Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Probleme des Industriebezirks

dringen des Rh. W. E. nicht konkurrenzfähig waren und ihm nur durch eine
große, für ein weiteres Versorgungsgebiet berechnete Anlage entgegengetreten
werden konnte, führte zum Bestreben nach einem Zusammenschluß der Gemeinden
dieses Gebiets, wobei der Wunsch, die Elektrizitätslieferung in kommunalen
Händen zu halten, erheblich verstärkt wurde durch die natürliche Abneigung gegen
eine weitere Abhängigkeit von der vom Rh. W. E. repräsentierten "schweren"
Industrie, die für diesen Bezirk bereits durch die Notwendigkeit des Bezuges
von Kohle und Eisen gegeben ist. Die wesentlich durch den Oberbürgermeister
von Hagen geleiteten, von der Regierung in Arnsberg lebhaft unterstützten
Verhandlungen führten zum Zwecke der Errichtung einer großen elektrischen
Zentrale zur Gründung des "Kommunalen Elektrizitätswerks Mark", bei der
großen Zahl der Beteiligten nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten, die sich,
übrigens auch nach der Gründung, der Entwicklung des Unternehmens dauernd
entgegenstellten und aus dem Interessengegensatz zwischen der Stadt Hagen, die
sich als Mittelpunkt des Wirtschaftsgebietes fühlte und weiter ausbilden wollte
einerseits, und den übrigen Jndustriegemeinden anderseits ihre Nahrung zogen.
Unter diesen Umständen wäre ein glücklicher Konkurrenzkampf gegen das RH.W. E.
an dieser Stelle kaum durchführbar gewesen, wenn dessen Vorgehen nicht von
anderer Seite her ein entscheidendes Halt geboten worden wäre.

Der Landrat des Kreises Bochum, Gerstein, der schon bei dem Plane eines
großen Zusammenschlusses aller Jndustriegemeinden des ganzen Bezirks zur
Beseitigung der monopolistischen Stellung des Rh. W. E. lebhaft hervorgetreten,
hatte erkannt, daß die Vorteile, die diesem sein Zusammenhang mit den großen
Bergwerksunternehmern Stinnes und Thyssen und den hinter diesen stehenden
Finanzkreisen bot, für ein Konkurrenzwerk ebenfalls durch Anschluß an andere
bergbauliche Unternehmungen erstrebt werden müßten. Denn diese besitzen durch¬
gängig große elektrische Zentralen für ihren eigenen Betrieb, auch weitverzweigte
Leitungsnetze zur Verbindung der einzelnen Zechen, und haben ein Interesse
daran, ihren Absatz zu vergrößern. Er suchte und fand Anschluß bei der Hibernia,
die zur Lieferung billigen Stromes aus ihren Anlagen bereit war, gründete in
Gemeinschaft mit den Kreisen Gelsenkirchen und Recklinghausen die Aktiengesellschaft
Elektrizitätswerk Westfalen, die sich lediglich mit der Verteilung und dem Strom¬
absatz befaßt, und an dem anfänglich auch die Hibernia und die Großfinanz
als Aktionäre beteiligt waren. Wesentlich gefördert, ja ermöglicht wurde diese
Gründung durch das Eingreifen der Berliner Handelsgesellschaft, unter Führung
von or.Rathenau, die anscheinend ein Interesse an der Bekämpfung der Stinnesschen
Pläne hatte. Später sind die Aktien ganz in kommunale Hände übergegangen,
nachdem sich weitere Kreise und Städte an dem Unternehmen beteiligt hatten.

