Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.Volksdichtungen aus Lcipri kaum noch aufzufinden. Dort sah einst ein spät nachts heimkehrender Contadino "Lantare! eantÄraLeio, L Lantals non posso etiiu. Li queso molte nu bone me viere, ^ Zuaräa tuore et! molte >1c>n sortero elln." "Ja, singenI Wohl hab' ich gesungen, Und singen kann ich nicht mehr. Wenn diese Nacht mir Gutes nicht bringt, Werde ich künftig nachts mich hüten Aus dem Hause zu gehen." Sehr bezeichnende Worte, die uns beweisen, wie früher beim Tanzen gesungen Außer den somit in mannigfacher Gestalt auftretenden Hexen, die aber als Ebenfalls auf einer Mittelstufe des Geisterreiches stehen die Seelen der Toten, Von mythischen Tieren hat man besonders Hunde mit feurigen Augen, Der Teufel, nach katholischem Volksglauben der Herrscher aller Dämonen, Den sogenannten halbmythischer Wesen oder Elementar- und Erdgeistern Volksdichtungen aus Lcipri kaum noch aufzufinden. Dort sah einst ein spät nachts heimkehrender Contadino „Lantare! eantÄraLeio, L Lantals non posso etiiu. Li queso molte nu bone me viere, ^ Zuaräa tuore et! molte >1c>n sortero elln." „Ja, singenI Wohl hab' ich gesungen, Und singen kann ich nicht mehr. Wenn diese Nacht mir Gutes nicht bringt, Werde ich künftig nachts mich hüten Aus dem Hause zu gehen." Sehr bezeichnende Worte, die uns beweisen, wie früher beim Tanzen gesungen Außer den somit in mannigfacher Gestalt auftretenden Hexen, die aber als Ebenfalls auf einer Mittelstufe des Geisterreiches stehen die Seelen der Toten, Von mythischen Tieren hat man besonders Hunde mit feurigen Augen, Der Teufel, nach katholischem Volksglauben der Herrscher aller Dämonen, Den sogenannten halbmythischer Wesen oder Elementar- und Erdgeistern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0557" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320158"/> <fw type="header" place="top"> Volksdichtungen aus Lcipri</fw><lb/> <p xml:id="ID_2410" prev="#ID_2409"> kaum noch aufzufinden. Dort sah einst ein spät nachts heimkehrender Contadino<lb/> eine ganze Schar lustiger Frauen, denen er nun bis Sonnenaufgang Musik machen,<lb/> d. h. das Tamburin zum Tanze schlagen mußte. Nach einer anderen Quelle mutzte<lb/> ein Fischer sogar selbst mittanzen und singen. Er kam von der Kleinen Marine<lb/> herauf und traf ein solches Hexentanzchor da, wo die Straße von einer Marine<lb/> zur anderen und von Capri und Anacapri sich kreuzen, und wo früher auch ein<lb/> umfangreicher öffentlicher Aro gewesen sein soll. — Als er nach längerer rastloser<lb/> Teilnahme schließlich aufhören wollte und die Schönen ihm zuriefen: „Kalla e ahuta!"<lb/> („Tanze und singeI"), antwortete er ganz erschöpft:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_52" type="poem" next="#POEMID_53"> <l> „Lantare! eantÄraLeio,<lb/> L Lantals non posso etiiu.<lb/> Li queso molte nu bone me viere,<lb/> ^ Zuaräa tuore et! molte<lb/> >1c>n sortero elln."</l> </lg><lb/> <lg xml:id="POEMID_53" prev="#POEMID_52" type="poem"> <l> „Ja, singenI Wohl hab' ich gesungen,<lb/> Und singen kann ich nicht mehr.<lb/> Wenn diese Nacht mir Gutes nicht bringt,<lb/> Werde ich künftig nachts mich hüten<lb/> Aus dem Hause zu gehen."</l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_2411"> Sehr bezeichnende Worte, die uns beweisen, wie früher beim Tanzen gesungen<lb/> wurde I</p><lb/> <p xml:id="ID_2412"> Außer den somit in mannigfacher Gestalt auftretenden Hexen, die aber als<lb/> Menschen ihre Verwandlungskünste nur dem Teufel, ihrem Oberhenn, verdanken,<lb/> gibt oder gab es nun aber auch noch allerlei in Menschen- und Tiergestalt<lb/> erscheinende Vertreter der eigentlichen Geisterwelt, echt mythische Gesellen der<lb/> heidnischen Vorzeit, und zwischen beiden das unglückliche männliche Wechselwesen<lb/> des Werwolss (lupo mammro), der nur zu gewissen Zeiten nachts auf allen Vieren<lb/> durch die engen Seitengassen von Capri und in die Häuser schlich, um Schlafende<lb/> zu überfallen. Wollte man sich vor ihm schützen, mußte man einen Eimer Wasser<lb/> vor die Kammertür setzen. stach man ihn mit einer Nadel ins Rückgrat, wurde<lb/> er wieder Mensch.