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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Die fürstlichen Gegner Lisnmrcks

Kabinettssekretär Bollmann, der bösartige Pamphlete gegen den Herzog ver¬
öffentlichte, behauptet, daß seine ehrgeizigen Ziele einen hohen Flug genommen,
und unter den deutschen Emigranten in England war die Meinung verbreitet,
daß Ernst der Zweite Kaiser von Deutschland werden möchte und könnte.

Als Bismarck Minister wurde, stand der Herzog auf dem Gipfel der Volks¬
gunst. Die schroffe Opposition des Abgeordnetenhauses in der Militärvorlage
erhielt ihr Rückgrat durch die den stehenden Heeren oder wenigstens der Ver¬
mehrung der stehenden Heere feindliche Volksstimmung,- nicht zum wenigsten war
sie in den letzten zwei Jahren durch den Nationalverein, der in dem Herzog von
Koburg seinen geistigen Vater sah, gefördert worden. Der Nationalverein war
ja ursprünglich als eine Organisation gedacht, die Preußen in seinem Streben
nach Vollendung der deutschen Einheit unterstützen und die zagenden Regierungen
und Fürsten mit fortreiße?! sollte. Er war ein Kind der neuen Ära, die Ernst
der Zweite mit so großen Erwartungen begrüßt hatte, weil er bei den engen
Beziehungen, die ihn und seinen Bruder mit dem Prinzregenten von Preußen
verbanden, einen Einfluß auf die preußische Politik erhoffte. Da kam die
Schwenkung des Regenten nach der konservativen Seite, und Hand in Hand
damit ging das Bestreben des Herzogs, den Verein zuerst von Preußens Interesse
loszulösen und dann mehr und mehr in eine gegensätzliche Stellung hinein¬
zutreiben. Er war es, der besonders durch Verhandlungen mit Schutze-Delitzsch,
den bekannten preußischen Fortschrittsabgeordnetcn, dafür sorgte, daß in das
Statut des Vereins nicht die mindeste bestimmte Erklärung über die Art und
Weise der Vereinigung Deutschlands aufgenommen wurde. Er empfahl wieder¬
holt, nicht immer auf Preußen Rücksicht zu nehmen, vielmehr nach unten, mit
den Turner-, Schützen- und Sängervereinen, Fühlung zu suchen und sich durch
diese Vereine zu verstärken. Nachdem die Führer des Nationalvereins, Bennigsen,
Georgi und Kaltenbach, mit dein Herzog konferiert hatten, veröffentlichte sein Vor¬
stand im Mai 1861 einen scharfen Protest gegen die preußische Politik und forderte
auf jedem Gebiet der Wehrhaftmachung Deutschland zur Selbsthilfe auf. Wenige
Tage darauf ward beschlossen, ein Exerzierreglement und ein Gutachten über
die Organisation von Wehrvereinen durch den Druck zu veröffentlichen. Und
auf der dritten Generalversammlung des Vereins in Heidelberg einigte man
sich dahin: Der Nationalverein wird in jeder ihm möglichen und gesetzlich
zulässigen Weise die Bildung von Wehrvereinen in Deutschland fördern; er
wird hierbei insbesondere auf die Gleichmäßigkeit in Ausrüstung und Aus¬
bildung ohne ängstliches Festhalten an Kleinigkeiten und Nebensächlichem --
dazu rechnete man den Parademarsch und andere Mittel militärischer Erziehung --
hinarbeiten. Es war die Vorbereitung der bewaffneten Revolution in aller
Form. Geplant war eine Mobilmachung der Massen; die Vereine sollten die
Stämme des Volksheeres bilden.

Die Gedanken, die der Nationalverein in verhältnismäßig kleinem Kreise
erörterte, wurden in die Massen geworfen bei den großen Nationalfesten, den


Die fürstlichen Gegner Lisnmrcks

Kabinettssekretär Bollmann, der bösartige Pamphlete gegen den Herzog ver¬
öffentlichte, behauptet, daß seine ehrgeizigen Ziele einen hohen Flug genommen,
und unter den deutschen Emigranten in England war die Meinung verbreitet,
daß Ernst der Zweite Kaiser von Deutschland werden möchte und könnte.

