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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

abgewinkt. Der springende Punkt ist, wie wir schon in einem früheren
Aufsatz betont haben, der, daß eine rein private Organisation, die der
Kolonialverwaltung natürlich am angenehmsten gewesen wäre, wegen des zu
hohen Zinsfußes und der zu langen Beleihungsgrenzen versagt, daß es also
ohne Staatshilfe nicht geht. In welcher Form diese gewährt werden könnte,
haben wir in jenen: Aufsatz angedeutet. Eine Organisation auf genossen¬
schaftlichem Grundsatz wäre am besten. Wenn eingewandt wird, daß
der hypothekarischen Sicherstellung die bereits an erster Stelle eingetragenen
Restkaufgelder und Ansiedlungsbeihilfen im Wege stünden, so liegt doch der
Gedanke nahe, daß diese von der neuen Kreditorganisation übernommen und
vom Fiskus mit eingebracht werden. Wir meinen, man sollte nicht allzulange
hin und her theoretisieren und nach den Erfahrungen fremder Kolonien schielen.
Auch darf die Organisation nicht zu sehr in die heimische Genossenschafts¬
schablone gezwängt werden. Die wirtschaftlichen Verhältnisse und Bedürfnisse
der Kolonie liegen unsern Erachtens klar genug, um eine individuelle Behandlung
zuzulassen. Es handelt sich zudem vorläufig um keine Riesensummen, und wenn
im Anfang ein paar Lehrgelder bezahlt werden müssen, so ist das auch kein
Unglück. Freilich, die beste Zeit ist vorbei, die hatten wir zu Dernburgs
Zeiten, als der Kolonie unerwartet die Diamantenfunde in den Schoß fielen.
Und wenn der Gouverneur von Südwest so fix zugegriffen hätte, wie der von
Ostafrika, als es jüngst galt, schnell noch die ostafrikanische Zentralbahn mit
dem alten Reichstag unter Dach zu bringen, so wäre die finanzielle Grundlage
für die Kreditorganisation höchst wahrscheinlich schon vorhanden. Der neue
Reichstag wird wohl um so unlustiger sein, je mehr der Etat von Südwest
durch die Betriebseinstellungen auf den Diamantenfeldern an Klarheit ein¬
gebüßt hat. Wir halten die im Etat für 1912 veranschlagte Einnahme aus
dem Diamantenzoll in Höhe von 7267000 Mark für eine Verlegenheits¬
schätzung, die schon um deswillen nicht erreicht werden dürfte, weil sich der
zugrunde gelegte Ausfuhrzoll von 33 ^/g Prozent nicht aufrecht erhalten läßt.
Im übrigen bringt der Kolonialetat für 1912 keine Überraschungen. Bei
Betrachtung der kleinen Summen, die als Ertrag der Eingeborenenbesteuerung
veranschlagt sind, fällt nur nach wie vor aus, daß man der Erschließung
eigener Einnahmen für die Kolonien auf diesem Wege offenbar noch recht zag¬
haft gegenübersteht. Dabei wird diese Aufgabe in Anbetracht der politischen
Lage brennend. Wie will Kamerun seinen Gebietszuwachs erschließen und
organisieren und Togo seine Jnlandbahn nach dem hohen Norden weiterbauen,
wenn keine Einnahmen zur Verzinsung der Anleihen nachgewiesen werden
können? Bezüglich Ostafrika hat ja der neue Staatssekretär den erfreulichen
Entschluß gefaßt, endlich die ungerechte und unzulängliche Hüttensteuer, die nur
Familienväter belastet, durch die Kopfsteuer für alle arbeitsfähigen Eingeborenen
zu ersetzen. Eine baldige, wenn auch vorsichtige Übertragung dieser Steuerform
auf Kamerun und Togo erscheint sehr angebracht. Außerdem wäre eine


