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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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zichten können: denn die Differenz zwischen Hypotheken- und Pfandbriefzinsen
reicht allein nicht aus, eine Rente für das Aktienkapital herauszuwirtschaften,
zumal die für den Absatz der Pfandbriefe zu zahlenden Bonifikationen gegen¬
wärtig wieder eine unverkennbare Neigung zum Anwachsen zeigen. Einzelne
Institute haben die Vergütung bereits wieder auf mehr als 1 Prozent gesteigert.
Es liegt daher für die Hypothekenbanken nahe, an den Übergang zum 4^/zpro-
zentigeu Typus der Pfandbriefe zu denken. Das wäre aber selbstverständlich
nur dann möglich, wenn auch der Zinsfuß für die Hypotheken eine entsprechende
Steigerung erführe. Hier liegt aber die Schwierigkeit. Schon jetzt ist der
Zinsfuß für erste Hypotheken ein so hoher (in der Regel 4^ Prozent mit
2 Prozent Abschlußprovision bei fünfjähriger Beleihuugsdauer), daß er vielfach
als unwirtschaftlich empfunden wird. Eine Hinaufschraubung dieses Zinsfußes
ist also den Hypothekenbanken nicht ohne weiteres möglich und zwar um so
weniger, als sie auf dem Hypothekenmarkte mit stark wachsender Konkurrenz zu
rechnen haben. Da sind zunächst die Versicherungsgesellschaften, die bei
ihren Ausleihungen nicht die Spesen zu kalkulieren haben, welche den Pfandbrief-
inftitutcn durch die Ausgabe und den Umlauf ihrer Obligationen entstehen.
Diese privaten Versicherungsgesellschaften haben sich die bisherige Steigerung des
Zinsfußes für Hypotheken gern gefallen lassen; sie würden aber zweifelsohne
unwirtschaftlich und gegen ihre Interessen handeln, wollten sie eine abermalige
Steigerung des Zinsfußes durch die Hypothekenbanken nicht lieber dazu benutzen,
sich selbst die feinsten und sichersten Anlagen durch niedrigere Bedingungen zu
sichern. Es kommt serner als ein gewichtiger Konkurrent demnächst die neue
Neichsversicherungsanstalt für die Angestellten in Betracht, die aus ihren
jährlich an 250 Millionen betragenden Einnahmen mit erheblicher Summe als
dauernder Geldgeber auf dem Hypothekenmarkte erscheinen wird. Und endlich
erwächst den privaten Hypothekenbanken ein gefährlicher Wettbewerb durch die
Neigung der Kommunen, die Beschaffung von Hypothekenkapital im Zusammen¬
hang rin städtischer Wohnungsfürsorge und kommunaler Bodenpolitik selbst in
die Hand zu nehmen. So hat beispielsweise Düsseldorf eine städtische Hypothekeu-
abteilung, so hat Dresden eine Grundrenten- und Hypothekenanstalt, so ist in
Posen unter finanzieller Beteiligung des Staates die deutsche Pfandbriefanstalt
ins Leben gerufen worden. Außerdem hat eine ganze Anzahl von Stadt¬
gemeinden aus Anleihegeldern dem kreditbedürftigen Grundbesitz Hypotheken¬
kapital namentlich für Beleihung an zweiter Stelle zur Verfügung gestellt. Es
ist hier nicht am Platz, diese Ausdehnung der kommunalen Aufgaben auf ein
der Gemeindeverwaltung an sich fremdes Gebiet nach ihren Vorzügen und
Nachteilen zu würdigen. Soweit die Gemeinden aber unter Billigung der
Staatsgewalt (deren Zustimmung zur Anleiheaufnahme ja erforderlich ist) zur
Gewährung von Hypothekenkapital übergehen, sind sie den Hypothekenbanken
schon dadurch überlegen, daß ihre Anleiheobligationen sich des Vorzugs der
Mündelsicherheit erfreuen, während sie anderseits an die beschränkenden


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zichten können: denn die Differenz zwischen Hypotheken- und Pfandbriefzinsen
reicht allein nicht aus, eine Rente für das Aktienkapital herauszuwirtschaften,
zumal die für den Absatz der Pfandbriefe zu zahlenden Bonifikationen gegen¬
wärtig wieder eine unverkennbare Neigung zum Anwachsen zeigen. Einzelne
Institute haben die Vergütung bereits wieder auf mehr als 1 Prozent gesteigert.
