Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Schutz dein deutschen Arbeiter in der Landwirtschaft

wirklich nicht so fern. Liegen Gut und Gemeinde im räumlichen Zusammen¬
hang, so ist die Ansiedlung der Arbeiter mit Rücksicht auf die Hypotheken-
Verhältnisse in letzterer meistens leichter. Es ist dagegen auch nichts einzuwenden.
Nur muß dann Gutsbezirk und Gemeinde vorher zu einem Zweckverband hin¬
sichtlich der Armen- und Schullasten vereinigt werden, damit nicht etwa der
Gutsbezirk den Vorteil, die Gemeinde den Nachteil hat. Aber auch die Siedlung
im Gutsbezirk selbst sollte mit allen Mitteln betrieben werden. Erfahrungs¬
mäßig liegt der Schwerpunkt für ein gutes Verhältnis mit dem Arbeiter, der
sich für die Erntezeit gegen die Leistung der Gespannarbeiten für seinen Besitz
bindet, in der rechtzeitigen Ausfühlung derselben und in dem zielbewußter
Streben des Arbeitgebers, seinem Mithelfer eine gute Ernte zu schaffen. Da
dauernd Arbeitsgelegenheit vorhanden ist, ergibt sich dann von selbst ein dauerndes
Arbeitsverhältnis, das geschriebener Verträge kaun: mehr bedarf. Es soll hier
besonders betont werden, daß derartige Vorgänge nicht Mutmaßungen entspringen,
sondern dem wirklichen Leben in verschiedenen Variationen entnommen sind.

Also Bahn frei für lebensfähige Organisationen, die die Seßhaftmachung
der Arbeiter betreiben, und fort mit allen Bedenken und Erwägungen, von
denen nur eine wirkliche Berechtigung hat, d. i. die ^Voraussetzung sicherer
Arbeitsgelegenheit!

Wie aber ist aus der zerfahrenen Lage herauszukommen und welche Wege
können zum Ziele führen? Siedlung der Arbeiter ist Kleinarbeit. Kleinarbeit
erfordert besondere Liebe und Sorge. Am besten erfüllt diese Bedingungen die
Genossenschaft, auch um deswillen, weil mit der Übergabe der Siedlung durchaus
nicht immer die Fürsorge für den Siedler abgeschlossen ist und es noch oft der
Nachsorge bedarf, um dem oft hart kämpfenden übernehmer den Mut und die
Tatkraft zu stählen. Als Genossenschaften kommen in Betracht der Staat als
größter Großgrundbesitzer für seine Domänen. Alljährlich werden solche pacht¬
frei. Die Aussonderung von Land für eine Reihe von Familien sowie die
Geldbeschaffung machen keine Schwierigkeiten. Das Abgeordnetenhaus winde
jede Summe zu Versuchen bewilligen.

Eine zweite Genossenschaft, die all der Sicherung von Arbeitskräften außer¬
ordentlich interessiert erscheint, ist die Landschaft. Sie gerade müßte und könnte
das Werk auf den Großgütern in Angriff nehmen, weil sie leicht die Hypotheken-
Verhältnisse regulieren und den Kredit beschaffen kann, bis die Umwandlung
der Siedlungsstellen in Ncntengüter erfolgt ist. Denn es wird sich empfehlen,
den Siedlungsbewerber zunächst auf drei Jahre als Pächter einzusetzen und erst
dann vielleicht ihm die Stelle als Eigentum zu übergeben. Die Landschaft
könnte aber auch den Zusammenschluß der Großgrundbesitzer zu einer Genossen¬
schaft ita IroL veranlassen und dieser nur indirekt ihre Unterstützung leihen.