</p><lb/> <p xml:id="ID_2413"> Ebenfalls auf einer Mittelstufe des Geisterreiches stehen die Seelen der Toten,<lb/> namentlich der eines unnatürlichen Todes verstorbenen, deren unheimlich nächt-<lb/> liches Erscheinen gefürchtet wird. Sogar von Geistermessen in der Hauptkirche<lb/> und Geisterprozessionen nach Anacapri, wobei Menschenknochen als leuchtende<lb/> Kerzen getragen werden, weiß man zu erzählen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2414"> Von mythischen Tieren hat man besonders Hunde mit feurigen Augen,<lb/> gelegentlich aber auf einer der ältesten treppenartigen Römerstraßen auch ein<lb/> gewaltiges Roß mit Reiter gesehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2415"> Der Teufel, nach katholischem Volksglauben der Herrscher aller Dämonen,<lb/> erscheint zuweilen selbst auch, z. 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Volksdichtungen aus Lcipri
kaum noch aufzufinden. Dort sah einst ein spät nachts heimkehrender Contadino
eine ganze Schar lustiger Frauen, denen er nun bis Sonnenaufgang Musik machen,
d. h. das Tamburin zum Tanze schlagen mußte. Nach einer anderen Quelle mutzte
ein Fischer sogar selbst mittanzen und singen. Er kam von der Kleinen Marine
herauf und traf ein solches Hexentanzchor da, wo die Straße von einer Marine
zur anderen und von Capri und Anacapri sich kreuzen, und wo früher auch ein
umfangreicher öffentlicher Aro gewesen sein soll. — Als er nach längerer rastloser
Teilnahme schließlich aufhören wollte und die Schönen ihm zuriefen: „Kalla e ahuta!"
(„Tanze und singeI"), antwortete er ganz erschöpft:
„Lantare! eantÄraLeio,
L Lantals non posso etiiu.
Li queso molte nu bone me viere,
^ Zuaräa tuore et! molte
>1c>n sortero elln."
„Ja, singenI Wohl hab' ich gesungen,
Und singen kann ich nicht mehr.
Wenn diese Nacht mir Gutes nicht bringt,
Werde ich künftig nachts mich hüten
Aus dem Hause zu gehen."
Sehr bezeichnende Worte, die uns beweisen, wie früher beim Tanzen gesungen
wurde I
Außer den somit in mannigfacher Gestalt auftretenden Hexen, die aber als
Menschen ihre Verwandlungskünste nur dem Teufel, ihrem Oberhenn, verdanken,
gibt oder gab es nun aber auch noch allerlei in Menschen- und Tiergestalt
erscheinende Vertreter der eigentlichen Geisterwelt, echt mythische Gesellen der
heidnischen Vorzeit, und zwischen beiden das unglückliche männliche Wechselwesen
des Werwolss (lupo mammro), der nur zu gewissen Zeiten nachts auf allen Vieren
durch die engen Seitengassen von Capri und in die Häuser schlich, um Schlafende
zu überfallen. Wollte man sich vor ihm schützen, mußte man einen Eimer Wasser
vor die Kammertür setzen. stach man ihn mit einer Nadel ins Rückgrat, wurde
er wieder Mensch.
Ebenfalls auf einer Mittelstufe des Geisterreiches stehen die Seelen der Toten,
namentlich der eines unnatürlichen Todes verstorbenen, deren unheimlich nächt-
liches Erscheinen gefürchtet wird. Sogar von Geistermessen in der Hauptkirche
und Geisterprozessionen nach Anacapri, wobei Menschenknochen als leuchtende
Kerzen getragen werden, weiß man zu erzählen.
Von mythischen Tieren hat man besonders Hunde mit feurigen Augen,
gelegentlich aber auf einer der ältesten treppenartigen Römerstraßen auch ein
gewaltiges Roß mit Reiter gesehen.
Der Teufel, nach katholischem Volksglauben der Herrscher aller Dämonen,
erscheint zuweilen selbst auch, z. B. einmal als Einsiedler, der sich als Belohnung
für seinen Beistand die Seele eines Armen mit Blut verschreiben läßt.
Den sogenannten halbmythischer Wesen oder Elementar- und Erdgeistern
gehören wohl die in den Grotten des San Michele und der Großen Marine
hausenden, zum Hüten der dort verborgenen Schätze berufenen Schreckgestalten.
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