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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Das Glück des Hauses Rottland

"Ich denke gar nicht daran. Wir werden ganz en iamille sein. Vielleicht
noch ein paar Freunde. Aber meinen ober neveu zu Wachendorf werde ich auf
alle Fälle invitieren."

"süperbe! Das ist eine excellente iäee," meinte Frau v. Ödinghoven. "Er
wird die invitaticm natürlich nicht annehmen."

, "Aber er wird vor inäiAnation platzen," äußerte Schwester Felizitas mit
Genugtuung.

"Jedenfalls soll er erfahren, daß sein calcul nicht stimmt."

Herr Salentin schmunzelte und verließ das Zimmer, um sich seines Staats¬
kostüms zu entledigen. Er hatte das Gefühl, auf der ganzen Linie gesiegt zu
haben, und nahm, während er die Treppe hinanstieg, die vierte Strophe seines
Leibliedes wieder auf.

Die beiden alten Damen lauschten, seufzten und sahen einander kopf¬
schüttelnd an.

"Was sagst du zu dieser desperaten resolution, liebe Netto.?" fragte die Priorin.

"Ich bin sprachlos, ma euere!" stöhnte Frau v. Ödinghoven. Aber es
mußte mit ihrer Sprachlosigkeit doch wohl nicht so schlimm sein, denn sie fuhr
fort: "Ich hätte Salentin alles zugetraut, nur das nicht, daß er uns eine simple
Bauerndirne als belle-soeur ins Haus bringen würde. Hat man je so etwas
gehört: ein Friemersheim heiratet ein Mädchen s-ins kamillel Es ist norriblsl
Wenn das unsere selige Mutter erlebt hätte! Der war eigentlich schon die
v. Pallandt nicht vornehm genug, denn sie hatte sich immer eine Comtesse als
belle-MIe gewünscht. Und nun das! Und er hätte doch jede äemoiselle von
ciistinction bekommen können! Hätte er uns doch nur vorher um unsere opinion
gefragt, wir würden ihm doch den allerbesten conseil gegeben haben! Bedenke
nur die elikkerenee im Alter! Er ist zweiundsechzig und sie? Sie kann höchstens
zwanzig sein. IVlon allen. mon allen!"

"Das ist die Begierde des Fleisches," jammerte Schwester Felizitas. "Das
Erschrecklichste ist, daß auch wir nicht frei von Schuld sind. Wir haben immer
nur für seine leibliche prosperits gebetet, nicht für sein Seelenheil. Nun schickt
uns Gott die Strafe."

Sie ging an den Wandschrank, holte die Karaffe mit dem Muskateller heraus
und schenkte sich mit bekümmerten Mienen ein Gläschen des süßen Trankes ein.
Und während sie den würzigen Trost mit zitternder Hand an die Lippen führte,
hörte sie, wie im oberen Stockwerk ein Paar schwerer Stiefel polternd und sporen¬
klirrend auf die Diele flog, und wie der Kehrreim:

mit triumphierender Gewalt durch das Haus dröhnte. (Fortsetzung folgt.)




Das Glück des Hauses Rottland

„Ich denke gar nicht daran. Wir werden ganz en iamille sein. Vielleicht
noch ein paar Freunde. Aber meinen ober neveu zu Wachendorf werde ich auf
alle Fälle invitieren."

„süperbe! Das ist eine excellente iäee," meinte Frau v. Ödinghoven. „Er
wird die invitaticm natürlich nicht annehmen."

, „Aber er wird vor inäiAnation platzen," äußerte Schwester Felizitas mit
Genugtuung.

„Jedenfalls soll er erfahren, daß sein calcul nicht stimmt."

Herr Salentin schmunzelte und verließ das Zimmer, um sich seines Staats¬
kostüms zu entledigen. Er hatte das Gefühl, auf der ganzen Linie gesiegt zu
haben, und nahm, während er die Treppe hinanstieg, die vierte Strophe seines
Leibliedes wieder auf.

Die beiden alten Damen lauschten, seufzten und sahen einander kopf¬
schüttelnd an.

„Was sagst du zu dieser desperaten resolution, liebe Netto.?" fragte die Priorin.

