Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Reichsspiegel

Depositen sind um 2^ Millionen Pfund zurückgegangen; gleichzeitig ist das
Portefeuille und der Notenumlauf stark angewachsen. Die Verhältnisse am
Londoner Geldmarkt werden sich auch kaum bessern, solange nicht der Aufstand
der Bergarbeiter beigelegt ist. Die Ausgleichsverhandlungen der Regierung sind
am Widerstand der Zechenbesitzer gescheitert. Die erstere beabsichtigt daher, die
bereits angekündigte Bill über den Minimallohn unverzüglich einzubringen.
Aber auch ein solches Gesetz wird bei den starken Widerständen keine glatte
Erledigung im Parlamente finden, selbst wenn es glücken sollte, für dieses
Experiment eine Formel zu finden, die es nicht von vornherein als unakzeptabel
erscheinen ließe. Es spielt sich hier ein Vorgang ab, der wirtschaftspolitrsch von
der größten Bedeutung ist und dessen Verlauf man um so aufmerksamer ver¬
folgen muß, als diese ersten Versuche auf legislatorischen Neuland für andere
Staaten und insbesondere für Deutschland vorbildlich werden können.

An der Londoner Börse hat eine ziemlich kräftige Erholung der Minen-
werte Platz gegriffen, die nach dem vorausgegangenen starken Entwertungs¬
prozeß ziemlich auffällig erscheint. Denn tatsächliche Gründe für eine Höher¬
bewertung der Goldminenaktien dürften kaum vorliegen. In der Regel ist es
das ausländische, namentlich das deutsche Publikum, das bei der weitver¬
breiteten Vorliebe für Werte dieser Art die Zeche für ein solches künstlich
angefachtes Spekulationsinteresse zu zahlen hat. Es sollte daher niemals über¬
sehen werden, daß der Minenmarkt vollkommen in den Händen einer Anzahl




Reichsspiegel

Depositen sind um 2^ Millionen Pfund zurückgegangen; gleichzeitig ist das
Portefeuille und der Notenumlauf stark angewachsen. Die Verhältnisse am
Londoner Geldmarkt werden sich auch kaum bessern, solange nicht der Aufstand
der Bergarbeiter beigelegt ist. Die Ausgleichsverhandlungen der Regierung sind
am Widerstand der Zechenbesitzer gescheitert. Die erstere beabsichtigt daher, die
bereits angekündigte Bill über den Minimallohn unverzüglich einzubringen.
Aber auch ein solches Gesetz wird bei den starken Widerständen keine glatte
Erledigung im Parlamente finden, selbst wenn es glücken sollte, für dieses
Experiment eine Formel zu finden, die es nicht von vornherein als unakzeptabel
erscheinen ließe. Es spielt sich hier ein Vorgang ab, der wirtschaftspolitrsch von
der größten Bedeutung ist und dessen Verlauf man um so aufmerksamer ver¬
folgen muß, als diese ersten Versuche auf legislatorischen Neuland für andere
Staaten und insbesondere für Deutschland vorbildlich werden können.

An der Londoner Börse hat eine ziemlich kräftige Erholung der Minen-
werte Platz gegriffen, die nach dem vorausgegangenen starken Entwertungs¬
prozeß ziemlich auffällig erscheint. Denn tatsächliche Gründe für eine Höher¬
bewertung der Goldminenaktien dürften kaum vorliegen. In der Regel ist es
das ausländische, namentlich das deutsche Publikum, das bei der weitver¬
breiteten Vorliebe für Werte dieser Art die Zeche für ein solches künstlich
angefachtes Spekulationsinteresse zu zahlen hat. Es sollte daher niemals über¬
sehen werden, daß der Minenmarkt vollkommen in den Händen einer Anzahl




