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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Vie deutsche Malerei der Gegenwart

In weiterem Sinne gehört auch das Frühwerk Albert von Kellers in
diesen Kreis. Es liegt ein hohes malerisches Empfinden und ein feiner Geschmack
in seinen Figurenbildern; aber die Neigung zur Eleganz und zum Erzählerischen
gewannen später bei ihm mehr Raum als gut war. Und so sind als die
eigentlichen Fortsetzer des Leibischen Geistes in Trübnerscher Auslegung wesentlich
Heinrich Zügel und seine Schüler und die halb von ihm, halb von Trübner
und Manet herkommenden Maler der "Münchner Scholle" anzusehen.

Zügel hat sich in ähnlicher Weise wie Trübner vom fein Detaillierten zu
immer größerer impressionistischer Breite entwickelt. Nur war sein Stoffgebiet
von vornherein auf Haustiere beschränkt. Erst bevorzugte er Schafe, in deren
dickem Vließ das Sonnenlicht sich hundertfach verfing und spaltete, und die er
in schönen Zusammenhang mit der Landschaft brachte; später malte er Rinder,
oder vielmehr er benutzte ihr glänzendes und scheckiges Fell, um das Spiel des
Lichtes, seine farbiger. Reflexe und die Abtönungen der Schatten darauf zu
studieren. So wurde aus einer schönen Malerei in vielen Fällen lediglich die
Anwendung einer glänzenden Malmethode, und die Kehrseite des konsequenten
Impressionismus zeigt sich oft an diesen erstaunlich beobachteten Studien; das
allzu zerstreute und von bunten Reflexen zersetzte Licht als Objekt des Bildes
zerstört die Form, nicht nur des Gegenstandes (des Rindes, des Schafes),
sondern auch den geschlossenen Bildeindruck selbst. Als Lehrmethode ist diese
Kunst freilich ausgezeichnet, und es gibt eine sehr große Anzahl von Künstlern,
welche die Schulung Zügels durchgemacht haben. Zu eigener Bedeutung im
Geiste Zügels haben es nur einige bringen können; Schramm-Zittau übertrug
vor allem mit Glück die Methode des Meisters auf Geflügel, Hühner und
Enten in lebhafter Bewegung.

Die Münchner Scholle umfaßt eine Anzahl Künstler, deren Programm
nicht etwa (wie der Name vermuten lassen könnte) Heimatkunst ist, sondern
wuchtig breites Malen. Nur einige, wie Georgi und Erich Erker, erfüllen
dabei das Programm, das in dem Namen "Scholle" liegt: sie malen Land
und Leute mit deutlicher Absicht auf "Erdgeruch". Ganz besonders derb ist
Feldbauer dabei. Aber schon R. M. Eichler neigt weit mehr zum Natur-
snmbolismus, und er ist typisch für das Jllustrationsmäßlge in der Absicht der
ganzen Gruppe, das ihren Bildern -- und den im Format unmäßigsten am
meisten so oft nur das Ansehen vergrößerter Illustrationen aus der
"Jugend" verleiht. Hierin ist Fritz Erker der Begabteste. Aber seine
mühelos arbeitende Phantasie und die Verlockung frühzeitiger monumentaler
Aufträge verführten ihn dazu, seiner dekorativen Ader allzuviel Recht ein¬
zuräumen. Seine Wandbilder haben das bühnenmäßig Überraschende und
Effektvolle von (guten) Theaterkulissen; sie sind auch stofflich stets interessant,
und so erklärt sich seine wachsende Popularität. Aber ebenso zweifellos ist es,
daß am meisten Qualität in seinen Bildnissen steckt. In ihnen zeigt sich die
beste Seite der Scholleleute: der breite, sichere Pinselstrich. Es macht Leo


Vie deutsche Malerei der Gegenwart

In weiterem Sinne gehört auch das Frühwerk Albert von Kellers in
diesen Kreis. Es liegt ein hohes malerisches Empfinden und ein feiner Geschmack
in seinen Figurenbildern; aber die Neigung zur Eleganz und zum Erzählerischen
gewannen später bei ihm mehr Raum als gut war. Und so sind als die
eigentlichen Fortsetzer des Leibischen Geistes in Trübnerscher Auslegung wesentlich
Heinrich Zügel und seine Schüler und die halb von ihm, halb von Trübner
und Manet herkommenden Maler der „Münchner Scholle" anzusehen.

Zügel hat sich in ähnlicher Weise wie Trübner vom fein Detaillierten zu
immer größerer impressionistischer Breite entwickelt. Nur war sein Stoffgebiet
von vornherein auf Haustiere beschränkt. Erst bevorzugte er Schafe, in deren
dickem Vließ das Sonnenlicht sich hundertfach verfing und spaltete, und die er
in schönen Zusammenhang mit der Landschaft brachte; später malte er Rinder,
oder vielmehr er benutzte ihr glänzendes und scheckiges Fell, um das Spiel des
Lichtes, seine farbiger. Reflexe und die Abtönungen der Schatten darauf zu
studieren. So wurde aus einer schönen Malerei in vielen Fällen lediglich die
Anwendung einer glänzenden Malmethode, und die Kehrseite des konsequenten
Impressionismus zeigt sich oft an diesen erstaunlich beobachteten Studien; das
allzu zerstreute und von bunten Reflexen zersetzte Licht als Objekt des Bildes
zerstört die Form, nicht nur des Gegenstandes (des Rindes, des Schafes),
sondern auch den geschlossenen Bildeindruck selbst. Als Lehrmethode ist diese
Kunst freilich ausgezeichnet, und es gibt eine sehr große Anzahl von Künstlern,
welche die Schulung Zügels durchgemacht haben. Zu eigener Bedeutung im
Geiste Zügels haben es nur einige bringen können; Schramm-Zittau übertrug
vor allem mit Glück die Methode des Meisters auf Geflügel, Hühner und
Enten in lebhafter Bewegung.