Dieser Zusammenschluß war so wichtig, weil dadurch ein großes Gebiet,
das zwischen den Anlagen des RH.W.E. in Essen und denen in Wiendahlsbank lag,
ihm endgültig entzogen wurde. Aber noch war der Kampf damit nicht ent¬
schieden. Die neuen Überlandzentralen von Dortmund, Mark und ^Westfalen


Probleme des Industriebezirks

dringen des Rh. W. E. nicht konkurrenzfähig waren und ihm nur durch eine
große, für ein weiteres Versorgungsgebiet berechnete Anlage entgegengetreten
werden konnte, führte zum Bestreben nach einem Zusammenschluß der Gemeinden
dieses Gebiets, wobei der Wunsch, die Elektrizitätslieferung in kommunalen
Händen zu halten, erheblich verstärkt wurde durch die natürliche Abneigung gegen
eine weitere Abhängigkeit von der vom Rh. W. E. repräsentierten „schweren"
Industrie, die für diesen Bezirk bereits durch die Notwendigkeit des Bezuges
von Kohle und Eisen gegeben ist. Die wesentlich durch den Oberbürgermeister
von Hagen geleiteten, von der Regierung in Arnsberg lebhaft unterstützten
Verhandlungen führten zum Zwecke der Errichtung einer großen elektrischen
Zentrale zur Gründung des „Kommunalen Elektrizitätswerks Mark", bei der
großen Zahl der Beteiligten nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten, die sich,
übrigens auch nach der Gründung, der Entwicklung des Unternehmens dauernd
entgegenstellten und aus dem Interessengegensatz zwischen der Stadt Hagen, die
sich als Mittelpunkt des Wirtschaftsgebietes fühlte und weiter ausbilden wollte
einerseits, und den übrigen Jndustriegemeinden anderseits ihre Nahrung zogen.
Unter diesen Umständen wäre ein glücklicher Konkurrenzkampf gegen das RH.W. E.
an dieser Stelle kaum durchführbar gewesen, wenn dessen Vorgehen nicht von
anderer Seite her ein entscheidendes Halt geboten worden wäre.

Der Landrat des Kreises Bochum, Gerstein, der schon bei dem Plane eines
großen Zusammenschlusses aller Jndustriegemeinden des ganzen Bezirks zur
Beseitigung der monopolistischen Stellung des Rh. W. E. lebhaft hervorgetreten,
hatte erkannt, daß die Vorteile, die diesem sein Zusammenhang mit den großen
Bergwerksunternehmern Stinnes und Thyssen und den hinter diesen stehenden
Finanzkreisen bot, für ein Konkurrenzwerk ebenfalls durch Anschluß an andere
bergbauliche Unternehmungen erstrebt werden müßten. Denn diese besitzen durch¬
gängig große elektrische Zentralen für ihren eigenen Betrieb, auch weitverzweigte
Leitungsnetze zur Verbindung der einzelnen Zechen, und haben ein Interesse
daran, ihren Absatz zu vergrößern. Er suchte und fand Anschluß bei der Hibernia,
die zur Lieferung billigen Stromes aus ihren Anlagen bereit war, gründete in
Gemeinschaft mit den Kreisen Gelsenkirchen und Recklinghausen die Aktiengesellschaft
Elektrizitätswerk Westfalen, die sich lediglich mit der Verteilung und dem Strom¬
absatz befaßt, und an dem anfänglich auch die Hibernia und die Großfinanz
als Aktionäre beteiligt waren. Wesentlich gefördert, ja ermöglicht wurde diese
Gründung durch das Eingreifen der Berliner Handelsgesellschaft, unter Führung
von or.Rathenau, die anscheinend ein Interesse an der Bekämpfung der Stinnesschen
Pläne hatte. Später sind die Aktien ganz in kommunale Hände übergegangen,
nachdem sich weitere Kreise und Städte an dem Unternehmen beteiligt hatten.

