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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Schutz dein deutschen Arbeiter in der Landwirtschaft

gehen, finden sich, unter Umständen gegen mäßige Entschädigung, leicht. Die Geld¬
beschaffung werden die Kreise eher übernehmen als die Siedlungen selbst. Auch
der Staat wird unter Bürgschaft der Kreise ebensogut Kredit eröffnen müssen,
wie er den provinziellen Ansiedlungsgesellschaften solchen zur Verfügung stellt.
Im Verband der Genossenschaften regelt sich die Technik schnell, so daß Fehler
der einzelnen Genossenschaften vermieden werden. Dabei wird die Landfrage
namentlich in den Gegenden mit zahlreichen Fideikommissen oft eine Rolle spielen.
Die Gebundenheit derselben ist nach dieser Richtung hin auf die Dauer
unerträglich. Dem stückweisen Abverkauf von Land bis zu einer Mindestgrenze
muß ohne Schwierigkeiten die Bahn eröffnet werden. Es ist unzulässig, daß
in volkreichen Gegenden in dieser Beziehung die Entwicklung verschlossen wird.
Ein neues Fideikommißgesetz, welches hierin nicht Spielraum schafft, würde
einen wesentlichen Teil seiner Aufgabe verfehlen. Anderseits würde es sich
unter dieser Perspektive in hohem Maße die Aussicht auf Erfolg sichern. In
der Provinz Posen hat die Siedlung der Arbeiter noch eine besondere politische
und nationale Bedeutung. Es steht fest, daß mit der Besiedlung des gesamten
polnischen Großgrundbesitzes durch deutsche Bauern die nummerische Überlegenheit
des Deutschtums nicht erreicht würde. Die große Anzahl der Häusler und
Büdner verhindert dies. Art ist nur durch Art zu überwinden. Ein politisches,
nicht in erster Linie ein wirtschaftliches Übergewicht über das Polentum -- das
verständige, aber auch begrenzte Endziel einer gesamten Staatsraison -- ist
nur möglich durch Massenansiedlung von deutschen Arbeitern.

Da darf man auch nicht zurückschrecken vor der Ansiedlung deutscher Sachsen¬
gänger. Was ist denn aus den von Friedrich dem Großen angesiedelten
Arbeitern im Oder- und Warthebruch geworden? Entweder sind sie Bauern
oder sie sind heute noch gern gesehene und hochbezahlte Sachsen gänger. Trotz¬
dem ihr Akkord viel teurer als der der Ausländer, nimmt sie der Großgrund¬
besitzer gern, weil ihre Arbeit "wohl auf den Arbeiterkopf berechnet teurer,
aber auf das Produkt berechnet billiger" ist. Damit fällt auch zum Teil die
Meinung, daß der ausländische Arbeiter wegen billigerer Lohnbedingungen vor¬
gezogen werde. Er wird in der Hauptsache deshalb genommen, weil keine
Wahl bleibt. Wären deutsche Qualitätsarbeiter vorhanden, manch einer würde
sie trotz höheren: Lohn vorziehen. Nur siebte man in Posen und Westpreußen
nicht einzelne Arbeiter in exponierten Gegenden an. Nur in größeren Massen
sind sie widerstandsfähig und müssen darin durch stete Nachsorge der Genossen¬
schaft gestärkt werden. Man kann heute polnische Güter kaum mehr erwerben.
Polnische Bauernhöfe sind öfter feil. Ist der Gedanke nicht tragfähig, daß man
mit deutschen Arbeitern ganze polnische Gemeinden majoristert? Dreißig bis
vierzig deutsche Arbeiter an einem Fleck, zwei Bauern mit Pferdegespann
dazwischen, die von der Genossenschaft vertraglich zu den Gespannarbeiten ver¬
pflichtet werden, Organisation der eigenen Bestellungs- und Erntearbeit durch
einige zurückbleibende Partner und Übernahme von Arbeit durch die übrigen


