Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
La Später Derer van Doorn

Aber Hieronymus ging mit bleichem Lachen sofort wieder zur Tür zurück,
als er den Revolver an sich genommen.

"Sie vergessen die dreizehn Franken, Ehrwürden!" sagte der alte Grau¬
kopf freundlich.

"Ja so!" sagte Hieronymus dumpf.

Er hatte den einzigen Fünfzigfrankenschein in Zahlung gegeben, den er
noch bei sich trug.

"Ich bin immer in Gedanken," sagte er und versuchte den Waffenschmied
anzulächeln. "Entschuldigen Sie nurl"

"Ich habe nichts zu entschuldigen, Ehrwürden!" sagte der alte Waffenschmied.

Hieronymus hatte die Worte des Waffenhändlers gar nicht mehr gehört.

"Ich werde den Herrn Minister töten, wie ein Echter van Doorn," redete
es in ihm. "Und dann werde ich mich töten . . . und die Edeldame wird gar
nicht ahnen, daß ein Geistlicher auch ein Held sein kann!" Solche Worte trieben
sich um in ihm.

Aber er irrte doch nur sinnlos lächelnd in der Menge weiter.

Der Strom der Menschen hatte ihn willenlos mit in ein großes, eisernes
Portal hineingetrieben.

Es war ein mächtiges Kaufhaus durch viele Etagen.

In Hieronymus' Sinnen kroch eine felle Neugier auf. Er begann die
tausend Dinge, die jetzt um ihn lagen, ein jedes einzelne Ding, lüstern und
aufdringlich anzusehen.

Die Verkäuferinnen allenthalben boten ihm sehr gefällig ihre Dienste an.

Sein Gesicht war krankhaft zerfurcht. Seine nervigen Hände waren zer¬
fahren und ruhelos. In der rechten Tasche seines Priesterrockes preßte er noch
immer den Revolver. In der linken Tasche zerkrümelte er welke Blumen, die
ihm einmal Frau Hartje am Strande in die Hand gelegt.

Er begriff noch immer gar nichts.

Er hatte nur lange vor den kostbaren Teppichen gestanden und ging dann
langsam durch blanke Möbelstücke.

Er erinnerte sich jetzt an niemand.

Er war auch in die Abteilung der Goldschmiedewaren eingetreten, wo
kostbare Stücke zum Teil unter Glas lagen.

Das bunte, juwelische Funkeln und Blinken begann ihn unversehens im
Blute zu prickeln wie mit feinen Nadelspitzen.

Zum ersten Male wieder, daß ein Gefühl in ihm aufkam.

Eine kleine erlesene Berlocke blitzte in Hieronymus Augen wie eine geile
Lockung.

Das Kleinod bestand aus einer gold- und steinverzierten Reiterfigur, die
auf einem großen Rubin befestigt war.

Hieronymus' jähe, entzündliche Blicke begannen in ihrer ausgehöhlten
Einbildungskraft mit dem Kleinod ein Spiel.


La Später Derer van Doorn

Aber Hieronymus ging mit bleichem Lachen sofort wieder zur Tür zurück,
als er den Revolver an sich genommen.

„Sie vergessen die dreizehn Franken, Ehrwürden!" sagte der alte Grau¬
kopf freundlich.

„Ja so!" sagte Hieronymus dumpf.

Er hatte den einzigen Fünfzigfrankenschein in Zahlung gegeben, den er
noch bei sich trug.

„Ich bin immer in Gedanken," sagte er und versuchte den Waffenschmied
anzulächeln. „Entschuldigen Sie nurl"

„Ich habe nichts zu entschuldigen, Ehrwürden!" sagte der alte Waffenschmied.

Hieronymus hatte die Worte des Waffenhändlers gar nicht mehr gehört.

„Ich werde den Herrn Minister töten, wie ein Echter van Doorn," redete
es in ihm. „Und dann werde ich mich töten . . . und die Edeldame wird gar
nicht ahnen, daß ein Geistlicher auch ein Held sein kann!" Solche Worte trieben
sich um in ihm.

Aber er irrte doch nur sinnlos lächelnd in der Menge weiter.