Für die Landgemeinden werden sich freiwillige Genossenschaften bilden
lassen. Hier handelt es sich einmal um den Bau- und Einrichtungskredit und
denn um die Resthypotheken. Männer, die mit Liebe an die Sache heran-


Schutz dein deutschen Arbeiter in der Landwirtschaft

wirklich nicht so fern. Liegen Gut und Gemeinde im räumlichen Zusammen¬
hang, so ist die Ansiedlung der Arbeiter mit Rücksicht auf die Hypotheken-
Verhältnisse in letzterer meistens leichter. Es ist dagegen auch nichts einzuwenden.
Nur muß dann Gutsbezirk und Gemeinde vorher zu einem Zweckverband hin¬
sichtlich der Armen- und Schullasten vereinigt werden, damit nicht etwa der
Gutsbezirk den Vorteil, die Gemeinde den Nachteil hat. Aber auch die Siedlung
im Gutsbezirk selbst sollte mit allen Mitteln betrieben werden. Erfahrungs¬
mäßig liegt der Schwerpunkt für ein gutes Verhältnis mit dem Arbeiter, der
sich für die Erntezeit gegen die Leistung der Gespannarbeiten für seinen Besitz
bindet, in der rechtzeitigen Ausfühlung derselben und in dem zielbewußter
Streben des Arbeitgebers, seinem Mithelfer eine gute Ernte zu schaffen. Da
dauernd Arbeitsgelegenheit vorhanden ist, ergibt sich dann von selbst ein dauerndes
Arbeitsverhältnis, das geschriebener Verträge kaun: mehr bedarf. Es soll hier
besonders betont werden, daß derartige Vorgänge nicht Mutmaßungen entspringen,
sondern dem wirklichen Leben in verschiedenen Variationen entnommen sind.

Also Bahn frei für lebensfähige Organisationen, die die Seßhaftmachung
der Arbeiter betreiben, und fort mit allen Bedenken und Erwägungen, von
denen nur eine wirkliche Berechtigung hat, d. i. die ^Voraussetzung sicherer
Arbeitsgelegenheit!

Wie aber ist aus der zerfahrenen Lage herauszukommen und welche Wege
können zum Ziele führen? Siedlung der Arbeiter ist Kleinarbeit. Kleinarbeit
erfordert besondere Liebe und Sorge. Am besten erfüllt diese Bedingungen die
Genossenschaft, auch um deswillen, weil mit der Übergabe der Siedlung durchaus
nicht immer die Fürsorge für den Siedler abgeschlossen ist und es noch oft der
Nachsorge bedarf, um dem oft hart kämpfenden übernehmer den Mut und die
Tatkraft zu stählen. Als Genossenschaften kommen in Betracht der Staat als
größter Großgrundbesitzer für seine Domänen. Alljährlich werden solche pacht¬
frei. Die Aussonderung von Land für eine Reihe von Familien sowie die
Geldbeschaffung machen keine Schwierigkeiten. Das Abgeordnetenhaus winde
jede Summe zu Versuchen bewilligen.

Eine zweite Genossenschaft, die all der Sicherung von Arbeitskräften außer¬
ordentlich interessiert erscheint, ist die Landschaft. Sie gerade müßte und könnte
das Werk auf den Großgütern in Angriff nehmen, weil sie leicht die Hypotheken-
Verhältnisse regulieren und den Kredit beschaffen kann, bis die Umwandlung
der Siedlungsstellen in Ncntengüter erfolgt ist. Denn es wird sich empfehlen,
den Siedlungsbewerber zunächst auf drei Jahre als Pächter einzusetzen und erst
dann vielleicht ihm die Stelle als Eigentum zu übergeben. Die Landschaft
könnte aber auch den Zusammenschluß der Großgrundbesitzer zu einer Genossen¬
schaft ita IroL veranlassen und dieser nur indirekt ihre Unterstützung leihen.