Schutz dein deutschen Arbeiter in der Landwirtschaft

gehen, finden sich, unter Umständen gegen mäßige Entschädigung, leicht. Die Geld¬
beschaffung werden die Kreise eher übernehmen als die Siedlungen selbst. Auch
der Staat wird unter Bürgschaft der Kreise ebensogut Kredit eröffnen müssen,
wie er den provinziellen Ansiedlungsgesellschaften solchen zur Verfügung stellt.
Im Verband der Genossenschaften regelt sich die Technik schnell, so daß Fehler
der einzelnen Genossenschaften vermieden werden. Dabei wird die Landfrage
namentlich in den Gegenden mit zahlreichen Fideikommissen oft eine Rolle spielen.
Die Gebundenheit derselben ist nach dieser Richtung hin auf die Dauer
unerträglich. Dem stückweisen Abverkauf von Land bis zu einer Mindestgrenze
muß ohne Schwierigkeiten die Bahn eröffnet werden. Es ist unzulässig, daß
in volkreichen Gegenden in dieser Beziehung die Entwicklung verschlossen wird.
Ein neues Fideikommißgesetz, welches hierin nicht Spielraum schafft, würde
einen wesentlichen Teil seiner Aufgabe verfehlen. Anderseits würde es sich
unter dieser Perspektive in hohem Maße die Aussicht auf Erfolg sichern. In
der Provinz Posen hat die Siedlung der Arbeiter noch eine besondere politische
und nationale Bedeutung. Es steht fest, daß mit der Besiedlung des gesamten
polnischen Großgrundbesitzes durch deutsche Bauern die nummerische Überlegenheit
des Deutschtums nicht erreicht würde. Die große Anzahl der Häusler und
Büdner verhindert dies. Art ist nur durch Art zu überwinden. Ein politisches,
nicht in erster Linie ein wirtschaftliches Übergewicht über das Polentum — das
verständige, aber auch begrenzte Endziel einer gesamten Staatsraison — ist
nur möglich durch Massenansiedlung von deutschen Arbeitern.

Da darf man auch nicht zurückschrecken vor der Ansiedlung deutscher Sachsen¬
gänger. Was ist denn aus den von Friedrich dem Großen angesiedelten
Arbeitern im Oder- und Warthebruch geworden? Entweder sind sie Bauern
oder sie sind heute noch gern gesehene und hochbezahlte Sachsen gänger. Trotz¬
dem ihr Akkord viel teurer als der der Ausländer, nimmt sie der Großgrund¬
besitzer gern, weil ihre Arbeit „wohl auf den Arbeiterkopf berechnet teurer,
aber auf das Produkt berechnet billiger" ist. Damit fällt auch zum Teil die
Meinung, daß der ausländische Arbeiter wegen billigerer Lohnbedingungen vor¬
gezogen werde. Er wird in der Hauptsache deshalb genommen, weil keine
Wahl bleibt. Wären deutsche Qualitätsarbeiter vorhanden, manch einer würde
sie trotz höheren: Lohn vorziehen. Nur siebte man in Posen und Westpreußen
nicht einzelne Arbeiter in exponierten Gegenden an. Nur in größeren Massen
sind sie widerstandsfähig und müssen darin durch stete Nachsorge der Genossen¬
schaft gestärkt werden. Man kann heute polnische Güter kaum mehr erwerben.
Polnische Bauernhöfe sind öfter feil. Ist der Gedanke nicht tragfähig, daß man
mit deutschen Arbeitern ganze polnische Gemeinden majoristert? Dreißig bis
vierzig deutsche Arbeiter an einem Fleck, zwei Bauern mit Pferdegespann
dazwischen, die von der Genossenschaft vertraglich zu den Gespannarbeiten ver¬
pflichtet werden, Organisation der eigenen Bestellungs- und Erntearbeit durch
einige zurückbleibende Partner und Übernahme von Arbeit durch die übrigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/630>, abgerufen am 23.07.2024.