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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Aus dem Königreich Hellas

ihren Stellungen belassen werden. Die Regierung war über das Treiben der
Liga im großen und ganzen unterrichtet. Im Sommer des Jahres 1909 trat
die Offiziersliga in die Öffentlichkeit. In der Nacht vom 27. zum 28. August 1909
rückte die ganze Garnison von Athen unter dem Befehl des Obersten Zorbas
nach Gudhi, in die Nähe der Stadt, dieselbe dem Schutze der Gendarmerie
überlassend. Die königstreuen Kavallerieoffiziere Oberstleutnant Metaxas; Ritt¬
meister Kalinsky, Leutnant Vassos und Dimopulos wollten ihre Schwadronen
auf dem Marsche nach Gudhi wieder in ihre Kaserne an der Kephissiastraße
zurückführen. Auf Befehl des Obersten Zorbas wurden sie indessen verhaftet
und ihres Grades verlustig erklärt. Im nächsten Jahre aber sind diese Offiziere
wieder in ihren alten Rang und ihre Stellung eingesetzt worden. Am nächsten
Morgen überreichte ein Ordonnanzoffizier des Obersten Zorbas dem Ministerium
Ralli in Athen eine Reihe von Forderungen, darunter Abschaffung der Vor¬
rechte der königlichen Prinzen, Entfernung derselben aus den: Heere, Nicht¬
zulassung von NichtMilitärs zum Kriegsministerposten u. a. Der Minister¬
präsident war so wenig über die ganze Bewegung unterrichtet worden, daß er
einige Tage vorher Abgesandte der Liga schroff abgewiesen hatte. Jetzt mußte
er einem Kabinette Mawromichali weichen, das schlecht und recht mit der Liga
paktierte. Nach Niederlegung ihrer Stellungen im Heere gingen die Prinzen
samt und sonders ins Ausland. Ein königliches Amnestiedekret für die An¬
führer deckte über den Tag von Gudhi den Schleier des Vergessens. Am
7. Oktober 1909 fand auf dem Aresfelde bei Athen eine große Volksversammlung
statt, welche die patriotischen Absichten der Offiziersliga vollkommen würdigte.
Sie sprach dem Heere, das sich zur Beseitigung des Parteibetriebes und zur
Verstärkung der militärischen und maritimen Kräfte des Landes erhoben habe,
ihr volles Vertrauen aus.

An diesem Tage stand die Offiziersliga auf dem Gipfel ihrer Macht. Mit
der Zeit begannen aber die Sympathien des Volkes langsam zu erkalten.
Schuld daran war, daß sich in der Liga zwei verschiedene Parteien vereinigt
hatten. Zudem fehlte von vornherein eine straffe Oberleitung. Oberst Zorbas
war weit mehr ein Geführter, denn ein Führer. Die ganze Arbeit lag in den
Händen einzelner Sektionen. Die Mehrheit derselben entschied. Dissonanzen
waren unausbleiblich. Das von dem Korvettenkapitän Typaldos in Szene gesetzte
Gefecht von Salamis war ein Schlag gegen die Offiziersliga. Bei dieser
Gelegenheit beteuerte der alte Admiral Miaulis im Namen der von ihm befehligten
Schiffe dein König Georgios gegenüber seine Königstreue. Die Liga fing an
sich mit Fragen der Gesetzgebung und Verwaltung zu befassen, die ihrem mili¬
tärischen Charakter gänzlich fern lagen. Hier sowohl wie bei Einmischung in
Angelegenheiten rein persönlicher Natur bewies sie wenig Geschick. Auch begann
sie ihre Gesinnungsgenossen im Avancement zu bevorzugen, wodurch sie im
übrigen Offizierkorps böses Blut erregte. Das von der Liga unterstützte
Ministerium Mawromichali begann sich ihrem Einflüsse langsam zu entziehen.


Aus dem Königreich Hellas

ihren Stellungen belassen werden. Die Regierung war über das Treiben der
Liga im großen und ganzen unterrichtet. Im Sommer des Jahres 1909 trat
die Offiziersliga in die Öffentlichkeit. In der Nacht vom 27. zum 28. August 1909
rückte die ganze Garnison von Athen unter dem Befehl des Obersten Zorbas
nach Gudhi, in die Nähe der Stadt, dieselbe dem Schutze der Gendarmerie
überlassend. Die königstreuen Kavallerieoffiziere Oberstleutnant Metaxas; Ritt¬
meister Kalinsky, Leutnant Vassos und Dimopulos wollten ihre Schwadronen
auf dem Marsche nach Gudhi wieder in ihre Kaserne an der Kephissiastraße
zurückführen. Auf Befehl des Obersten Zorbas wurden sie indessen verhaftet
und ihres Grades verlustig erklärt. Im nächsten Jahre aber sind diese Offiziere
wieder in ihren alten Rang und ihre Stellung eingesetzt worden. Am nächsten
Morgen überreichte ein Ordonnanzoffizier des Obersten Zorbas dem Ministerium
Ralli in Athen eine Reihe von Forderungen, darunter Abschaffung der Vor¬
rechte der königlichen Prinzen, Entfernung derselben aus den: Heere, Nicht¬
zulassung von NichtMilitärs zum Kriegsministerposten u. a. Der Minister¬
präsident war so wenig über die ganze Bewegung unterrichtet worden, daß er
einige Tage vorher Abgesandte der Liga schroff abgewiesen hatte. Jetzt mußte
er einem Kabinette Mawromichali weichen, das schlecht und recht mit der Liga
paktierte. Nach Niederlegung ihrer Stellungen im Heere gingen die Prinzen
samt und sonders ins Ausland. Ein königliches Amnestiedekret für die An¬
führer deckte über den Tag von Gudhi den Schleier des Vergessens. Am
7. Oktober 1909 fand auf dem Aresfelde bei Athen eine große Volksversammlung
statt, welche die patriotischen Absichten der Offiziersliga vollkommen würdigte.
Sie sprach dem Heere, das sich zur Beseitigung des Parteibetriebes und zur
Verstärkung der militärischen und maritimen Kräfte des Landes erhoben habe,
ihr volles Vertrauen aus.

An diesem Tage stand die Offiziersliga auf dem Gipfel ihrer Macht. Mit
der Zeit begannen aber die Sympathien des Volkes langsam zu erkalten.
Schuld daran war, daß sich in der Liga zwei verschiedene Parteien vereinigt
hatten. Zudem fehlte von vornherein eine straffe Oberleitung. Oberst Zorbas
war weit mehr ein Geführter, denn ein Führer. Die ganze Arbeit lag in den
Händen einzelner Sektionen. Die Mehrheit derselben entschied. Dissonanzen
waren unausbleiblich. Das von dem Korvettenkapitän Typaldos in Szene gesetzte
Gefecht von Salamis war ein Schlag gegen die Offiziersliga. Bei dieser
Gelegenheit beteuerte der alte Admiral Miaulis im Namen der von ihm befehligten
Schiffe dein König Georgios gegenüber seine Königstreue. Die Liga fing an
sich mit Fragen der Gesetzgebung und Verwaltung zu befassen, die ihrem mili¬
tärischen Charakter gänzlich fern lagen. Hier sowohl wie bei Einmischung in
Angelegenheiten rein persönlicher Natur bewies sie wenig Geschick. Auch begann
sie ihre Gesinnungsgenossen im Avancement zu bevorzugen, wodurch sie im
übrigen Offizierkorps böses Blut erregte. Das von der Liga unterstützte
Ministerium Mawromichali begann sich ihrem Einflüsse langsam zu entziehen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/64>, abgerufen am 23.07.2024.