Reichsspiegel

abgewinkt. Der springende Punkt ist, wie wir schon in einem früheren
Aufsatz betont haben, der, daß eine rein private Organisation, die der
Kolonialverwaltung natürlich am angenehmsten gewesen wäre, wegen des zu
hohen Zinsfußes und der zu langen Beleihungsgrenzen versagt, daß es also
ohne Staatshilfe nicht geht. In welcher Form diese gewährt werden könnte,
haben wir in jenen: Aufsatz angedeutet. Eine Organisation auf genossen¬
schaftlichem Grundsatz wäre am besten. Wenn eingewandt wird, daß
der hypothekarischen Sicherstellung die bereits an erster Stelle eingetragenen
Restkaufgelder und Ansiedlungsbeihilfen im Wege stünden, so liegt doch der
Gedanke nahe, daß diese von der neuen Kreditorganisation übernommen und
vom Fiskus mit eingebracht werden. Wir meinen, man sollte nicht allzulange
hin und her theoretisieren und nach den Erfahrungen fremder Kolonien schielen.
Auch darf die Organisation nicht zu sehr in die heimische Genossenschafts¬
schablone gezwängt werden. Die wirtschaftlichen Verhältnisse und Bedürfnisse
der Kolonie liegen unsern Erachtens klar genug, um eine individuelle Behandlung
zuzulassen. Es handelt sich zudem vorläufig um keine Riesensummen, und wenn
im Anfang ein paar Lehrgelder bezahlt werden müssen, so ist das auch kein
Unglück. Freilich, die beste Zeit ist vorbei, die hatten wir zu Dernburgs
Zeiten, als der Kolonie unerwartet die Diamantenfunde in den Schoß fielen.
Und wenn der Gouverneur von Südwest so fix zugegriffen hätte, wie der von
Ostafrika, als es jüngst galt, schnell noch die ostafrikanische Zentralbahn mit
dem alten Reichstag unter Dach zu bringen, so wäre die finanzielle Grundlage
für die Kreditorganisation höchst wahrscheinlich schon vorhanden. Der neue
Reichstag wird wohl um so unlustiger sein, je mehr der Etat von Südwest
durch die Betriebseinstellungen auf den Diamantenfeldern an Klarheit ein¬
gebüßt hat. Wir halten die im Etat für 1912 veranschlagte Einnahme aus
dem Diamantenzoll in Höhe von 7267000 Mark für eine Verlegenheits¬
schätzung, die schon um deswillen nicht erreicht werden dürfte, weil sich der
zugrunde gelegte Ausfuhrzoll von 33 ^/g Prozent nicht aufrecht erhalten läßt.
Im übrigen bringt der Kolonialetat für 1912 keine Überraschungen. Bei
Betrachtung der kleinen Summen, die als Ertrag der Eingeborenenbesteuerung
veranschlagt sind, fällt nur nach wie vor aus, daß man der Erschließung
eigener Einnahmen für die Kolonien auf diesem Wege offenbar noch recht zag¬
haft gegenübersteht. Dabei wird diese Aufgabe in Anbetracht der politischen
Lage brennend. Wie will Kamerun seinen Gebietszuwachs erschließen und
organisieren und Togo seine Jnlandbahn nach dem hohen Norden weiterbauen,
wenn keine Einnahmen zur Verzinsung der Anleihen nachgewiesen werden
können? Bezüglich Ostafrika hat ja der neue Staatssekretär den erfreulichen
Entschluß gefaßt, endlich die ungerechte und unzulängliche Hüttensteuer, die nur
Familienväter belastet, durch die Kopfsteuer für alle arbeitsfähigen Eingeborenen
zu ersetzen. Eine baldige, wenn auch vorsichtige Übertragung dieser Steuerform
auf Kamerun und Togo erscheint sehr angebracht. Außerdem wäre eine


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[0458] Reichsspiegel abgewinkt. Der springende Punkt ist, wie wir schon in einem früheren Aufsatz betont haben, der, daß eine rein private Organisation, die der Kolonialverwaltung natürlich am angenehmsten gewesen wäre, wegen des zu hohen Zinsfußes und der zu langen Beleihungsgrenzen versagt, daß es also ohne Staatshilfe nicht geht. In welcher Form diese gewährt werden könnte, haben wir in jenen: Aufsatz angedeutet. Eine Organisation auf genossen¬ schaftlichem Grundsatz wäre am besten. Wenn eingewandt wird, daß der hypothekarischen Sicherstellung die bereits an erster Stelle eingetragenen Restkaufgelder und Ansiedlungsbeihilfen im Wege stünden, so liegt doch der Gedanke nahe, daß diese von der neuen Kreditorganisation übernommen und vom Fiskus mit eingebracht werden. Wir meinen, man sollte nicht allzulange hin und her theoretisieren und nach den Erfahrungen fremder Kolonien schielen. Auch darf die Organisation nicht zu sehr in die heimische Genossenschafts¬ schablone gezwängt werden. Die wirtschaftlichen Verhältnisse und Bedürfnisse der Kolonie liegen unsern Erachtens klar genug, um eine individuelle Behandlung zuzulassen. Es handelt sich zudem vorläufig um keine Riesensummen, und wenn im Anfang ein paar Lehrgelder bezahlt werden müssen, so ist das auch kein Unglück. Freilich, die beste Zeit ist vorbei, die hatten wir zu Dernburgs Zeiten, als der Kolonie unerwartet die Diamantenfunde in den Schoß fielen. Und wenn der Gouverneur von Südwest so fix zugegriffen hätte, wie der von Ostafrika, als es jüngst galt, schnell noch die ostafrikanische Zentralbahn mit dem alten Reichstag unter Dach zu bringen, so wäre die finanzielle Grundlage für die Kreditorganisation höchst wahrscheinlich schon vorhanden. Der neue Reichstag wird wohl um so unlustiger sein, je mehr der Etat von Südwest durch die Betriebseinstellungen auf den Diamantenfeldern an Klarheit ein¬ gebüßt hat. Wir halten die im Etat für 1912 veranschlagte Einnahme aus dem Diamantenzoll in Höhe von 7267000 Mark für eine Verlegenheits¬ schätzung, die schon um deswillen nicht erreicht werden dürfte, weil sich der zugrunde gelegte Ausfuhrzoll von 33 ^/g Prozent nicht aufrecht erhalten läßt. Im übrigen bringt der Kolonialetat für 1912 keine Überraschungen. Bei Betrachtung der kleinen Summen, die als Ertrag der Eingeborenenbesteuerung veranschlagt sind, fällt nur nach wie vor aus, daß man der Erschließung eigener Einnahmen für die Kolonien auf diesem Wege offenbar noch recht zag¬ haft gegenübersteht. Dabei wird diese Aufgabe in Anbetracht der politischen Lage brennend. Wie will Kamerun seinen Gebietszuwachs erschließen und organisieren und Togo seine Jnlandbahn nach dem hohen Norden weiterbauen, wenn keine Einnahmen zur Verzinsung der Anleihen nachgewiesen werden können? Bezüglich Ostafrika hat ja der neue Staatssekretär den erfreulichen Entschluß gefaßt, endlich die ungerechte und unzulängliche Hüttensteuer, die nur Familienväter belastet, durch die Kopfsteuer für alle arbeitsfähigen Eingeborenen zu ersetzen. Eine baldige, wenn auch vorsichtige Übertragung dieser Steuerform auf Kamerun und Togo erscheint sehr angebracht. Außerdem wäre eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/458>, abgerufen am 27.09.2024.