, die Politik und Stellung Preußens und vor allem auch den König Wilhelm demütigen zu können. Durch eine Überrumpelung des Königs in Gastein, wo Franz Joseph die Einladung zum Fürstenkongreß persönlich übermittelte, glaubte man seine Erklärung, daß er erscheinen werde, am schnellsten und sichersten zu erreichen. Doch der König antwortete unverbindlich, und nun warf Bismarck seinen ganzen Einfluß in die Wagschale, den König fernzuhalten. Damals hatte die Stellung des Ministers eine starke Belastungsprobe durchzumachen. Der Kronprinz, der nach Gastein berufen wurde und unterwegs mit dem Herzog von Koburg konferierte, trat für den Besuch des Kongresses ein. Die fürstlichen Damen und die badischen Herrschaften schlössen sich dem Drängen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/618>, abgerufen am 27.09.2024.