Die Münchner Scholle umfaßt eine Anzahl Künstler, deren Programm
nicht etwa (wie der Name vermuten lassen könnte) Heimatkunst ist, sondern
wuchtig breites Malen. Nur einige, wie Georgi und Erich Erker, erfüllen
dabei das Programm, das in dem Namen „Scholle" liegt: sie malen Land
und Leute mit deutlicher Absicht auf „Erdgeruch". Ganz besonders derb ist
Feldbauer dabei. Aber schon R. M. Eichler neigt weit mehr zum Natur-
snmbolismus, und er ist typisch für das Jllustrationsmäßlge in der Absicht der
ganzen Gruppe, das ihren Bildern — und den im Format unmäßigsten am
meisten so oft nur das Ansehen vergrößerter Illustrationen aus der
„Jugend" verleiht. Hierin ist Fritz Erker der Begabteste. Aber seine
mühelos arbeitende Phantasie und die Verlockung frühzeitiger monumentaler
Aufträge verführten ihn dazu, seiner dekorativen Ader allzuviel Recht ein¬
zuräumen. Seine Wandbilder haben das bühnenmäßig Überraschende und
Effektvolle von (guten) Theaterkulissen; sie sind auch stofflich stets interessant,
und so erklärt sich seine wachsende Popularität. Aber ebenso zweifellos ist es,
daß am meisten Qualität in seinen Bildnissen steckt. In ihnen zeigt sich die
beste Seite der Scholleleute: der breite, sichere Pinselstrich. Es macht Leo


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[0564] Vie deutsche Malerei der Gegenwart In weiterem Sinne gehört auch das Frühwerk Albert von Kellers in diesen Kreis. Es liegt ein hohes malerisches Empfinden und ein feiner Geschmack in seinen Figurenbildern; aber die Neigung zur Eleganz und zum Erzählerischen gewannen später bei ihm mehr Raum als gut war. Und so sind als die eigentlichen Fortsetzer des Leibischen Geistes in Trübnerscher Auslegung wesentlich Heinrich Zügel und seine Schüler und die halb von ihm, halb von Trübner und Manet herkommenden Maler der „Münchner Scholle" anzusehen. Zügel hat sich in ähnlicher Weise wie Trübner vom fein Detaillierten zu immer größerer impressionistischer Breite entwickelt. Nur war sein Stoffgebiet von vornherein auf Haustiere beschränkt. Erst bevorzugte er Schafe, in deren dickem Vließ das Sonnenlicht sich hundertfach verfing und spaltete, und die er in schönen Zusammenhang mit der Landschaft brachte; später malte er Rinder, oder vielmehr er benutzte ihr glänzendes und scheckiges Fell, um das Spiel des Lichtes, seine farbiger. Reflexe und die Abtönungen der Schatten darauf zu studieren. So wurde aus einer schönen Malerei in vielen Fällen lediglich die Anwendung einer glänzenden Malmethode, und die Kehrseite des konsequenten Impressionismus zeigt sich oft an diesen erstaunlich beobachteten Studien; das allzu zerstreute und von bunten Reflexen zersetzte Licht als Objekt des Bildes zerstört die Form, nicht nur des Gegenstandes (des Rindes, des Schafes), sondern auch den geschlossenen Bildeindruck selbst. Als Lehrmethode ist diese Kunst freilich ausgezeichnet, und es gibt eine sehr große Anzahl von Künstlern, welche die Schulung Zügels durchgemacht haben. Zu eigener Bedeutung im Geiste Zügels haben es nur einige bringen können; Schramm-Zittau übertrug vor allem mit Glück die Methode des Meisters auf Geflügel, Hühner und Enten in lebhafter Bewegung. Die Münchner Scholle umfaßt eine Anzahl Künstler, deren Programm nicht etwa (wie der Name vermuten lassen könnte) Heimatkunst ist, sondern wuchtig breites Malen. Nur einige, wie Georgi und Erich Erker, erfüllen dabei das Programm, das in dem Namen „Scholle" liegt: sie malen Land und Leute mit deutlicher Absicht auf „Erdgeruch". Ganz besonders derb ist Feldbauer dabei. Aber schon R. M. Eichler neigt weit mehr zum Natur- snmbolismus, und er ist typisch für das Jllustrationsmäßlge in der Absicht der ganzen Gruppe, das ihren Bildern — und den im Format unmäßigsten am meisten so oft nur das Ansehen vergrößerter Illustrationen aus der „Jugend" verleiht. Hierin ist Fritz Erker der Begabteste. Aber seine mühelos arbeitende Phantasie und die Verlockung frühzeitiger monumentaler Aufträge verführten ihn dazu, seiner dekorativen Ader allzuviel Recht ein¬ zuräumen. Seine Wandbilder haben das bühnenmäßig Überraschende und Effektvolle von (guten) Theaterkulissen; sie sind auch stofflich stets interessant, und so erklärt sich seine wachsende Popularität. Aber ebenso zweifellos ist es, daß am meisten Qualität in seinen Bildnissen steckt. In ihnen zeigt sich die beste Seite der Scholleleute: der breite, sichere Pinselstrich. Es macht Leo

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/564>, abgerufen am 27.09.2024.