Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.Reichsspiegel Die Wochenschrift konstruiert einen Zusammenhang zwischen der Rede, die Die deutsche Regierung war über die Arbeit der englischen Germanophoben Wegen des dritten Punktes, wegen der Kompensationen, könnte man Reichsspiegel Die Wochenschrift konstruiert einen Zusammenhang zwischen der Rede, die Die deutsche Regierung war über die Arbeit der englischen Germanophoben Wegen des dritten Punktes, wegen der Kompensationen, könnte man <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0526" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320127"/> <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_2285"> Die Wochenschrift konstruiert einen Zusammenhang zwischen der Rede, die<lb/> Lloyd George im Mansion House gehalten, und einem am Tage vorher, am<lb/> 30. Juli, in der Times veröffentlichten Artikel, in dem der Charakter der zwischen<lb/> Deutschland und Frankreich schwebenden Verhandlungen, betreffend den französischen<lb/> Kongo, absichtlich falsch wiedergegeben worden sei, um den Anschein zu erwecken,<lb/> als ob Deutschland unerfüllbare Forderungen und damit letzten Endes ein Ulti¬<lb/> matum an Frankreich gestellt hätte. Es werden dann im einzelnen eine Reihe<lb/> gewichtiger französischer Stimmen dafür angeführt, daß in der Tat die deutschen<lb/> Forderungen bezüglich einer Kompensation im französischen Kongo in keiner Periode<lb/> der Verhandlungen derartig hochgeschraubt gewesen seien, daß dadurch eine Einigung<lb/> von vornherein ausgeschlossen worden wäre. Die Rede Lloyd Georges sowie<lb/> auch die am selben Tage von Sir Edward Grey dem deutschen Botschafter gegenüber<lb/> gemachte Erklärung seien somit aus einer falschen, wenn nicht gefälschten Auf¬<lb/> fassung der Lage entstanden. Ob hierbei die Times das Foreign Office oder<lb/> letzteres die Times inspiriert habe, will die Nation unentschieden lassen. Den Ur¬<lb/> sprung des bewußten Times-Artikels findet die Wochenschrift aber in der Anfang<lb/> Juli in Paris herrschenden Lage. Das französische Kabinett sei sich damals über<lb/> die zu befolgende Taktik nicht einig gewesen. Neben dem aufrichtig friedliebenden<lb/> Ministerpräsidenten habe Delcasss an der Spitze der Mehrzahl seiner Kollegen<lb/> eine weniger versöhnliche Haltung gezeigt, die durch ungünstige Berichte über den<lb/> Zustand der deutschen Armee, nicht unwesentlich beeinflußt worden sei. Die innerlich<lb/> wenig gefestigte Lage des Kabinetts zu stärken, möglichst viel bei den Verhandlungen<lb/> herauszuschlagen und gleichzeitig möglichst wenig dafür aufzugeben, sei naturgemäß<lb/> das Ziel der französischen Regierung gewesen. All das glaubte man am besten<lb/> durch eine offene und unzweideutige Demonstration Englands zugunsten Frank¬<lb/> reichs erreichen zu können. Zu diesem Zwecke habe man zuerst daran gedacht, ein<lb/> englisches und ein französisches Kriegsschiff nach Agadir zu senden. Diesen Schritt<lb/> habe aber das englische Kabinett trotz der Begünstigung desselben durch das Foreign<lb/> Office und der dringenden Befürwortung durch die Times abgelehnt. Den Erfolg<lb/> des zweiten in dieser Richtung unternommenen Schrittes müsse man in dem Times-<lb/> Artikel vom 20. Juli und der Rede Lloyd Georges vom 21. Juli erblicken.</p><lb/> <p xml:id="ID_2286"> Die deutsche Regierung war über die Arbeit der englischen Germanophoben<lb/> durch den Botschafter Grafen Wolff-Metternich stets sehr gut unterrichtet worden,<lb/> und so war es nur ein Akt der Klugheit, wenn sie Franzosen und Engländer als<lb/> Gegner identifizierte und England über seine Schritte im einzelnen nicht einweihte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2287" next="#ID_2288"> Wegen des dritten Punktes, wegen der Kompensationen, könnte man<lb/> eher bei flüchtigem Zusehen zu dem Glauben kommen, daß Deutschland mit<lb/> seinen Forderungen vor irgendeinem äußeren Druck zurückgewichen sei. Das<lb/> Zusammentreffen einiger Daten wird den Pessimisten sogar einen Schein des<lb/> Rechtes geben. Dennoch kann aber auch hier zunächst formell von einem Zurück¬<lb/> weichen überhaupt nicht die Rede sein. Das Programm ging darauf aus, in<lb/> Zentralafrika soviel als irgend möglich zu erhalten, nicht aber mindestens das<lb/> ganze Gebiet des französischen Kongo. Nun scheinen seitens des deutschen Kolonial¬<lb/> amts Forderungen gestellt worden zu sein, die weit über das Maß dessen hinaus¬<lb/> gegangen sind, was Herr v. Kiderlen glaubte, ohne die ganzen Verhandlungen<lb/> zum Scheitern zu bringen, vertreten zu können. Daneben haben sich auf beiden</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0526]