„Ich bin sprachlos, ma euere!" stöhnte Frau v. Ödinghoven. Aber es
mußte mit ihrer Sprachlosigkeit doch wohl nicht so schlimm sein, denn sie fuhr
fort: „Ich hätte Salentin alles zugetraut, nur das nicht, daß er uns eine simple
Bauerndirne als belle-soeur ins Haus bringen würde. Hat man je so etwas
gehört: ein Friemersheim heiratet ein Mädchen s-ins kamillel Es ist norriblsl
Wenn das unsere selige Mutter erlebt hätte! Der war eigentlich schon die
v. Pallandt nicht vornehm genug, denn sie hatte sich immer eine Comtesse als
belle-MIe gewünscht. Und nun das! Und er hätte doch jede äemoiselle von
ciistinction bekommen können! Hätte er uns doch nur vorher um unsere opinion
gefragt, wir würden ihm doch den allerbesten conseil gegeben haben! Bedenke
nur die elikkerenee im Alter! Er ist zweiundsechzig und sie? Sie kann höchstens
zwanzig sein. IVlon allen. mon allen!"

„Das ist die Begierde des Fleisches," jammerte Schwester Felizitas. „Das
Erschrecklichste ist, daß auch wir nicht frei von Schuld sind. Wir haben immer
nur für seine leibliche prosperits gebetet, nicht für sein Seelenheil. Nun schickt
uns Gott die Strafe."

Sie ging an den Wandschrank, holte die Karaffe mit dem Muskateller heraus
und schenkte sich mit bekümmerten Mienen ein Gläschen des süßen Trankes ein.
Und während sie den würzigen Trost mit zitternder Hand an die Lippen führte,
hörte sie, wie im oberen Stockwerk ein Paar schwerer Stiefel polternd und sporen¬
klirrend auf die Diele flog, und wie der Kehrreim:

mit triumphierender Gewalt durch das Haus dröhnte. (Fortsetzung folgt.)




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[0094] Das Glück des Hauses Rottland „Ich denke gar nicht daran. Wir werden ganz en iamille sein. Vielleicht noch ein paar Freunde. Aber meinen ober neveu zu Wachendorf werde ich auf alle Fälle invitieren." „süperbe! Das ist eine excellente iäee," meinte Frau v. Ödinghoven. „Er wird die invitaticm natürlich nicht annehmen." , „Aber er wird vor inäiAnation platzen," äußerte Schwester Felizitas mit Genugtuung. „Jedenfalls soll er erfahren, daß sein calcul nicht stimmt." Herr Salentin schmunzelte und verließ das Zimmer, um sich seines Staats¬ kostüms zu entledigen. Er hatte das Gefühl, auf der ganzen Linie gesiegt zu haben, und nahm, während er die Treppe hinanstieg, die vierte Strophe seines Leibliedes wieder auf. Die beiden alten Damen lauschten, seufzten und sahen einander kopf¬ schüttelnd an. „Was sagst du zu dieser desperaten resolution, liebe Netto.?" fragte die Priorin. „Ich bin sprachlos, ma euere!" stöhnte Frau v. Ödinghoven. Aber es mußte mit ihrer Sprachlosigkeit doch wohl nicht so schlimm sein, denn sie fuhr fort: „Ich hätte Salentin alles zugetraut, nur das nicht, daß er uns eine simple Bauerndirne als belle-soeur ins Haus bringen würde. Hat man je so etwas gehört: ein Friemersheim heiratet ein Mädchen s-ins kamillel Es ist norriblsl Wenn das unsere selige Mutter erlebt hätte! Der war eigentlich schon die v. Pallandt nicht vornehm genug, denn sie hatte sich immer eine Comtesse als belle-MIe gewünscht. Und nun das! Und er hätte doch jede äemoiselle von ciistinction bekommen können! Hätte er uns doch nur vorher um unsere opinion gefragt, wir würden ihm doch den allerbesten conseil gegeben haben! Bedenke nur die elikkerenee im Alter! Er ist zweiundsechzig und sie? Sie kann höchstens zwanzig sein. IVlon allen. mon allen!" „Das ist die Begierde des Fleisches," jammerte Schwester Felizitas. „Das Erschrecklichste ist, daß auch wir nicht frei von Schuld sind. Wir haben immer nur für seine leibliche prosperits gebetet, nicht für sein Seelenheil. Nun schickt uns Gott die Strafe." Sie ging an den Wandschrank, holte die Karaffe mit dem Muskateller heraus und schenkte sich mit bekümmerten Mienen ein Gläschen des süßen Trankes ein. Und während sie den würzigen Trost mit zitternder Hand an die Lippen führte, hörte sie, wie im oberen Stockwerk ein Paar schwerer Stiefel polternd und sporen¬ klirrend auf die Diele flog, und wie der Kehrreim: mit triumphierender Gewalt durch das Haus dröhnte. (Fortsetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/94>, abgerufen am 23.07.2024.