Es liegt daher für die Hypothekenbanken nahe, an den Übergang zum 4^/zpro-
zentigeu Typus der Pfandbriefe zu denken. Das wäre aber selbstverständlich
nur dann möglich, wenn auch der Zinsfuß für die Hypotheken eine entsprechende
Steigerung erführe. Hier liegt aber die Schwierigkeit. Schon jetzt ist der
Zinsfuß für erste Hypotheken ein so hoher (in der Regel 4^ Prozent mit
2 Prozent Abschlußprovision bei fünfjähriger Beleihuugsdauer), daß er vielfach
als unwirtschaftlich empfunden wird. Eine Hinaufschraubung dieses Zinsfußes
ist also den Hypothekenbanken nicht ohne weiteres möglich und zwar um so
weniger, als sie auf dem Hypothekenmarkte mit stark wachsender Konkurrenz zu
rechnen haben. Da sind zunächst die Versicherungsgesellschaften, die bei
ihren Ausleihungen nicht die Spesen zu kalkulieren haben, welche den Pfandbrief-
inftitutcn durch die Ausgabe und den Umlauf ihrer Obligationen entstehen.
Diese privaten Versicherungsgesellschaften haben sich die bisherige Steigerung des
Zinsfußes für Hypotheken gern gefallen lassen; sie würden aber zweifelsohne
unwirtschaftlich und gegen ihre Interessen handeln, wollten sie eine abermalige
Steigerung des Zinsfußes durch die Hypothekenbanken nicht lieber dazu benutzen,
sich selbst die feinsten und sichersten Anlagen durch niedrigere Bedingungen zu
sichern. Es kommt serner als ein gewichtiger Konkurrent demnächst die neue
Neichsversicherungsanstalt für die Angestellten in Betracht, die aus ihren
jährlich an 250 Millionen betragenden Einnahmen mit erheblicher Summe als
dauernder Geldgeber auf dem Hypothekenmarkte erscheinen wird. Und endlich
erwächst den privaten Hypothekenbanken ein gefährlicher Wettbewerb durch die
Neigung der Kommunen, die Beschaffung von Hypothekenkapital im Zusammen¬
hang rin städtischer Wohnungsfürsorge und kommunaler Bodenpolitik selbst in
die Hand zu nehmen. So hat beispielsweise Düsseldorf eine städtische Hypothekeu-
abteilung, so hat Dresden eine Grundrenten- und Hypothekenanstalt, so ist in
Posen unter finanzieller Beteiligung des Staates die deutsche Pfandbriefanstalt
ins Leben gerufen worden. Außerdem hat eine ganze Anzahl von Stadt¬
gemeinden aus Anleihegeldern dem kreditbedürftigen Grundbesitz Hypotheken¬
kapital namentlich für Beleihung an zweiter Stelle zur Verfügung gestellt. Es
ist hier nicht am Platz, diese Ausdehnung der kommunalen Aufgaben auf ein
der Gemeindeverwaltung an sich fremdes Gebiet nach ihren Vorzügen und
Nachteilen zu würdigen. Soweit die Gemeinden aber unter Billigung der
Staatsgewalt (deren Zustimmung zur Anleiheaufnahme ja erforderlich ist) zur
Gewährung von Hypothekenkapital übergehen, sind sie den Hypothekenbanken
schon dadurch überlegen, daß ihre Anleiheobligationen sich des Vorzugs der
Mündelsicherheit erfreuen, während sie anderseits an die beschränkenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/310>, abgerufen am 27.09.2024.