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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Gin später Derer van Doorn
vo" Carl l^ciuptmnnn
Erstes Kapitel

ieronnmus van Doorn stammte aus einem alten Adelsgeschlechte.
Die Väter hatten auf Schlössern der Grafschaft Westflandern
gehaust und waren in sechsspännigen, schwer in Federn hängenden,
prunkhaften Reisewagen mit berittener Dienerschaft durch die Lande
und bis Paris gefahren. Oder sie hatten Trinkfeste auf ihren
Burgen gehalten und den kostbarsten Wein aus großen Silberhumpen in bunter
lärmender Runde getrunken. Oder sie waren im reichen Zuge mit Pagen und
Knechten, Ritter und Damen mit fliegenden Bandelieren und fliegenden Reiher¬
federn im Barett in die Wälder um die Burg hinaus geritten, über die nieder¬
gelassenen Holzbrückeu polternd die Schar ruheloser Pferdehufe unter Ritter und
Edelfrau, daß dann der Tann widerhallte vom Gekläff der Bracken und Leit¬
hunde. Und von: Brechen der Äste durch Dickicht und Dorn, wenn der Hirsch
mit der Meute auf den Fersen hinstob. Auch Fmueugelächter erklang in der
Lichtung, wenn die Jagdfalken aus den Ketten hochgingen von den beHand-
schichten, schönen Händen der Burgfrauen und Burgtöchter und dann der Reiher
aus den Lüften verendend nieder ins Waldgras ging.

Das alles war ferne.

Schon einst war einer Derer van Doorn immer auch dem Himmel ein
Geweihter gewesen, wenn die eisernen Ritter und die in der Kapelle der Burg
knienden Edelfrauen Gott zu danken hatten für den Segen des Raubes und der
Herrschaft. Und schon mancher Zweite des Geschlechts hatte früh den Erden-
freuden Allgen und Sinne verschließen müssen, hatte die heißen Einsamkeiten der
Gottesweihe um sich gebreitet und Gott gesucht unter heiligen Tränen. Schlösser
und Burgen Derer van Doorn waren längst verfallen. Die Hauptlinie, ein
altes, kinderloses Ehepaar, besaß noch ein stilles, vornehmes Palais auf einem
vereinsamten Platze, der dem Königsschlosse nahe lag, und auf dein die Wasser
aus einem alten, verwitterten, grünlich belaufenen Steinbrunnen in gewundenen
Bogen ohne Unterlaß durcheinander sprangen und eintönig und ewig denselben


Gmizboli!" I tgi2 17


Gin später Derer van Doorn
vo» Carl l^ciuptmnnn
Erstes Kapitel

ieronnmus van Doorn stammte aus einem alten Adelsgeschlechte.
Die Väter hatten auf Schlössern der Grafschaft Westflandern
gehaust und waren in sechsspännigen, schwer in Federn hängenden,
prunkhaften Reisewagen mit berittener Dienerschaft durch die Lande
und bis Paris gefahren. Oder sie hatten Trinkfeste auf ihren
Burgen gehalten und den kostbarsten Wein aus großen Silberhumpen in bunter
lärmender Runde getrunken. Oder sie waren im reichen Zuge mit Pagen und
Knechten, Ritter und Damen mit fliegenden Bandelieren und fliegenden Reiher¬
federn im Barett in die Wälder um die Burg hinaus geritten, über die nieder¬
gelassenen Holzbrückeu polternd die Schar ruheloser Pferdehufe unter Ritter und
Edelfrau, daß dann der Tann widerhallte vom Gekläff der Bracken und Leit¬
hunde. Und von: Brechen der Äste durch Dickicht und Dorn, wenn der Hirsch
mit der Meute auf den Fersen hinstob. Auch Fmueugelächter erklang in der
Lichtung, wenn die Jagdfalken aus den Ketten hochgingen von den beHand-
schichten, schönen Händen der Burgfrauen und Burgtöchter und dann der Reiher
aus den Lüften verendend nieder ins Waldgras ging.

Das alles war ferne.

Schon einst war einer Derer van Doorn immer auch dem Himmel ein
Geweihter gewesen, wenn die eisernen Ritter und die in der Kapelle der Burg
knienden Edelfrauen Gott zu danken hatten für den Segen des Raubes und der
Herrschaft. Und schon mancher Zweite des Geschlechts hatte früh den Erden-
freuden Allgen und Sinne verschließen müssen, hatte die heißen Einsamkeiten der
Gottesweihe um sich gebreitet und Gott gesucht unter heiligen Tränen. Schlösser
und Burgen Derer van Doorn waren längst verfallen. Die Hauptlinie, ein
altes, kinderloses Ehepaar, besaß noch ein stilles, vornehmes Palais auf einem
vereinsamten Platze, der dem Königsschlosse nahe lag, und auf dein die Wasser
aus einem alten, verwitterten, grünlich belaufenen Steinbrunnen in gewundenen
Bogen ohne Unterlaß durcheinander sprangen und eintönig und ewig denselben


Gmizboli!» I tgi2 17
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[0137] [Abbildung] Gin später Derer van Doorn vo» Carl l^ciuptmnnn Erstes Kapitel ieronnmus van Doorn stammte aus einem alten Adelsgeschlechte. Die Väter hatten auf Schlössern der Grafschaft Westflandern gehaust und waren in sechsspännigen, schwer in Federn hängenden, prunkhaften Reisewagen mit berittener Dienerschaft durch die Lande und bis Paris gefahren. Oder sie hatten Trinkfeste auf ihren Burgen gehalten und den kostbarsten Wein aus großen Silberhumpen in bunter lärmender Runde getrunken. Oder sie waren im reichen Zuge mit Pagen und Knechten, Ritter und Damen mit fliegenden Bandelieren und fliegenden Reiher¬ federn im Barett in die Wälder um die Burg hinaus geritten, über die nieder¬ gelassenen Holzbrückeu polternd die Schar ruheloser Pferdehufe unter Ritter und Edelfrau, daß dann der Tann widerhallte vom Gekläff der Bracken und Leit¬ hunde. Und von: Brechen der Äste durch Dickicht und Dorn, wenn der Hirsch mit der Meute auf den Fersen hinstob. Auch Fmueugelächter erklang in der Lichtung, wenn die Jagdfalken aus den Ketten hochgingen von den beHand- schichten, schönen Händen der Burgfrauen und Burgtöchter und dann der Reiher aus den Lüften verendend nieder ins Waldgras ging. Das alles war ferne. Schon einst war einer Derer van Doorn immer auch dem Himmel ein Geweihter gewesen, wenn die eisernen Ritter und die in der Kapelle der Burg knienden Edelfrauen Gott zu danken hatten für den Segen des Raubes und der Herrschaft. Und schon mancher Zweite des Geschlechts hatte früh den Erden- freuden Allgen und Sinne verschließen müssen, hatte die heißen Einsamkeiten der Gottesweihe um sich gebreitet und Gott gesucht unter heiligen Tränen. Schlösser und Burgen Derer van Doorn waren längst verfallen. Die Hauptlinie, ein altes, kinderloses Ehepaar, besaß noch ein stilles, vornehmes Palais auf einem vereinsamten Platze, der dem Königsschlosse nahe lag, und auf dein die Wasser aus einem alten, verwitterten, grünlich belaufenen Steinbrunnen in gewundenen Bogen ohne Unterlaß durcheinander sprangen und eintönig und ewig denselben Gmizboli!» I tgi2 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/137>, abgerufen am 29.12.2024.