Der Strom der Menschen hatte ihn willenlos mit in ein großes, eisernes
Portal hineingetrieben.

Es war ein mächtiges Kaufhaus durch viele Etagen.

In Hieronymus' Sinnen kroch eine felle Neugier auf. Er begann die
tausend Dinge, die jetzt um ihn lagen, ein jedes einzelne Ding, lüstern und
aufdringlich anzusehen.

Die Verkäuferinnen allenthalben boten ihm sehr gefällig ihre Dienste an.

Sein Gesicht war krankhaft zerfurcht. Seine nervigen Hände waren zer¬
fahren und ruhelos. In der rechten Tasche seines Priesterrockes preßte er noch
immer den Revolver. In der linken Tasche zerkrümelte er welke Blumen, die
ihm einmal Frau Hartje am Strande in die Hand gelegt.

Er begriff noch immer gar nichts.

Er hatte nur lange vor den kostbaren Teppichen gestanden und ging dann
langsam durch blanke Möbelstücke.

Er erinnerte sich jetzt an niemand.

Er war auch in die Abteilung der Goldschmiedewaren eingetreten, wo
kostbare Stücke zum Teil unter Glas lagen.

Das bunte, juwelische Funkeln und Blinken begann ihn unversehens im
Blute zu prickeln wie mit feinen Nadelspitzen.

Zum ersten Male wieder, daß ein Gefühl in ihm aufkam.

Eine kleine erlesene Berlocke blitzte in Hieronymus Augen wie eine geile
Lockung.

Das Kleinod bestand aus einer gold- und steinverzierten Reiterfigur, die
auf einem großen Rubin befestigt war.

