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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Ein Später Derer van Doorn

schimmerten, machten ihn erröten. Üppig quoll ein Arm von lebendigem, süßem
Fleische und Blumen, wie in einem Orchideengarten.

Das alles ging ganz verwirrend in ihm hin.

Fast hätte er Frau Hartje dabei ganz vergessen.

Da hatte ein neuer Saal mit blinkenden Spiegeln und tausend warmen
Kerzenflammen an Decke und von den Wänden und mit sprühenden Diamanten
allenthalben über den Köpfen vor seinem schüchternen Blicke sich aufgetan.

Da sah er auch Frau Hartje. Sie selber noch Heller wie der volle
Lichterschein, mit blitzendem Diadem über den dicken, göttlichem Zöpfen. Die
freien Schultern wie Blüten. Große, sprühende Steine an der Brust.

So ragte Frau Hartje mitten in dem blendenden Saale.

Und alles drängte zu ihr.

Auch Hieronymus kam langsam und fast zwangsweise immer mehr in
ihre Nähe.

Die Herren, die großen Schmuck und viel Orden trugen, verneigten sich
tief vor ihr. Sie küßten mit gebeugten Häuptern die behandschuhten Hände
von Frau Hartje. Und Frau Hartje lächelte lieblich und stand, leicht und
gnädig ihren von Schmuck und Jugend schimmernden Kopf geneigt.

Hieronymus hatte sich gleich derart in ihren Anblick verloren, daß er
vergaß Schritte vorwärts zu tun. Er stand wieder eine Weile, ohne sich zu
rühren.

Herr Kroen ragte jetzt in Staatskleidern in der Nähe, das Monokel
ins Auge gedrückt, das auch spitz von vielen anderen Männeraugen glänzte.

Und der junge, bleiche Hieronymus fühlte sich wieder eine Weile wie
gehoben. Als wenn er ein richtiger van Doorn wäre. Aber wie er an
sich herabblickte, kam er sich bis an den Hals schwarz zugeschnürt und sehr
armselig vor.

Hieronymus war jetzt doch bis zu Frau Kroen hindurchgedrungen.

Frau Hartje sah ihn mit demselben Lächeln an, das schon von ferne in
ihrem Auge stand. Sie schien zuerst kaum zu wissen, wer er wäre. Nein . . .
doch! Sie nannte ganz deutlich und kindlich seinen Namen. Sie sagte zu
anderen Kavalieren, die dabei standen, mit allergnädigster Glockenstimme: "Das
ist der Herr Pfarrer von unserem schönen Meeresstrande. Er hat mir einmal
in schwerer Zeit mit seiner Gebetsinbrunst das Leben gerettet."

Frau Hartje sagte das besonders ins gerodete Gesicht eines jungen Offiziers,
der ein Prinz war. Und der auch besonders unbändig darüber lachte.

Das alles schien Hieronymus van Doorn allmählich wie eine unbegreifliche
Phantasmagorie, darin er obendrein eine ziemlich schauerliche Figur zu machen
schien. Zumal er schon längst nicht mehr vor Frau Hartje stand, und die von
Glanz und Hitze geblendeten, fremden Gesichter, die um ihn waren, ihn jetzt
alle anzulächeln schienen.


Ein Später Derer van Doorn

schimmerten, machten ihn erröten. Üppig quoll ein Arm von lebendigem, süßem
Fleische und Blumen, wie in einem Orchideengarten.

Das alles ging ganz verwirrend in ihm hin.

Fast hätte er Frau Hartje dabei ganz vergessen.

Da hatte ein neuer Saal mit blinkenden Spiegeln und tausend warmen
Kerzenflammen an Decke und von den Wänden und mit sprühenden Diamanten
allenthalben über den Köpfen vor seinem schüchternen Blicke sich aufgetan.

Da sah er auch Frau Hartje. Sie selber noch Heller wie der volle
Lichterschein, mit blitzendem Diadem über den dicken, göttlichem Zöpfen. Die
freien Schultern wie Blüten. Große, sprühende Steine an der Brust.

So ragte Frau Hartje mitten in dem blendenden Saale.

Und alles drängte zu ihr.

Auch Hieronymus kam langsam und fast zwangsweise immer mehr in
ihre Nähe.

Die Herren, die großen Schmuck und viel Orden trugen, verneigten sich
tief vor ihr. Sie küßten mit gebeugten Häuptern die behandschuhten Hände
von Frau Hartje. Und Frau Hartje lächelte lieblich und stand, leicht und
gnädig ihren von Schmuck und Jugend schimmernden Kopf geneigt.

Hieronymus hatte sich gleich derart in ihren Anblick verloren, daß er
vergaß Schritte vorwärts zu tun. Er stand wieder eine Weile, ohne sich zu
rühren.