Für die Landgemeinden werden sich freiwillige Genossenschaften bilden
lassen. Hier handelt es sich einmal um den Bau- und Einrichtungskredit und
denn um die Resthypotheken. Männer, die mit Liebe an die Sache heran-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0629" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320230"/>
          <fw type="header" place="top"> Schutz dein deutschen Arbeiter in der Landwirtschaft</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2708" prev="#ID_2707"> wirklich nicht so fern. Liegen Gut und Gemeinde im räumlichen Zusammen¬<lb/>
hang, so ist die Ansiedlung der Arbeiter mit Rücksicht auf die Hypotheken-<lb/>
Verhältnisse in letzterer meistens leichter. Es ist dagegen auch nichts einzuwenden.<lb/>
Nur muß dann Gutsbezirk und Gemeinde vorher zu einem Zweckverband hin¬<lb/>
sichtlich der Armen- und Schullasten vereinigt werden, damit nicht etwa der<lb/>
Gutsbezirk den Vorteil, die Gemeinde den Nachteil hat. Aber auch die Siedlung<lb/>
im Gutsbezirk selbst sollte mit allen Mitteln betrieben werden. Erfahrungs¬<lb/>
mäßig liegt der Schwerpunkt für ein gutes Verhältnis mit dem Arbeiter, der<lb/>
sich für die Erntezeit gegen die Leistung der Gespannarbeiten für seinen Besitz<lb/>
bindet, in der rechtzeitigen Ausfühlung derselben und in dem zielbewußter<lb/>
Streben des Arbeitgebers, seinem Mithelfer eine gute Ernte zu schaffen. Da<lb/>
dauernd Arbeitsgelegenheit vorhanden ist, ergibt sich dann von selbst ein dauerndes<lb/>
Arbeitsverhältnis, das geschriebener Verträge kaun: mehr bedarf. Es soll hier<lb/>
besonders betont werden, daß derartige Vorgänge nicht Mutmaßungen entspringen,<lb/>
sondern dem wirklichen Leben in verschiedenen Variationen entnommen sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2709"> Also Bahn frei für lebensfähige Organisationen, die die Seßhaftmachung<lb/>
der Arbeiter betreiben, und fort mit allen Bedenken und Erwägungen, von<lb/>
denen nur eine wirkliche Berechtigung hat, d. i. die ^Voraussetzung sicherer<lb/>
Arbeitsgelegenheit!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2710"> Wie aber ist aus der zerfahrenen Lage herauszukommen und welche Wege<lb/>
können zum Ziele führen? Siedlung der Arbeiter ist Kleinarbeit. Kleinarbeit<lb/>
erfordert besondere Liebe und Sorge. Am besten erfüllt diese Bedingungen die<lb/>
Genossenschaft, auch um deswillen, weil mit der Übergabe der Siedlung durchaus<lb/>
nicht immer die Fürsorge für den Siedler abgeschlossen ist und es noch oft der<lb/>
Nachsorge bedarf, um dem oft hart kämpfenden übernehmer den Mut und die<lb/>
Tatkraft zu stählen. Als Genossenschaften kommen in Betracht der Staat als<lb/>
größter Großgrundbesitzer für seine Domänen. Alljährlich werden solche pacht¬<lb/>
frei. Die Aussonderung von Land für eine Reihe von Familien sowie die<lb/>
Geldbeschaffung machen keine Schwierigkeiten. Das Abgeordnetenhaus winde<lb/>
jede Summe zu Versuchen bewilligen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2711"> Eine zweite Genossenschaft, die all der Sicherung von Arbeitskräften außer¬<lb/>
ordentlich interessiert erscheint, ist die Landschaft. Sie gerade müßte und könnte<lb/>
das Werk auf den Großgütern in Angriff nehmen, weil sie leicht die Hypotheken-<lb/>
Verhältnisse regulieren und den Kredit beschaffen kann, bis die Umwandlung<lb/>
der Siedlungsstellen in Ncntengüter erfolgt ist. Denn es wird sich empfehlen,<lb/>
den Siedlungsbewerber zunächst auf drei Jahre als Pächter einzusetzen und erst<lb/>
dann vielleicht ihm die Stelle als Eigentum zu übergeben. Die Landschaft<lb/>
könnte aber auch den Zusammenschluß der Großgrundbesitzer zu einer Genossen¬<lb/>