Hieronymus' jähe, entzündliche Blicke begannen in ihrer ausgehöhlten
Einbildungskraft mit dem Kleinod ein Spiel.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0341" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320758"/>
            <fw type="header" place="top"> La Später Derer van Doorn</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1374"> Aber Hieronymus ging mit bleichem Lachen sofort wieder zur Tür zurück,<lb/>
als er den Revolver an sich genommen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1375"> &#x201E;Sie vergessen die dreizehn Franken, Ehrwürden!" sagte der alte Grau¬<lb/>
kopf freundlich.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1376"> &#x201E;Ja so!" sagte Hieronymus dumpf.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1377"> Er hatte den einzigen Fünfzigfrankenschein in Zahlung gegeben, den er<lb/>
noch bei sich trug.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1378"> &#x201E;Ich bin immer in Gedanken," sagte er und versuchte den Waffenschmied<lb/>
anzulächeln.  &#x201E;Entschuldigen Sie nurl"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1379"> &#x201E;Ich habe nichts zu entschuldigen, Ehrwürden!" sagte der alte Waffenschmied.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1380"> Hieronymus hatte die Worte des Waffenhändlers gar nicht mehr gehört.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1381"> &#x201E;Ich werde den Herrn Minister töten, wie ein Echter van Doorn," redete<lb/>
es in ihm. &#x201E;Und dann werde ich mich töten . . . und die Edeldame wird gar<lb/>
nicht ahnen, daß ein Geistlicher auch ein Held sein kann!" Solche Worte trieben<lb/>
sich um in ihm.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1382"> Aber er irrte doch nur sinnlos lächelnd in der Menge weiter.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1383"> Der Strom der Menschen hatte ihn willenlos mit in ein großes, eisernes<lb/>
Portal hineingetrieben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1384"> Es war ein mächtiges Kaufhaus durch viele Etagen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1385"> In Hieronymus' Sinnen kroch eine felle Neugier auf. Er begann die<lb/>
tausend Dinge, die jetzt um ihn lagen, ein jedes einzelne Ding, lüstern und<lb/>
aufdringlich anzusehen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1386"> Die Verkäuferinnen allenthalben boten ihm sehr gefällig ihre Dienste an.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1387"> Sein Gesicht war krankhaft zerfurcht. Seine nervigen Hände waren zer¬<lb/>
fahren und ruhelos. In der rechten Tasche seines Priesterrockes preßte er noch<lb/>
immer den Revolver. In der linken Tasche zerkrümelte er welke Blumen, die<lb/>
ihm einmal Frau Hartje am Strande in die Hand gelegt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1388"> Er begriff noch immer gar nichts.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1389"> Er hatte nur lange vor den kostbaren Teppichen gestanden und ging dann<lb/>
langsam durch blanke Möbelstücke.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1390"> Er erinnerte sich jetzt an niemand.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1391"> Er war auch in die Abteilung der Goldschmiedewaren eingetreten, wo<lb/>
kostbare Stücke zum Teil unter Glas lagen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1392"> Das bunte, juwelische Funkeln und Blinken begann ihn unversehens im<lb/>
Blute zu prickeln wie mit feinen Nadelspitzen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1393"> Zum ersten Male wieder, daß ein Gefühl in ihm aufkam.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1394"> Eine kleine erlesene Berlocke blitzte in Hieronymus Augen wie eine geile<lb/>
Lockung.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1395"> Das Kleinod bestand aus einer gold- und steinverzierten Reiterfigur, die<lb/>
auf einem großen Rubin befestigt war.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1396"> Hieronymus' jähe, entzündliche Blicke begannen in ihrer ausgehöhlten<lb/>
Einbildungskraft mit dem Kleinod ein Spiel.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0341] La Später Derer van Doorn Aber Hieronymus ging mit bleichem Lachen sofort wieder zur Tür zurück, als er den Revolver an sich genommen. „Sie vergessen die dreizehn Franken, Ehrwürden!" sagte der alte Grau¬ kopf freundlich. „Ja so!" sagte Hieronymus dumpf. Er hatte den einzigen Fünfzigfrankenschein in Zahlung gegeben, den er noch bei sich trug. „Ich bin immer in Gedanken," sagte er und versuchte den Waffenschmied anzulächeln. „Entschuldigen Sie nurl" „Ich habe nichts zu entschuldigen, Ehrwürden!" sagte der alte Waffenschmied. Hieronymus hatte die Worte des Waffenhändlers gar nicht mehr gehört. „Ich werde den Herrn Minister töten, wie ein Echter van Doorn," redete es in ihm. „Und dann werde ich mich töten . . . und die Edeldame wird gar nicht ahnen, daß ein Geistlicher auch ein Held sein kann!" Solche Worte trieben sich um in ihm. Aber er irrte doch nur sinnlos lächelnd in der Menge weiter. Der Strom der Menschen hatte ihn willenlos mit in ein großes, eisernes Portal hineingetrieben. Es war ein mächtiges Kaufhaus durch viele Etagen. In Hieronymus' Sinnen kroch eine felle Neugier auf. Er begann die tausend Dinge, die jetzt um ihn lagen, ein jedes einzelne Ding, lüstern und aufdringlich anzusehen. Die Verkäuferinnen allenthalben boten ihm sehr gefällig ihre Dienste an. Sein Gesicht war krankhaft zerfurcht. Seine nervigen Hände waren zer¬ fahren und ruhelos. In der rechten Tasche seines Priesterrockes preßte er noch immer den Revolver. In der linken Tasche zerkrümelte er welke Blumen, die ihm einmal Frau Hartje am Strande in die Hand gelegt. Er begriff noch immer gar nichts. Er hatte nur lange vor den kostbaren Teppichen gestanden und ging dann langsam durch blanke Möbelstücke. Er erinnerte sich jetzt an niemand. Er war auch in die Abteilung der Goldschmiedewaren eingetreten, wo kostbare Stücke zum Teil unter Glas lagen. Das bunte, juwelische Funkeln und Blinken begann ihn unversehens im Blute zu prickeln wie mit feinen Nadelspitzen. Zum ersten Male wieder, daß ein Gefühl in ihm aufkam. Eine kleine erlesene Berlocke blitzte in Hieronymus Augen wie eine geile Lockung. Das Kleinod bestand aus einer gold- und steinverzierten Reiterfigur, die auf einem großen Rubin befestigt war. Hieronymus' jähe, entzündliche Blicke begannen in ihrer ausgehöhlten Einbildungskraft mit dem Kleinod ein Spiel.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/341
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/341>, abgerufen am 27.09.2024.