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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Die fürstliche" Gegner Bismarcks

Ihnen den Kopf abschlagen und etwas später mir." Als er schwieg, antwortete
ich mit der kurzen Phrase "IZt apres, Lire?" -- "Ja, apres, dann sind wir
tot!" erwiderte der König. "Ja," fuhr ich fort, "dann sind wir tot, aber
sterben müssen wir früher oder später doch, und können wir anständiger um¬
kommen? Ich selbst im Kampfe für die Sache meines Königs und Eure Majestät,
indem Sie Ihre königlichen Rechte von Gottes Gnaden mit dem eigenen Blute
besiegeln, ob auf dem Schafott oder auf dem Schlachtfelde, ändert nichts an
dem rühmlichen Einsetzen von Leib und Leben für die von Gottes Gnaden
verliehenen Rechte. Eure Majestät müssen nicht an Ludwig den Sechzehnten
denken; der lebte und starb in einer schwächlichen Gemütsverfassung und macht
kein gutes Bild in der Geschichte. Karl der Erste dagegen, wird er nicht immer
eine vornehme historische Erscheinung bleiben, wie er, nachdem er für sein Recht
das Schwert gezogen, die Schlacht verloren hatte, ungebeugt seine königliche
Gesinnung mit seinem Blute bekräftigte? Eure Majestät sind in der Notwendigkeit
zu fechten, Sie können nicht kapitulieren, Sie müssen, und wenn es mit körper¬
licher Gefahr wäre, der Vergewaltigung entgegentreten."

Diese Worte und die weiteren Ausführungen machten tiefen Eindruck auf
den König. Er fühlte sich bei dem Portepee gefaßt und in der Lage eines
Offiziers, der die Aufgabe hat, einen bestimmten Posten auf Tod und Leben zu
behaupten, gleichviel ob er umkommt oder nicht.

Vor dem Kriege 1866 wurde der König auf den Teeabenden der Königin
im Sinne des Friedens bearbeitet. Aus ihrer Umgebung wurden die Zeitungen
und besonders die Spenersche Zeitung, die der König las, beeinflußt und mit
friedenlechzenden Artikeln und Gedichten beglückt, die sich gegen den unseligen
Bruderkrieg richteten. Der Legationsrat Meyer, der Unterstaatssekretär der
neuen Ära Grüner und der bereits erwähnte politische Vertraute der Königin
Schleinitz taten alles, um Bismarcks Vorgehen zu lahmen und zu durchkreuzen.
Es dauerte damals lauge, jbis der Minister feinen königlichen Herrn über den
Graben hatte, und man versteht die Empörung Roons, seines treuen Freundes,
der sich über die Haus- und Familienwanzen beklagt, die sich in den königlichen
Schlössern eingenistet hätten und den König in ungünstigem Sinne zu beeinflussen
suchten. Auch in den Emser Tagen vor Beginn des Krieges 1870 spielten die
Tränen und Briefe der damals in Koblenz weilenden Königin eine nicht un¬
bedeutende, wenn auch noch nicht ganz aufgeklärte Rolle. Von ihrer heißen
Friedenssehnsucht war jedenfalls die französische Regierung unterrichtet; denn
an dem Hofe der preußischen Königin befand sich ein französischer Vorleser
G6rard, der höchstwahrscheinlich französischer Spion war. Jedenfalls erhielt er
nach seinem Ausscheiden aus dem Dienste der Königin die diplomatische Ver¬
tretung Frankreichs in einem der Balkanstaaten. Neben ihm war Benedetti bei
der Königin persona Zrata. Einer Einladung der Königin entsprechend, hatte
er wenige Tage vor seiner Reise nach Eins in Koblenz seine Aufwartung gemacht..
Das Auswärtige Amt in Berlin hatte diesem Besuch besondere Beachtung geschenkt.


Die fürstliche» Gegner Bismarcks

Ihnen den Kopf abschlagen und etwas später mir." Als er schwieg, antwortete
ich mit der kurzen Phrase „IZt apres, Lire?" — „Ja, apres, dann sind wir
tot!" erwiderte der König. „Ja," fuhr ich fort, „dann sind wir tot, aber
sterben müssen wir früher oder später doch, und können wir anständiger um¬
kommen? Ich selbst im Kampfe für die Sache meines Königs und Eure Majestät,
indem Sie Ihre königlichen Rechte von Gottes Gnaden mit dem eigenen Blute
besiegeln, ob auf dem Schafott oder auf dem Schlachtfelde, ändert nichts an
dem rühmlichen Einsetzen von Leib und Leben für die von Gottes Gnaden
verliehenen Rechte. Eure Majestät müssen nicht an Ludwig den Sechzehnten
denken; der lebte und starb in einer schwächlichen Gemütsverfassung und macht
kein gutes Bild in der Geschichte. Karl der Erste dagegen, wird er nicht immer
eine vornehme historische Erscheinung bleiben, wie er, nachdem er für sein Recht
das Schwert gezogen, die Schlacht verloren hatte, ungebeugt seine königliche
Gesinnung mit seinem Blute bekräftigte? Eure Majestät sind in der Notwendigkeit
zu fechten, Sie können nicht kapitulieren, Sie müssen, und wenn es mit körper¬
licher Gefahr wäre, der Vergewaltigung entgegentreten."

Diese Worte und die weiteren Ausführungen machten tiefen Eindruck auf
den König. Er fühlte sich bei dem Portepee gefaßt und in der Lage eines
Offiziers, der die Aufgabe hat, einen bestimmten Posten auf Tod und Leben zu
behaupten, gleichviel ob er umkommt oder nicht.