schaft ita IroL veranlassen und dieser nur indirekt ihre Unterstützung leihen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2712" next="#ID_2713"> Für die Landgemeinden werden sich freiwillige Genossenschaften bilden<lb/>
lassen. Hier handelt es sich einmal um den Bau- und Einrichtungskredit und<lb/>
denn um die Resthypotheken.  Männer, die mit Liebe an die Sache heran-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0629] Schutz dein deutschen Arbeiter in der Landwirtschaft wirklich nicht so fern. Liegen Gut und Gemeinde im räumlichen Zusammen¬ hang, so ist die Ansiedlung der Arbeiter mit Rücksicht auf die Hypotheken- Verhältnisse in letzterer meistens leichter. Es ist dagegen auch nichts einzuwenden. Nur muß dann Gutsbezirk und Gemeinde vorher zu einem Zweckverband hin¬ sichtlich der Armen- und Schullasten vereinigt werden, damit nicht etwa der Gutsbezirk den Vorteil, die Gemeinde den Nachteil hat. Aber auch die Siedlung im Gutsbezirk selbst sollte mit allen Mitteln betrieben werden. Erfahrungs¬ mäßig liegt der Schwerpunkt für ein gutes Verhältnis mit dem Arbeiter, der sich für die Erntezeit gegen die Leistung der Gespannarbeiten für seinen Besitz bindet, in der rechtzeitigen Ausfühlung derselben und in dem zielbewußter Streben des Arbeitgebers, seinem Mithelfer eine gute Ernte zu schaffen. Da dauernd Arbeitsgelegenheit vorhanden ist, ergibt sich dann von selbst ein dauerndes Arbeitsverhältnis, das geschriebener Verträge kaun: mehr bedarf. Es soll hier besonders betont werden, daß derartige Vorgänge nicht Mutmaßungen entspringen, sondern dem wirklichen Leben in verschiedenen Variationen entnommen sind. Also Bahn frei für lebensfähige Organisationen, die die Seßhaftmachung der Arbeiter betreiben, und fort mit allen Bedenken und Erwägungen, von denen nur eine wirkliche Berechtigung hat, d. i. die ^Voraussetzung sicherer Arbeitsgelegenheit! Wie aber ist aus der zerfahrenen Lage herauszukommen und welche Wege können zum Ziele führen? Siedlung der Arbeiter ist Kleinarbeit. Kleinarbeit erfordert besondere Liebe und Sorge. Am besten erfüllt diese Bedingungen die Genossenschaft, auch um deswillen, weil mit der Übergabe der Siedlung durchaus nicht immer die Fürsorge für den Siedler abgeschlossen ist und es noch oft der Nachsorge bedarf, um dem oft hart kämpfenden übernehmer den Mut und die Tatkraft zu stählen. Als Genossenschaften kommen in Betracht der Staat als größter Großgrundbesitzer für seine Domänen. Alljährlich werden solche pacht¬ frei. Die Aussonderung von Land für eine Reihe von Familien sowie die Geldbeschaffung machen keine Schwierigkeiten. Das Abgeordnetenhaus winde jede Summe zu Versuchen bewilligen. Eine zweite Genossenschaft, die all der Sicherung von Arbeitskräften außer¬ ordentlich interessiert erscheint, ist die Landschaft. Sie gerade müßte und könnte das Werk auf den Großgütern in Angriff nehmen, weil sie leicht die Hypotheken- Verhältnisse regulieren und den Kredit beschaffen kann, bis die Umwandlung der Siedlungsstellen in Ncntengüter erfolgt ist. Denn es wird sich empfehlen, den Siedlungsbewerber zunächst auf drei Jahre als Pächter einzusetzen und erst dann vielleicht ihm die Stelle als Eigentum zu übergeben. Die Landschaft könnte aber auch den Zusammenschluß der Großgrundbesitzer zu einer Genossen¬ schaft ita IroL veranlassen und dieser nur indirekt ihre Unterstützung leihen. Für die Landgemeinden werden sich freiwillige Genossenschaften bilden lassen. Hier handelt es sich einmal um den Bau- und Einrichtungskredit und denn um die Resthypotheken. Männer, die mit Liebe an die Sache heran-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/629
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/629>, abgerufen am 23.07.2024.