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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Der Schutz der deutschen Küste

daß dieser wertvolle Stützpunkt bei Beginn eines Krieges durch Handstreich in
die Hände eines Gegners fiele. Bor der Befestigung Borkums wäre dies
zweifelsohne möglich gewesen. Wenn die Armee hier der Marine in dankens¬
werter Weise einen Teil des Küstenschutzes abgenommen hat, um auch ihrer¬
seits teilzunehmen an der Wacht an der Nordsee, so wird man diese Tatsache
insofern freudig begrüßen können, als sie ein weiteres Bindeglied zwischen den
beiden, gleichem Zweck ihr Dasein verdankenden Schwesterwaffen bildet.

Daß Helgoland handstreichsicher ist, weiß jeder, der dort einmal als Bade¬
gast geweilt hat. Hier wird die englische Spionage, die an dieser einst englischen
Insel besonderes Interesse bekundet hat, nichts ausrichten können. Denn die
Insel ist leicht bewachbar, die Menschen leicht kontrollierbar, und überall ver¬
sperren bewaffnete Posten den Unbefugter den Zutritt zu den an allen Teilen
der Insel aus dem roten Fels wachsenden Geschützen. Wie weit der Insel
eine strategische Bedeutung zukommt, wird man den Fachmann fragen müssen.
Daß Helgoland als vorgeschobener Beobachtungsposten und als Stützpunkt für
leichte Streitkräfte im Kriege eine außerordentliche Rolle spielen wird, erkennt
auch der Laie. Seine Reede bildet in der inneren Bucht der deutschen Nordsee den
einzigen, etwas geschützten Ankerplatz für große Schiffe. Dieser liegt heute im
Machtbereich zahlreicher, moderner, gut gedeckter deutscher Geschütze. Er ist also
für jeden Gegner unbenützbar.

Über den Schutz der friesischen Inseln, soweit sie nicht bereits im Frieden
besetzt und befestigt sind, ist nichts bekannt. Man wird annehmen können, daß
wenn sie auch dein Gegner kaum begehrenswerte Angriffs objekte fein dürften,
ausreichende Maßnahmen zu ihrem Schutze, insbesondere gegen handstreich¬
artige Landungen vorgesehen sind.

Nur dem einen bisweilen in den Zeitungen auftauchenden Irrtum sei
hier widersprochen, das das Wattenmeer zwischen den Inseln und dem Fest¬
lande von Schiffen befahrbar sei. Es ist überall so flach, daß selbst kleine
Torpedoboote hier nicht fahren können und der Feind somit hier keine Stütz¬
punkte findet.

Nachdem so auseinandergesetzt ist, daß die deutschen Küsten und Flu߬
mündungen angriffsicher sind, und eine Landungsgefahr ziemlich ausgeschlossen
ist, sollen die folgenden Zeilen kurz die Gefahr einer Blockade durch einen zur
See beträchtlich überlegenen Gegner beleuchten und wie die deutschen Küsten
hiergegen geschützt sind oder geschützt werden können. Ganz allgemein gilt:
Die feindlichen Schiffe können im Schach gehalten werden auf dreierlei Art:
durch eine enge Kriegsblockade, durch eine weite Handelsblockade oder durch
Positionsstrategie.

Erstes Ziel der Seekriegführung eines überlegenen Gegners gegen die
deutsche Küste würde Erringung und Erhaltung der Seeherrschaft sein. In dem
Begriff der Seeherrschaft liegt zugleich Defensive und Offensive. Defensive
insofern, als der nach Seeherrschaft strebende Staat die eigene Hoheitsgrenze


Der Schutz der deutschen Küste

daß dieser wertvolle Stützpunkt bei Beginn eines Krieges durch Handstreich in
die Hände eines Gegners fiele. Bor der Befestigung Borkums wäre dies
zweifelsohne möglich gewesen. Wenn die Armee hier der Marine in dankens¬
werter Weise einen Teil des Küstenschutzes abgenommen hat, um auch ihrer¬
seits teilzunehmen an der Wacht an der Nordsee, so wird man diese Tatsache
insofern freudig begrüßen können, als sie ein weiteres Bindeglied zwischen den
beiden, gleichem Zweck ihr Dasein verdankenden Schwesterwaffen bildet.

Daß Helgoland handstreichsicher ist, weiß jeder, der dort einmal als Bade¬
gast geweilt hat. Hier wird die englische Spionage, die an dieser einst englischen
Insel besonderes Interesse bekundet hat, nichts ausrichten können. Denn die
Insel ist leicht bewachbar, die Menschen leicht kontrollierbar, und überall ver¬
sperren bewaffnete Posten den Unbefugter den Zutritt zu den an allen Teilen
der Insel aus dem roten Fels wachsenden Geschützen. Wie weit der Insel
eine strategische Bedeutung zukommt, wird man den Fachmann fragen müssen.
Daß Helgoland als vorgeschobener Beobachtungsposten und als Stützpunkt für
leichte Streitkräfte im Kriege eine außerordentliche Rolle spielen wird, erkennt
auch der Laie. Seine Reede bildet in der inneren Bucht der deutschen Nordsee den
einzigen, etwas geschützten Ankerplatz für große Schiffe. Dieser liegt heute im
Machtbereich zahlreicher, moderner, gut gedeckter deutscher Geschütze. Er ist also
für jeden Gegner unbenützbar.