Reichsspiegel
Die Wochenschrift konstruiert einen Zusammenhang zwischen der Rede, die
Lloyd George im Mansion House gehalten, und einem am Tage vorher, am
30. Juli, in der Times veröffentlichten Artikel, in dem der Charakter der zwischen
Deutschland und Frankreich schwebenden Verhandlungen, betreffend den französischen
Kongo, absichtlich falsch wiedergegeben worden sei, um den Anschein zu erwecken,
als ob Deutschland unerfüllbare Forderungen und damit letzten Endes ein Ulti¬
matum an Frankreich gestellt hätte. Es werden dann im einzelnen eine Reihe
gewichtiger französischer Stimmen dafür angeführt, daß in der Tat die deutschen
Forderungen bezüglich einer Kompensation im französischen Kongo in keiner Periode
der Verhandlungen derartig hochgeschraubt gewesen seien, daß dadurch eine Einigung
von vornherein ausgeschlossen worden wäre. Die Rede Lloyd Georges sowie
auch die am selben Tage von Sir Edward Grey dem deutschen Botschafter gegenüber
gemachte Erklärung seien somit aus einer falschen, wenn nicht gefälschten Auf¬
fassung der Lage entstanden. Ob hierbei die Times das Foreign Office oder
letzteres die Times inspiriert habe, will die Nation unentschieden lassen. Den Ur¬
sprung des bewußten Times-Artikels findet die Wochenschrift aber in der Anfang
Juli in Paris herrschenden Lage. Das französische Kabinett sei sich damals über
die zu befolgende Taktik nicht einig gewesen. Neben dem aufrichtig friedliebenden
Ministerpräsidenten habe Delcasss an der Spitze der Mehrzahl seiner Kollegen
eine weniger versöhnliche Haltung gezeigt, die durch ungünstige Berichte über den
Zustand der deutschen Armee, nicht unwesentlich beeinflußt worden sei. Die innerlich
wenig gefestigte Lage des Kabinetts zu stärken, möglichst viel bei den Verhandlungen
herauszuschlagen und gleichzeitig möglichst wenig dafür aufzugeben, sei naturgemäß
das Ziel der französischen Regierung gewesen. All das glaubte man am besten
durch eine offene und unzweideutige Demonstration Englands zugunsten Frank¬
reichs erreichen zu können. Zu diesem Zwecke habe man zuerst daran gedacht, ein
englisches und ein französisches Kriegsschiff nach Agadir zu senden. Diesen Schritt
habe aber das englische Kabinett trotz der Begünstigung desselben durch das Foreign
Office und der dringenden Befürwortung durch die Times abgelehnt. Den Erfolg
des zweiten in dieser Richtung unternommenen Schrittes müsse man in dem Times-
Artikel vom 20. Juli und der Rede Lloyd Georges vom 21. Juli erblicken.
Die deutsche Regierung war über die Arbeit der englischen Germanophoben
durch den Botschafter Grafen Wolff-Metternich stets sehr gut unterrichtet worden,
und so war es nur ein Akt der Klugheit, wenn sie Franzosen und Engländer als
Gegner identifizierte und England über seine Schritte im einzelnen nicht einweihte.
Wegen des dritten Punktes, wegen der Kompensationen, könnte man
eher bei flüchtigem Zusehen zu dem Glauben kommen, daß Deutschland mit
seinen Forderungen vor irgendeinem äußeren Druck zurückgewichen sei. Das
Zusammentreffen einiger Daten wird den Pessimisten sogar einen Schein des
Rechtes geben. Dennoch kann aber auch hier zunächst formell von einem Zurück¬
weichen überhaupt nicht die Rede sein. Das Programm ging darauf aus, in
Zentralafrika soviel als irgend möglich zu erhalten, nicht aber mindestens das
ganze Gebiet des französischen Kongo. Nun scheinen seitens des deutschen Kolonial¬
amts Forderungen gestellt worden zu sein, die weit über das Maß dessen hinaus¬
gegangen sind, was Herr v. Kiderlen glaubte, ohne die ganzen Verhandlungen
zum Scheitern zu bringen, vertreten zu können. Daneben haben sich auf beiden
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