Dieser Zusammenschluß war so wichtig, weil dadurch ein großes Gebiet,
das zwischen den Anlagen des RH.W.E. in Essen und denen in Wiendahlsbank lag,
ihm endgültig entzogen wurde. Aber noch war der Kampf damit nicht ent¬
schieden. Die neuen Überlandzentralen von Dortmund, Mark und ^Westfalen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0238" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320655"/>
          <fw type="header" place="top"> Probleme des Industriebezirks</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_895" prev="#ID_894"> dringen des Rh. W. E. nicht konkurrenzfähig waren und ihm nur durch eine<lb/>
große, für ein weiteres Versorgungsgebiet berechnete Anlage entgegengetreten<lb/>
werden konnte, führte zum Bestreben nach einem Zusammenschluß der Gemeinden<lb/>
dieses Gebiets, wobei der Wunsch, die Elektrizitätslieferung in kommunalen<lb/>
Händen zu halten, erheblich verstärkt wurde durch die natürliche Abneigung gegen<lb/>
eine weitere Abhängigkeit von der vom Rh. W. E. repräsentierten &#x201E;schweren"<lb/>
Industrie, die für diesen Bezirk bereits durch die Notwendigkeit des Bezuges<lb/>
von Kohle und Eisen gegeben ist. Die wesentlich durch den Oberbürgermeister<lb/>
von Hagen geleiteten, von der Regierung in Arnsberg lebhaft unterstützten<lb/>
Verhandlungen führten zum Zwecke der Errichtung einer großen elektrischen<lb/>
Zentrale zur Gründung des &#x201E;Kommunalen Elektrizitätswerks Mark", bei der<lb/>
großen Zahl der Beteiligten nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten, die sich,<lb/>
übrigens auch nach der Gründung, der Entwicklung des Unternehmens dauernd<lb/>
entgegenstellten und aus dem Interessengegensatz zwischen der Stadt Hagen, die<lb/>
sich als Mittelpunkt des Wirtschaftsgebietes fühlte und weiter ausbilden wollte<lb/>
einerseits, und den übrigen Jndustriegemeinden anderseits ihre Nahrung zogen.<lb/>
Unter diesen Umständen wäre ein glücklicher Konkurrenzkampf gegen das RH.W. E.<lb/>
an dieser Stelle kaum durchführbar gewesen, wenn dessen Vorgehen nicht von<lb/>
anderer Seite her ein entscheidendes Halt geboten worden wäre.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_896"> Der Landrat des Kreises Bochum, Gerstein, der schon bei dem Plane eines<lb/>
großen Zusammenschlusses aller Jndustriegemeinden des ganzen Bezirks zur<lb/>
Beseitigung der monopolistischen Stellung des Rh. W. E. lebhaft hervorgetreten,<lb/>
hatte erkannt, daß die Vorteile, die diesem sein Zusammenhang mit den großen<lb/>
Bergwerksunternehmern Stinnes und Thyssen und den hinter diesen stehenden<lb/>
Finanzkreisen bot, für ein Konkurrenzwerk ebenfalls durch Anschluß an andere<lb/>
bergbauliche Unternehmungen erstrebt werden müßten. Denn diese besitzen durch¬<lb/>
gängig große elektrische Zentralen für ihren eigenen Betrieb, auch weitverzweigte<lb/>
Leitungsnetze zur Verbindung der einzelnen Zechen, und haben ein Interesse<lb/>
daran, ihren Absatz zu vergrößern. Er suchte und fand Anschluß bei der Hibernia,<lb/>
die zur Lieferung billigen Stromes aus ihren Anlagen bereit war, gründete in<lb/>
Gemeinschaft mit den Kreisen Gelsenkirchen und Recklinghausen die Aktiengesellschaft<lb/>
Elektrizitätswerk Westfalen, die sich lediglich mit der Verteilung und dem Strom¬<lb/>
absatz befaßt, und an dem anfänglich auch die Hibernia und die Großfinanz<lb/>
als Aktionäre beteiligt waren. Wesentlich gefördert, ja ermöglicht wurde diese<lb/>
Gründung durch das Eingreifen der Berliner Handelsgesellschaft, unter Führung<lb/>
von or.Rathenau, die anscheinend ein Interesse an der Bekämpfung der Stinnesschen<lb/>
Pläne hatte. Später sind die Aktien ganz in kommunale Hände übergegangen,<lb/>
nachdem sich weitere Kreise und Städte an dem Unternehmen beteiligt hatten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_897" next="#ID_898"> Dieser Zusammenschluß war so wichtig, weil dadurch ein großes Gebiet,<lb/>
