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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Mlhelm v, Humboldt

heilen voneinander zu trennen. Männer von durchaus frommer Gesinnung
unterstützten den Vorschlag, während Humboldt, der Freund und Bewunderer
heidnischen Griechentums, widersprach und beides vereinigt halten wollte.
Dafür entschied sich auch der Minister Graf Dohna. So wurde dieser folgen¬
schwere Bund befestigt. Ihn zu lösen würde heute, nach hundertjähriger Dauer,
sehr viel schwieriger sein als in jener Zeit allgemeiner Neubildung; und wo
doch die Frage zur Diskussion gestellt werden sollte, würde das Für und
Wider zwischen Vertretern verschiedener religiöser Ansichten vielleicht umgekehrt
verteilt sein wie damals.

Humboldts Hauptberater in Sachen der höheren Schulen wurde Joh. Wilh.
Süvern, früher Gymnasialdirektor in Elbing, seit 1807 Professor der Philologie
und Geschichte in Königsberg. Außerdem aber wünschte Humboldt ganze Körper¬
schaften zur Seite zu haben, deren Aufgabe es wäre, neue Unterrichtsmethoden
und Erziehungstifteme zu begutachten, neue Lehrpläne zu entwerfen, die künftigen
Lehrer zu prüfen, Vorschläge aus dem Publikum entgegenzunehmen und zu
beurteilen, "womit jedoch keinerlei Verwaltungskompetenz verbunden sein sollte".
Dies wurden die "Wissenschaftlicher Deputationen für den öffentlichen Unter¬
richt" in Berlin, Königsberg und Breslau. Erster Direktor der Berliner Depu¬
tation wurde Schleiermacher, der dann von dieser Stelle aus wertvolle An¬
regungen gegeben hat. Im ganzen aber erwies sich das Programm der
wissenschaftlichen Deputationen, "ewig auf Verbesserungen zu spekulieren", als
nicht durchführbar; sie tränkten an der Schwierigkeit, daß ihnen keine greifbaren
Schwierigkeiten zu überwinden gegeben waren. Die kämpfende Berührung mit
der Wirklichkeit der Dinge, mit dem Publikum wie mit anderen Behörden,
fehlte, und damit der feste Anhalt für eigenes Wirken. Ihre einzige recht
praktische Aufgabe war die Prüfung der Lehrer, und an dieser Stelle hat sich
dann auch eine bestimmte Verwaltungskompetenz entwickelt. Die heutigen "Wissen¬
schaftlicher Prüfungskommissionen" sind eine etwas engbrüstige Nachkommen¬
schaft jener groß und frei gedachten Organisation.

Das Höchste, was Humboldt positiv geschaffen hat, war die Gründung der
Universität Berlin. Der Gedanke, daß der Staat durch geistige Kräfte ersetzen
müsse, was ihn: an physischen verloren war, hatte von vornherein den Beifall
des Königs. Aber zwei Vorfragen blieben: ob eine Universität alten Stiles zu
gründen sei? und, ob in Berlin oder einer kleineren Stadt. Für die Wahl
von Berlin gewann Humboldt die entscheidende Zustimmung des Finanzministers
v. Altenstein durch den Hinweis auf die schon vorhandenen wissenschaft¬
lichen Institute, die man doch weder aus der Hauptstadt wegverlegen noch
unvollständig lassen könne. Jnbezug auf den anderen, wichtigeren Punkt lag
aus den neunziger Jahren, aus der Amtszeit des Ministers v. Massow. ein
Plan vor, den Bestand wissenschaftlicher Fachschulen in Berlin zu erhalten und
zu ergänzen, sie aber nicht zu einer Universität zu verschmelzen und die Pflege
allgemein-wissenschaftlicher Bildung ganz den Gymnasien zu überlassen. Dieser


Grenzboten IV 1911 8
Mlhelm v, Humboldt

heilen voneinander zu trennen. Männer von durchaus frommer Gesinnung
unterstützten den Vorschlag, während Humboldt, der Freund und Bewunderer
heidnischen Griechentums, widersprach und beides vereinigt halten wollte.
Dafür entschied sich auch der Minister Graf Dohna. So wurde dieser folgen¬
schwere Bund befestigt. Ihn zu lösen würde heute, nach hundertjähriger Dauer,
sehr viel schwieriger sein als in jener Zeit allgemeiner Neubildung; und wo
doch die Frage zur Diskussion gestellt werden sollte, würde das Für und
Wider zwischen Vertretern verschiedener religiöser Ansichten vielleicht umgekehrt
verteilt sein wie damals.

Humboldts Hauptberater in Sachen der höheren Schulen wurde Joh. Wilh.
Süvern, früher Gymnasialdirektor in Elbing, seit 1807 Professor der Philologie
und Geschichte in Königsberg. Außerdem aber wünschte Humboldt ganze Körper¬
schaften zur Seite zu haben, deren Aufgabe es wäre, neue Unterrichtsmethoden
und Erziehungstifteme zu begutachten, neue Lehrpläne zu entwerfen, die künftigen
Lehrer zu prüfen, Vorschläge aus dem Publikum entgegenzunehmen und zu
beurteilen, „womit jedoch keinerlei Verwaltungskompetenz verbunden sein sollte".
Dies wurden die „Wissenschaftlicher Deputationen für den öffentlichen Unter¬
richt" in Berlin, Königsberg und Breslau. Erster Direktor der Berliner Depu¬
tation wurde Schleiermacher, der dann von dieser Stelle aus wertvolle An¬
regungen gegeben hat. Im ganzen aber erwies sich das Programm der
wissenschaftlichen Deputationen, „ewig auf Verbesserungen zu spekulieren", als
nicht durchführbar; sie tränkten an der Schwierigkeit, daß ihnen keine greifbaren
Schwierigkeiten zu überwinden gegeben waren. Die kämpfende Berührung mit
der Wirklichkeit der Dinge, mit dem Publikum wie mit anderen Behörden,
fehlte, und damit der feste Anhalt für eigenes Wirken. Ihre einzige recht
praktische Aufgabe war die Prüfung der Lehrer, und an dieser Stelle hat sich
dann auch eine bestimmte Verwaltungskompetenz entwickelt. Die heutigen „Wissen¬
schaftlicher Prüfungskommissionen" sind eine etwas engbrüstige Nachkommen¬
schaft jener groß und frei gedachten Organisation.

Das Höchste, was Humboldt positiv geschaffen hat, war die Gründung der
Universität Berlin. Der Gedanke, daß der Staat durch geistige Kräfte ersetzen
müsse, was ihn: an physischen verloren war, hatte von vornherein den Beifall
des Königs. Aber zwei Vorfragen blieben: ob eine Universität alten Stiles zu
gründen sei? und, ob in Berlin oder einer kleineren Stadt. Für die Wahl
von Berlin gewann Humboldt die entscheidende Zustimmung des Finanzministers
v. Altenstein durch den Hinweis auf die schon vorhandenen wissenschaft¬
lichen Institute, die man doch weder aus der Hauptstadt wegverlegen noch
unvollständig lassen könne. Jnbezug auf den anderen, wichtigeren Punkt lag
aus den neunziger Jahren, aus der Amtszeit des Ministers v. Massow. ein
Plan vor, den Bestand wissenschaftlicher Fachschulen in Berlin zu erhalten und
zu ergänzen, sie aber nicht zu einer Universität zu verschmelzen und die Pflege
allgemein-wissenschaftlicher Bildung ganz den Gymnasien zu überlassen. Dieser


Grenzboten IV 1911 8
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/69>, abgerufen am 23.07.2024.