Vor dem Kriege 1866 wurde der König auf den Teeabenden der Königin
im Sinne des Friedens bearbeitet. Aus ihrer Umgebung wurden die Zeitungen
und besonders die Spenersche Zeitung, die der König las, beeinflußt und mit
friedenlechzenden Artikeln und Gedichten beglückt, die sich gegen den unseligen
Bruderkrieg richteten. Der Legationsrat Meyer, der Unterstaatssekretär der
neuen Ära Grüner und der bereits erwähnte politische Vertraute der Königin
Schleinitz taten alles, um Bismarcks Vorgehen zu lahmen und zu durchkreuzen.
Es dauerte damals lauge, jbis der Minister feinen königlichen Herrn über den
Graben hatte, und man versteht die Empörung Roons, seines treuen Freundes,
der sich über die Haus- und Familienwanzen beklagt, die sich in den königlichen
Schlössern eingenistet hätten und den König in ungünstigem Sinne zu beeinflussen
suchten. Auch in den Emser Tagen vor Beginn des Krieges 1870 spielten die
Tränen und Briefe der damals in Koblenz weilenden Königin eine nicht un¬
bedeutende, wenn auch noch nicht ganz aufgeklärte Rolle. Von ihrer heißen
Friedenssehnsucht war jedenfalls die französische Regierung unterrichtet; denn
an dem Hofe der preußischen Königin befand sich ein französischer Vorleser
G6rard, der höchstwahrscheinlich französischer Spion war. Jedenfalls erhielt er
nach seinem Ausscheiden aus dem Dienste der Königin die diplomatische Ver¬
tretung Frankreichs in einem der Balkanstaaten. Neben ihm war Benedetti bei
der Königin persona Zrata. Einer Einladung der Königin entsprechend, hatte
er wenige Tage vor seiner Reise nach Eins in Koblenz seine Aufwartung gemacht..
Das Auswärtige Amt in Berlin hatte diesem Besuch besondere Beachtung geschenkt.


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[0608] Die fürstliche» Gegner Bismarcks Ihnen den Kopf abschlagen und etwas später mir." Als er schwieg, antwortete ich mit der kurzen Phrase „IZt apres, Lire?" — „Ja, apres, dann sind wir tot!" erwiderte der König. „Ja," fuhr ich fort, „dann sind wir tot, aber sterben müssen wir früher oder später doch, und können wir anständiger um¬ kommen? Ich selbst im Kampfe für die Sache meines Königs und Eure Majestät, indem Sie Ihre königlichen Rechte von Gottes Gnaden mit dem eigenen Blute besiegeln, ob auf dem Schafott oder auf dem Schlachtfelde, ändert nichts an dem rühmlichen Einsetzen von Leib und Leben für die von Gottes Gnaden verliehenen Rechte. Eure Majestät müssen nicht an Ludwig den Sechzehnten denken; der lebte und starb in einer schwächlichen Gemütsverfassung und macht kein gutes Bild in der Geschichte. Karl der Erste dagegen, wird er nicht immer eine vornehme historische Erscheinung bleiben, wie er, nachdem er für sein Recht das Schwert gezogen, die Schlacht verloren hatte, ungebeugt seine königliche Gesinnung mit seinem Blute bekräftigte? Eure Majestät sind in der Notwendigkeit zu fechten, Sie können nicht kapitulieren, Sie müssen, und wenn es mit körper¬ licher Gefahr wäre, der Vergewaltigung entgegentreten." Diese Worte und die weiteren Ausführungen machten tiefen Eindruck auf den König. Er fühlte sich bei dem Portepee gefaßt und in der Lage eines Offiziers, der die Aufgabe hat, einen bestimmten Posten auf Tod und Leben zu behaupten, gleichviel ob er umkommt oder nicht. Vor dem Kriege 1866 wurde der König auf den Teeabenden der Königin im Sinne des Friedens bearbeitet. Aus ihrer Umgebung wurden die Zeitungen und besonders die Spenersche Zeitung, die der König las, beeinflußt und mit friedenlechzenden Artikeln und Gedichten beglückt, die sich gegen den unseligen Bruderkrieg richteten. Der Legationsrat Meyer, der Unterstaatssekretär der neuen Ära Grüner und der bereits erwähnte politische Vertraute der Königin Schleinitz taten alles, um Bismarcks Vorgehen zu lahmen und zu durchkreuzen. Es dauerte damals lauge, jbis der Minister feinen königlichen Herrn über den Graben hatte, und man versteht die Empörung Roons, seines treuen Freundes, der sich über die Haus- und Familienwanzen beklagt, die sich in den königlichen Schlössern eingenistet hätten und den König in ungünstigem Sinne zu beeinflussen suchten. Auch in den Emser Tagen vor Beginn des Krieges 1870 spielten die Tränen und Briefe der damals in Koblenz weilenden Königin eine nicht un¬ bedeutende, wenn auch noch nicht ganz aufgeklärte Rolle. Von ihrer heißen Friedenssehnsucht war jedenfalls die französische Regierung unterrichtet; denn an dem Hofe der preußischen Königin befand sich ein französischer Vorleser G6rard, der höchstwahrscheinlich französischer Spion war. Jedenfalls erhielt er nach seinem Ausscheiden aus dem Dienste der Königin die diplomatische Ver¬ tretung Frankreichs in einem der Balkanstaaten. Neben ihm war Benedetti bei der Königin persona Zrata. Einer Einladung der Königin entsprechend, hatte er wenige Tage vor seiner Reise nach Eins in Koblenz seine Aufwartung gemacht.. Das Auswärtige Amt in Berlin hatte diesem Besuch besondere Beachtung geschenkt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/608>, abgerufen am 27.09.2024.