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0602" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321019"/>
            <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2789" prev="#ID_2788"> Depositen sind um 2^ Millionen Pfund zurückgegangen; gleichzeitig ist das<lb/>
Portefeuille und der Notenumlauf stark angewachsen. Die Verhältnisse am<lb/>
Londoner Geldmarkt werden sich auch kaum bessern, solange nicht der Aufstand<lb/>
der Bergarbeiter beigelegt ist. Die Ausgleichsverhandlungen der Regierung sind<lb/>
am Widerstand der Zechenbesitzer gescheitert. Die erstere beabsichtigt daher, die<lb/>
bereits angekündigte Bill über den Minimallohn unverzüglich einzubringen.<lb/>
Aber auch ein solches Gesetz wird bei den starken Widerständen keine glatte<lb/>
Erledigung im Parlamente finden, selbst wenn es glücken sollte, für dieses<lb/>
Experiment eine Formel zu finden, die es nicht von vornherein als unakzeptabel<lb/>
erscheinen ließe. Es spielt sich hier ein Vorgang ab, der wirtschaftspolitrsch von<lb/>
der größten Bedeutung ist und dessen Verlauf man um so aufmerksamer ver¬<lb/>
folgen muß, als diese ersten Versuche auf legislatorischen Neuland für andere<lb/>
Staaten und insbesondere für Deutschland vorbildlich werden können.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2790" next="#ID_2791"> An der Londoner Börse hat eine ziemlich kräftige Erholung der Minen-<lb/>
werte Platz gegriffen, die nach dem vorausgegangenen starken Entwertungs¬<lb/>
prozeß ziemlich auffällig erscheint. Denn tatsächliche Gründe für eine Höher¬<lb/>
bewertung der Goldminenaktien dürften kaum vorliegen. In der Regel ist es<lb/>
das ausländische, namentlich das deutsche Publikum, das bei der weitver¬<lb/>
breiteten Vorliebe für Werte dieser Art die Zeche für ein solches künstlich<lb/>
angefachtes Spekulationsinteresse zu zahlen hat. Es sollte daher niemals über¬<lb/>
sehen werden, daß der Minenmarkt vollkommen in den Händen einer Anzahl</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0602] Reichsspiegel Depositen sind um 2^ Millionen Pfund zurückgegangen; gleichzeitig ist das Portefeuille und der Notenumlauf stark angewachsen. Die Verhältnisse am Londoner Geldmarkt werden sich auch kaum bessern, solange nicht der Aufstand der Bergarbeiter beigelegt ist. Die Ausgleichsverhandlungen der Regierung sind am Widerstand der Zechenbesitzer gescheitert. Die erstere beabsichtigt daher, die bereits angekündigte Bill über den Minimallohn unverzüglich einzubringen. Aber auch ein solches Gesetz wird bei den starken Widerständen keine glatte Erledigung im Parlamente finden, selbst wenn es glücken sollte, für dieses Experiment eine Formel zu finden, die es nicht von vornherein als unakzeptabel erscheinen ließe. Es spielt sich hier ein Vorgang ab, der wirtschaftspolitrsch von der größten Bedeutung ist und dessen Verlauf man um so aufmerksamer ver¬ folgen muß, als diese ersten Versuche auf legislatorischen Neuland für andere Staaten und insbesondere für Deutschland vorbildlich werden können. An der Londoner Börse hat eine ziemlich kräftige Erholung der Minen- werte Platz gegriffen, die nach dem vorausgegangenen starken Entwertungs¬ prozeß ziemlich auffällig erscheint. Denn tatsächliche Gründe für eine Höher¬ bewertung der Goldminenaktien dürften kaum vorliegen. In der Regel ist es das ausländische, namentlich das deutsche Publikum, das bei der weitver¬ breiteten Vorliebe für Werte dieser Art die Zeche für ein solches künstlich angefachtes Spekulationsinteresse zu zahlen hat. Es sollte daher niemals über¬ sehen werden, daß der Minenmarkt vollkommen in den Händen einer Anzahl

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/602
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/602>, abgerufen am 27.09.2024.