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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Aus B. R. Avckens Nachlaß

Als bescheidenen Ersatz für dieses preisgegebene Gedicht Schillers möge man
die zum Schluß mitgeteilten Bruchstücke eines unbekannten Gelegenheitsgedichtes
von Goethe hinnehmen, die Abeken seinem ehemaligen Studiengenossen, dem
Justizcommissartus F. C. Krause in Berlin brieflich mitteilt,




Wieland an Friederike Juliane Griesbach, geb. Schütz.")

Weimar, den 29sten Juli 1809.


Theuerste Freundin!

Ich kann mir die Befriedigung nicht versagen, Ihnen, wiewohl mit zitternder
Hand, für den herrlichen Brief, den unsere Luise"") so eben von Ihnen erhalten
hat, meinen innigsten Dank so warm, als er nach Lesung desselben aus meinem
Herzen kömmt, darzubringen. -- Die Wohlthat, die Sie meinem für alles Gute
empfänglichen Liebling dadurch erwiesen haben, ist größer, als ich Ihnen
beschreiben oder Sie sich selbst vorstellen können: denn ganz gewiß wird sie
jedes Wort dieses liebevollen Briefs in ihrem stillen Herzen wie ein Heiligthum
bewahren -- und dieß um so mehr, da er zugleich ein so schönes Denkmal --
der Liebe und Achtung ist, deren Sie die unvergeßliche Mutter""") und den Vater
des guten Mädchens gewürdigt haben. -- Doch ich muß abbrechen, mein Herz
ist zu voll, als daß ich nur den kleinsten Theil dessen, was ich fühle und Ihnen
so gern sagen möchte, zu Worte bringen könnte; aus eben dieser Ursach will
ich Ihnen anch mein dankbares Verlangen -- Sehnsucht hätt' ich sagen sollen --
vor Ihre gütige Einladung in Ihr Elysium (das ist es im eigentlichsten Sinn
des Worts für mich) Gebrauch zu machen, nicht durch Worte, sondern dadurch
zu beweisen, -- daß ich mich so bald nur möglich wieder in die Arme meiner
geliebtesten Freunde werfe -- denn wahrlich! meine ganze Seele sehnt sich,
wieder bei und mit Ihnen, theure Freundin! und mit Ihrem und meinem
Griesbach zu leben, Ihm, in welchem ich einen Bruder liebe und -- obschon
ich sein ältrer bin, einen Vater verehre --. So bald die seit einigen Tagen
sehr veränderliche Witterung einige anhaltend schöne heitre Tage hoffen läßt --
wird Ihnen die Wahrheit dieses Verlangens durch seine persönliche Erscheinung
beweisen

Ihrganz ergebner Wieland.



") Abschrift von unbekannter, wahrscheinlich (wegen der Fülle orthographischer Fehler)
weiblicher Hand. -- Die Adressatin, Schwester des Philologen und langjährigen Heraus¬
gebers der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung C. G, Schütz in Jena, war verheiratet
Mit dem Professor der Theologie Johann Jakob Griesbach in Jena. Das kinderlose Ehepaar
nahm sich der an sie empfohlenen Studenten jederzeit auf das herzlichste an, so auch Abekens,
der nicht müde wird, die echte Menschlichkeit und Güte beider zu preisen; ein Denkmal seiner
Verehrung ist seine Biographie Griesbachs (Zeitgenossen, Dritte Reihe I, 8, 3).
Tochter Wielands.
Wielands Gattin Anna Dorothea, geb. v, Hillenbrnnd, gestorben 1801 November 9.
Aus B. R. Avckens Nachlaß

Als bescheidenen Ersatz für dieses preisgegebene Gedicht Schillers möge man
die zum Schluß mitgeteilten Bruchstücke eines unbekannten Gelegenheitsgedichtes
von Goethe hinnehmen, die Abeken seinem ehemaligen Studiengenossen, dem
Justizcommissartus F. C. Krause in Berlin brieflich mitteilt,




Wieland an Friederike Juliane Griesbach, geb. Schütz.")

Weimar, den 29sten Juli 1809.


Theuerste Freundin!

Ich kann mir die Befriedigung nicht versagen, Ihnen, wiewohl mit zitternder
Hand, für den herrlichen Brief, den unsere Luise"") so eben von Ihnen erhalten
hat, meinen innigsten Dank so warm, als er nach Lesung desselben aus meinem
Herzen kömmt, darzubringen. — Die Wohlthat, die Sie meinem für alles Gute
empfänglichen Liebling dadurch erwiesen haben, ist größer, als ich Ihnen
beschreiben oder Sie sich selbst vorstellen können: denn ganz gewiß wird sie
jedes Wort dieses liebevollen Briefs in ihrem stillen Herzen wie ein Heiligthum
bewahren — und dieß um so mehr, da er zugleich ein so schönes Denkmal —
der Liebe und Achtung ist, deren Sie die unvergeßliche Mutter""") und den Vater
des guten Mädchens gewürdigt haben. — Doch ich muß abbrechen, mein Herz
ist zu voll, als daß ich nur den kleinsten Theil dessen, was ich fühle und Ihnen
so gern sagen möchte, zu Worte bringen könnte; aus eben dieser Ursach will
ich Ihnen anch mein dankbares Verlangen — Sehnsucht hätt' ich sagen sollen —
vor Ihre gütige Einladung in Ihr Elysium (das ist es im eigentlichsten Sinn
des Worts für mich) Gebrauch zu machen, nicht durch Worte, sondern dadurch
zu beweisen, — daß ich mich so bald nur möglich wieder in die Arme meiner
geliebtesten Freunde werfe — denn wahrlich! meine ganze Seele sehnt sich,
wieder bei und mit Ihnen, theure Freundin! und mit Ihrem und meinem
Griesbach zu leben, Ihm, in welchem ich einen Bruder liebe und — obschon
ich sein ältrer bin, einen Vater verehre —. So bald die seit einigen Tagen
sehr veränderliche Witterung einige anhaltend schöne heitre Tage hoffen läßt —
wird Ihnen die Wahrheit dieses Verlangens durch seine persönliche Erscheinung
beweisen