das zwischen den Anlagen des RH.W.E. in Essen und denen in Wiendahlsbank lag,<lb/>
ihm endgültig entzogen wurde. Aber noch war der Kampf damit nicht ent¬<lb/>
schieden.  Die neuen Überlandzentralen von Dortmund, Mark und ^Westfalen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0238] Probleme des Industriebezirks dringen des Rh. W. E. nicht konkurrenzfähig waren und ihm nur durch eine große, für ein weiteres Versorgungsgebiet berechnete Anlage entgegengetreten werden konnte, führte zum Bestreben nach einem Zusammenschluß der Gemeinden dieses Gebiets, wobei der Wunsch, die Elektrizitätslieferung in kommunalen Händen zu halten, erheblich verstärkt wurde durch die natürliche Abneigung gegen eine weitere Abhängigkeit von der vom Rh. W. E. repräsentierten „schweren" Industrie, die für diesen Bezirk bereits durch die Notwendigkeit des Bezuges von Kohle und Eisen gegeben ist. Die wesentlich durch den Oberbürgermeister von Hagen geleiteten, von der Regierung in Arnsberg lebhaft unterstützten Verhandlungen führten zum Zwecke der Errichtung einer großen elektrischen Zentrale zur Gründung des „Kommunalen Elektrizitätswerks Mark", bei der großen Zahl der Beteiligten nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten, die sich, übrigens auch nach der Gründung, der Entwicklung des Unternehmens dauernd entgegenstellten und aus dem Interessengegensatz zwischen der Stadt Hagen, die sich als Mittelpunkt des Wirtschaftsgebietes fühlte und weiter ausbilden wollte einerseits, und den übrigen Jndustriegemeinden anderseits ihre Nahrung zogen. Unter diesen Umständen wäre ein glücklicher Konkurrenzkampf gegen das RH.W. E. an dieser Stelle kaum durchführbar gewesen, wenn dessen Vorgehen nicht von anderer Seite her ein entscheidendes Halt geboten worden wäre. Der Landrat des Kreises Bochum, Gerstein, der schon bei dem Plane eines großen Zusammenschlusses aller Jndustriegemeinden des ganzen Bezirks zur Beseitigung der monopolistischen Stellung des Rh. W. E. lebhaft hervorgetreten, hatte erkannt, daß die Vorteile, die diesem sein Zusammenhang mit den großen Bergwerksunternehmern Stinnes und Thyssen und den hinter diesen stehenden Finanzkreisen bot, für ein Konkurrenzwerk ebenfalls durch Anschluß an andere bergbauliche Unternehmungen erstrebt werden müßten. Denn diese besitzen durch¬ gängig große elektrische Zentralen für ihren eigenen Betrieb, auch weitverzweigte Leitungsnetze zur Verbindung der einzelnen Zechen, und haben ein Interesse daran, ihren Absatz zu vergrößern. Er suchte und fand Anschluß bei der Hibernia, die zur Lieferung billigen Stromes aus ihren Anlagen bereit war, gründete in Gemeinschaft mit den Kreisen Gelsenkirchen und Recklinghausen die Aktiengesellschaft Elektrizitätswerk Westfalen, die sich lediglich mit der Verteilung und dem Strom¬ absatz befaßt, und an dem anfänglich auch die Hibernia und die Großfinanz als Aktionäre beteiligt waren. Wesentlich gefördert, ja ermöglicht wurde diese Gründung durch das Eingreifen der Berliner Handelsgesellschaft, unter Führung von or.Rathenau, die anscheinend ein Interesse an der Bekämpfung der Stinnesschen Pläne hatte. Später sind die Aktien ganz in kommunale Hände übergegangen, nachdem sich weitere Kreise und Städte an dem Unternehmen beteiligt hatten. Dieser Zusammenschluß war so wichtig, weil dadurch ein großes Gebiet, das zwischen den Anlagen des RH.W.E. in Essen und denen in Wiendahlsbank lag, ihm endgültig entzogen wurde. Aber noch war der Kampf damit nicht ent¬ schieden. Die neuen Überlandzentralen von Dortmund, Mark und ^Westfalen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/238
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/238>, abgerufen am 27.09.2024.