Über den Schutz der friesischen Inseln, soweit sie nicht bereits im Frieden
besetzt und befestigt sind, ist nichts bekannt. Man wird annehmen können, daß
wenn sie auch dein Gegner kaum begehrenswerte Angriffs objekte fein dürften,
ausreichende Maßnahmen zu ihrem Schutze, insbesondere gegen handstreich¬
artige Landungen vorgesehen sind.

Nur dem einen bisweilen in den Zeitungen auftauchenden Irrtum sei
hier widersprochen, das das Wattenmeer zwischen den Inseln und dem Fest¬
lande von Schiffen befahrbar sei. Es ist überall so flach, daß selbst kleine
Torpedoboote hier nicht fahren können und der Feind somit hier keine Stütz¬
punkte findet.

Nachdem so auseinandergesetzt ist, daß die deutschen Küsten und Flu߬
mündungen angriffsicher sind, und eine Landungsgefahr ziemlich ausgeschlossen
ist, sollen die folgenden Zeilen kurz die Gefahr einer Blockade durch einen zur
See beträchtlich überlegenen Gegner beleuchten und wie die deutschen Küsten
hiergegen geschützt sind oder geschützt werden können. Ganz allgemein gilt:
Die feindlichen Schiffe können im Schach gehalten werden auf dreierlei Art:
durch eine enge Kriegsblockade, durch eine weite Handelsblockade oder durch
Positionsstrategie.

Erstes Ziel der Seekriegführung eines überlegenen Gegners gegen die
deutsche Küste würde Erringung und Erhaltung der Seeherrschaft sein. In dem
Begriff der Seeherrschaft liegt zugleich Defensive und Offensive. Defensive
insofern, als der nach Seeherrschaft strebende Staat die eigene Hoheitsgrenze


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[0118] Der Schutz der deutschen Küste daß dieser wertvolle Stützpunkt bei Beginn eines Krieges durch Handstreich in die Hände eines Gegners fiele. Bor der Befestigung Borkums wäre dies zweifelsohne möglich gewesen. Wenn die Armee hier der Marine in dankens¬ werter Weise einen Teil des Küstenschutzes abgenommen hat, um auch ihrer¬ seits teilzunehmen an der Wacht an der Nordsee, so wird man diese Tatsache insofern freudig begrüßen können, als sie ein weiteres Bindeglied zwischen den beiden, gleichem Zweck ihr Dasein verdankenden Schwesterwaffen bildet. Daß Helgoland handstreichsicher ist, weiß jeder, der dort einmal als Bade¬ gast geweilt hat. Hier wird die englische Spionage, die an dieser einst englischen Insel besonderes Interesse bekundet hat, nichts ausrichten können. Denn die Insel ist leicht bewachbar, die Menschen leicht kontrollierbar, und überall ver¬ sperren bewaffnete Posten den Unbefugter den Zutritt zu den an allen Teilen der Insel aus dem roten Fels wachsenden Geschützen. Wie weit der Insel eine strategische Bedeutung zukommt, wird man den Fachmann fragen müssen. Daß Helgoland als vorgeschobener Beobachtungsposten und als Stützpunkt für leichte Streitkräfte im Kriege eine außerordentliche Rolle spielen wird, erkennt auch der Laie. Seine Reede bildet in der inneren Bucht der deutschen Nordsee den einzigen, etwas geschützten Ankerplatz für große Schiffe. Dieser liegt heute im Machtbereich zahlreicher, moderner, gut gedeckter deutscher Geschütze. Er ist also für jeden Gegner unbenützbar. Über den Schutz der friesischen Inseln, soweit sie nicht bereits im Frieden besetzt und befestigt sind, ist nichts bekannt. Man wird annehmen können, daß wenn sie auch dein Gegner kaum begehrenswerte Angriffs objekte fein dürften, ausreichende Maßnahmen zu ihrem Schutze, insbesondere gegen handstreich¬ artige Landungen vorgesehen sind. Nur dem einen bisweilen in den Zeitungen auftauchenden Irrtum sei hier widersprochen, das das Wattenmeer zwischen den Inseln und dem Fest¬ lande von Schiffen befahrbar sei. Es ist überall so flach, daß selbst kleine Torpedoboote hier nicht fahren können und der Feind somit hier keine Stütz¬ punkte findet. Nachdem so auseinandergesetzt ist, daß die deutschen Küsten und Flu߬ mündungen angriffsicher sind, und eine Landungsgefahr ziemlich ausgeschlossen ist, sollen die folgenden Zeilen kurz die Gefahr einer Blockade durch einen zur See beträchtlich überlegenen Gegner beleuchten und wie die deutschen Küsten hiergegen geschützt sind oder geschützt werden können. Ganz allgemein gilt: Die feindlichen Schiffe können im Schach gehalten werden auf dreierlei Art: durch eine enge Kriegsblockade, durch eine weite Handelsblockade oder durch Positionsstrategie. Erstes Ziel der Seekriegführung eines überlegenen Gegners gegen die deutsche Küste würde Erringung und Erhaltung der Seeherrschaft sein. In dem Begriff der Seeherrschaft liegt zugleich Defensive und Offensive. Defensive insofern, als der nach Seeherrschaft strebende Staat die eigene Hoheitsgrenze

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/118>, abgerufen am 20.10.2024.