Herr Kroen ragte jetzt in Staatskleidern in der Nähe, das Monokel
ins Auge gedrückt, das auch spitz von vielen anderen Männeraugen glänzte.

Und der junge, bleiche Hieronymus fühlte sich wieder eine Weile wie
gehoben. Als wenn er ein richtiger van Doorn wäre. Aber wie er an
sich herabblickte, kam er sich bis an den Hals schwarz zugeschnürt und sehr
armselig vor.

Hieronymus war jetzt doch bis zu Frau Kroen hindurchgedrungen.

Frau Hartje sah ihn mit demselben Lächeln an, das schon von ferne in
ihrem Auge stand. Sie schien zuerst kaum zu wissen, wer er wäre. Nein . . .
doch! Sie nannte ganz deutlich und kindlich seinen Namen. Sie sagte zu
anderen Kavalieren, die dabei standen, mit allergnädigster Glockenstimme: „Das
ist der Herr Pfarrer von unserem schönen Meeresstrande. Er hat mir einmal
in schwerer Zeit mit seiner Gebetsinbrunst das Leben gerettet."

Frau Hartje sagte das besonders ins gerodete Gesicht eines jungen Offiziers,
der ein Prinz war. Und der auch besonders unbändig darüber lachte.

Das alles schien Hieronymus van Doorn allmählich wie eine unbegreifliche
Phantasmagorie, darin er obendrein eine ziemlich schauerliche Figur zu machen
schien. Zumal er schon längst nicht mehr vor Frau Hartje stand, und die von
Glanz und Hitze geblendeten, fremden Gesichter, die um ihn waren, ihn jetzt
alle anzulächeln schienen.


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[0291] Ein Später Derer van Doorn schimmerten, machten ihn erröten. Üppig quoll ein Arm von lebendigem, süßem Fleische und Blumen, wie in einem Orchideengarten. Das alles ging ganz verwirrend in ihm hin. Fast hätte er Frau Hartje dabei ganz vergessen. Da hatte ein neuer Saal mit blinkenden Spiegeln und tausend warmen Kerzenflammen an Decke und von den Wänden und mit sprühenden Diamanten allenthalben über den Köpfen vor seinem schüchternen Blicke sich aufgetan. Da sah er auch Frau Hartje. Sie selber noch Heller wie der volle Lichterschein, mit blitzendem Diadem über den dicken, göttlichem Zöpfen. Die freien Schultern wie Blüten. Große, sprühende Steine an der Brust. So ragte Frau Hartje mitten in dem blendenden Saale. Und alles drängte zu ihr. Auch Hieronymus kam langsam und fast zwangsweise immer mehr in ihre Nähe. Die Herren, die großen Schmuck und viel Orden trugen, verneigten sich tief vor ihr. Sie küßten mit gebeugten Häuptern die behandschuhten Hände von Frau Hartje. Und Frau Hartje lächelte lieblich und stand, leicht und gnädig ihren von Schmuck und Jugend schimmernden Kopf geneigt. Hieronymus hatte sich gleich derart in ihren Anblick verloren, daß er vergaß Schritte vorwärts zu tun. Er stand wieder eine Weile, ohne sich zu rühren. Herr Kroen ragte jetzt in Staatskleidern in der Nähe, das Monokel ins Auge gedrückt, das auch spitz von vielen anderen Männeraugen glänzte. Und der junge, bleiche Hieronymus fühlte sich wieder eine Weile wie gehoben. Als wenn er ein richtiger van Doorn wäre. Aber wie er an sich herabblickte, kam er sich bis an den Hals schwarz zugeschnürt und sehr armselig vor. Hieronymus war jetzt doch bis zu Frau Kroen hindurchgedrungen. Frau Hartje sah ihn mit demselben Lächeln an, das schon von ferne in ihrem Auge stand. Sie schien zuerst kaum zu wissen, wer er wäre. Nein . . . doch! Sie nannte ganz deutlich und kindlich seinen Namen. Sie sagte zu anderen Kavalieren, die dabei standen, mit allergnädigster Glockenstimme: „Das ist der Herr Pfarrer von unserem schönen Meeresstrande. Er hat mir einmal in schwerer Zeit mit seiner Gebetsinbrunst das Leben gerettet." Frau Hartje sagte das besonders ins gerodete Gesicht eines jungen Offiziers, der ein Prinz war. Und der auch besonders unbändig darüber lachte. Das alles schien Hieronymus van Doorn allmählich wie eine unbegreifliche Phantasmagorie, darin er obendrein eine ziemlich schauerliche Figur zu machen schien. Zumal er schon längst nicht mehr vor Frau Hartje stand, und die von Glanz und Hitze geblendeten, fremden Gesichter, die um ihn waren, ihn jetzt alle anzulächeln schienen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/291>, abgerufen am 27.09.2024.