Ihrganz ergebner Wieland.



") Abschrift von unbekannter, wahrscheinlich (wegen der Fülle orthographischer Fehler)
weiblicher Hand. — Die Adressatin, Schwester des Philologen und langjährigen Heraus¬
gebers der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung C. G, Schütz in Jena, war verheiratet
Mit dem Professor der Theologie Johann Jakob Griesbach in Jena. Das kinderlose Ehepaar
nahm sich der an sie empfohlenen Studenten jederzeit auf das herzlichste an, so auch Abekens,
der nicht müde wird, die echte Menschlichkeit und Güte beider zu preisen; ein Denkmal seiner
Verehrung ist seine Biographie Griesbachs (Zeitgenossen, Dritte Reihe I, 8, 3).
Tochter Wielands.
Wielands Gattin Anna Dorothea, geb. v, Hillenbrnnd, gestorben 1801 November 9.
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[0589] Aus B. R. Avckens Nachlaß Als bescheidenen Ersatz für dieses preisgegebene Gedicht Schillers möge man die zum Schluß mitgeteilten Bruchstücke eines unbekannten Gelegenheitsgedichtes von Goethe hinnehmen, die Abeken seinem ehemaligen Studiengenossen, dem Justizcommissartus F. C. Krause in Berlin brieflich mitteilt, Wieland an Friederike Juliane Griesbach, geb. Schütz.") Weimar, den 29sten Juli 1809. Theuerste Freundin! Ich kann mir die Befriedigung nicht versagen, Ihnen, wiewohl mit zitternder Hand, für den herrlichen Brief, den unsere Luise"") so eben von Ihnen erhalten hat, meinen innigsten Dank so warm, als er nach Lesung desselben aus meinem Herzen kömmt, darzubringen. — Die Wohlthat, die Sie meinem für alles Gute empfänglichen Liebling dadurch erwiesen haben, ist größer, als ich Ihnen beschreiben oder Sie sich selbst vorstellen können: denn ganz gewiß wird sie jedes Wort dieses liebevollen Briefs in ihrem stillen Herzen wie ein Heiligthum bewahren — und dieß um so mehr, da er zugleich ein so schönes Denkmal — der Liebe und Achtung ist, deren Sie die unvergeßliche Mutter""") und den Vater des guten Mädchens gewürdigt haben. — Doch ich muß abbrechen, mein Herz ist zu voll, als daß ich nur den kleinsten Theil dessen, was ich fühle und Ihnen so gern sagen möchte, zu Worte bringen könnte; aus eben dieser Ursach will ich Ihnen anch mein dankbares Verlangen — Sehnsucht hätt' ich sagen sollen — vor Ihre gütige Einladung in Ihr Elysium (das ist es im eigentlichsten Sinn des Worts für mich) Gebrauch zu machen, nicht durch Worte, sondern dadurch zu beweisen, — daß ich mich so bald nur möglich wieder in die Arme meiner geliebtesten Freunde werfe — denn wahrlich! meine ganze Seele sehnt sich, wieder bei und mit Ihnen, theure Freundin! und mit Ihrem und meinem Griesbach zu leben, Ihm, in welchem ich einen Bruder liebe und — obschon ich sein ältrer bin, einen Vater verehre —. So bald die seit einigen Tagen sehr veränderliche Witterung einige anhaltend schöne heitre Tage hoffen läßt — wird Ihnen die Wahrheit dieses Verlangens durch seine persönliche Erscheinung beweisen Ihrganz ergebner Wieland. ") Abschrift von unbekannter, wahrscheinlich (wegen der Fülle orthographischer Fehler) weiblicher Hand. — Die Adressatin, Schwester des Philologen und langjährigen Heraus¬ gebers der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung C. G, Schütz in Jena, war verheiratet Mit dem Professor der Theologie Johann Jakob Griesbach in Jena. Das kinderlose Ehepaar nahm sich der an sie empfohlenen Studenten jederzeit auf das herzlichste an, so auch Abekens, der nicht müde wird, die echte Menschlichkeit und Güte beider zu preisen; ein Denkmal seiner Verehrung ist seine Biographie Griesbachs (Zeitgenossen, Dritte Reihe I, 8, 3). Tochter Wielands. Wielands Gattin Anna Dorothea, geb. v, Hillenbrnnd, gestorben 1801 November 9.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/589>, abgerufen am 23.07.2024.