Als Bismarck Minister wurde, stand der Herzog auf dem Gipfel der Volks¬
gunst. Die schroffe Opposition des Abgeordnetenhauses in der Militärvorlage
erhielt ihr Rückgrat durch die den stehenden Heeren oder wenigstens der Ver¬
mehrung der stehenden Heere feindliche Volksstimmung,- nicht zum wenigsten war
sie in den letzten zwei Jahren durch den Nationalverein, der in dem Herzog von
Koburg seinen geistigen Vater sah, gefördert worden. Der Nationalverein war
ja ursprünglich als eine Organisation gedacht, die Preußen in seinem Streben
nach Vollendung der deutschen Einheit unterstützen und die zagenden Regierungen
und Fürsten mit fortreiße?! sollte. Er war ein Kind der neuen Ära, die Ernst
der Zweite mit so großen Erwartungen begrüßt hatte, weil er bei den engen
Beziehungen, die ihn und seinen Bruder mit dem Prinzregenten von Preußen
verbanden, einen Einfluß auf die preußische Politik erhoffte. Da kam die
Schwenkung des Regenten nach der konservativen Seite, und Hand in Hand
damit ging das Bestreben des Herzogs, den Verein zuerst von Preußens Interesse
loszulösen und dann mehr und mehr in eine gegensätzliche Stellung hinein¬
zutreiben. Er war es, der besonders durch Verhandlungen mit Schutze-Delitzsch,
den bekannten preußischen Fortschrittsabgeordnetcn, dafür sorgte, daß in das
Statut des Vereins nicht die mindeste bestimmte Erklärung über die Art und
Weise der Vereinigung Deutschlands aufgenommen wurde. Er empfahl wieder¬
holt, nicht immer auf Preußen Rücksicht zu nehmen, vielmehr nach unten, mit
den Turner-, Schützen- und Sängervereinen, Fühlung zu suchen und sich durch
diese Vereine zu verstärken. Nachdem die Führer des Nationalvereins, Bennigsen,
Georgi und Kaltenbach, mit dein Herzog konferiert hatten, veröffentlichte sein Vor¬
stand im Mai 1861 einen scharfen Protest gegen die preußische Politik und forderte
auf jedem Gebiet der Wehrhaftmachung Deutschland zur Selbsthilfe auf. Wenige
Tage darauf ward beschlossen, ein Exerzierreglement und ein Gutachten über
die Organisation von Wehrvereinen durch den Druck zu veröffentlichen. Und
auf der dritten Generalversammlung des Vereins in Heidelberg einigte man
sich dahin: Der Nationalverein wird in jeder ihm möglichen und gesetzlich
zulässigen Weise die Bildung von Wehrvereinen in Deutschland fördern; er
wird hierbei insbesondere auf die Gleichmäßigkeit in Ausrüstung und Aus¬
bildung ohne ängstliches Festhalten an Kleinigkeiten und Nebensächlichem —
dazu rechnete man den Parademarsch und andere Mittel militärischer Erziehung —
hinarbeiten. Es war die Vorbereitung der bewaffneten Revolution in aller
Form. Geplant war eine Mobilmachung der Massen; die Vereine sollten die
Stämme des Volksheeres bilden.

Die Gedanken, die der Nationalverein in verhältnismäßig kleinem Kreise
erörterte, wurden in die Massen geworfen bei den großen Nationalfesten, den


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[0616] Die fürstlichen Gegner Lisnmrcks Kabinettssekretär Bollmann, der bösartige Pamphlete gegen den Herzog ver¬ öffentlichte, behauptet, daß seine ehrgeizigen Ziele einen hohen Flug genommen, und unter den deutschen Emigranten in England war die Meinung verbreitet, daß Ernst der Zweite Kaiser von Deutschland werden möchte und könnte. Als Bismarck Minister wurde, stand der Herzog auf dem Gipfel der Volks¬ gunst. Die schroffe Opposition des Abgeordnetenhauses in der Militärvorlage erhielt ihr Rückgrat durch die den stehenden Heeren oder wenigstens der Ver¬ mehrung der stehenden Heere feindliche Volksstimmung,- nicht zum wenigsten war sie in den letzten zwei Jahren durch den Nationalverein, der in dem Herzog von Koburg seinen geistigen Vater sah, gefördert worden. Der Nationalverein war ja ursprünglich als eine Organisation gedacht, die Preußen in seinem Streben nach Vollendung der deutschen Einheit unterstützen und die zagenden Regierungen und Fürsten mit fortreiße?! sollte. Er war ein Kind der neuen Ära, die Ernst der Zweite mit so großen Erwartungen begrüßt hatte, weil er bei den engen Beziehungen, die ihn und seinen Bruder mit dem Prinzregenten von Preußen verbanden, einen Einfluß auf die preußische Politik erhoffte. Da kam die Schwenkung des Regenten nach der konservativen Seite, und Hand in Hand damit ging das Bestreben des Herzogs, den Verein zuerst von Preußens Interesse loszulösen und dann mehr und mehr in eine gegensätzliche Stellung hinein¬ zutreiben. Er war es, der besonders durch Verhandlungen mit Schutze-Delitzsch, den bekannten preußischen Fortschrittsabgeordnetcn, dafür sorgte, daß in das Statut des Vereins nicht die mindeste bestimmte Erklärung über die Art und Weise der Vereinigung Deutschlands aufgenommen wurde. Er empfahl wieder¬ holt, nicht immer auf Preußen Rücksicht zu nehmen, vielmehr nach unten, mit den Turner-, Schützen- und Sängervereinen, Fühlung zu suchen und sich durch diese Vereine zu verstärken. Nachdem die Führer des Nationalvereins, Bennigsen, Georgi und Kaltenbach, mit dein Herzog konferiert hatten, veröffentlichte sein Vor¬ stand im Mai 1861 einen scharfen Protest gegen die preußische Politik und forderte auf jedem Gebiet der Wehrhaftmachung Deutschland zur Selbsthilfe auf. Wenige Tage darauf ward beschlossen, ein Exerzierreglement und ein Gutachten über die Organisation von Wehrvereinen durch den Druck zu veröffentlichen. Und auf der dritten Generalversammlung des Vereins in Heidelberg einigte man sich dahin: Der Nationalverein wird in jeder ihm möglichen und gesetzlich zulässigen Weise die Bildung von Wehrvereinen in Deutschland fördern; er wird hierbei insbesondere auf die Gleichmäßigkeit in Ausrüstung und Aus¬ bildung ohne ängstliches Festhalten an Kleinigkeiten und Nebensächlichem — dazu rechnete man den Parademarsch und andere Mittel militärischer Erziehung — hinarbeiten. Es war die Vorbereitung der bewaffneten Revolution in aller Form. Geplant war eine Mobilmachung der Massen; die Vereine sollten die Stämme des Volksheeres bilden. Die Gedanken, die der Nationalverein in verhältnismäßig kleinem Kreise erörterte, wurden in die Massen geworfen bei den großen Nationalfesten, den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/616>, abgerufen am 27.09.2024.