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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Volksdichtungen aus Lapri

6,

Noch höher versteigt sich die Einbildungskrast eines Verliebten in spielenden
Übertreibungen, die namentlich durch ihre unerwartete Schlußwendung den Beifall
der Hörer herausfordern:

Vult'lo ssAlire in cislo, si putesso,
Lu us, sealeHs, all trlLicmtL psssi!
()uÄNnc> an'iva sit^ einiÄ e si spe^asse,
liinti i brsoc:le i nenns mia mi trovasss!

lSLÄleilÄ sesletta)

Zum Himmel möcht' ich, wenn ich könnte, steigen
Auf einer Leiter von dreihundert Stiegen!
Und sollte brechend oben sie sich biege",
Möcht' unten ich in Liebchens Annen liegen I

Man beachte hier den gleichen Reim der letzten drei Verse! So auch im
folgenden drei gleiche: a a b a.


7,
Li losse impei'störe rü unum mehro,
^c> nu vsso ki rsrio l'impoio;
Li sosss pspa, pe cwisti uoecbi belli
Vatiesno snniario 1a kero.

Murm monclo; rsrio -- ctaiLi; ekisti -- questi)

Hätt' ich als Kaiser alle Welt zu lenken,
Für einen Kuß würd' ich das Reich dir schenken,
lind wär' ich Papst, für diese schönen Augen
Den Vatikan derließ ich ohn' Bedenken.

8.

Etwas bescheidener im Schenken bez. Versprechen ist ein offenbar noch blut¬
junges Ding, das dem weinenden Geliebten beim Abschied die rührenden Trostes¬
worte zuruft:

^moro mio, nun pisnLLte tsnto,
pure> es lo reZeüo nu muccaturo.
()usnno oans alls nmssta a riesmÄ,
Raie?o Ziu vo mettere u nomo tuo;
()usnno Zi vacÄ allu sciumo sllavÄ,
Luli ÄLizua "ki rose e sapone o" smors,
Lote i leons mio ta l' ssciuLsr(re):
Lnillo ö u mucesturo c>u primo amore.

Mueoaturomoccickino; möcht-imsöstrs; sciumofiume; Isone Stern¬
bild des Löwen im Juli)

Hab mich nur lieb, und trockne deine Zähren,
Ich will dir auch ein Taschentüchlein schenken.
Wird mich die Lehrerin dann sticken lehren,
Stick deinen Namen drein ich zum Gedenken;
Und selber will ich waschen es im Brömme
Mit Seis' und Rosenwasser treuer Liebe.
Dann laß ich's trocknen in der Julisonne:
Das ist das Taschentuch der ersten Liebe.

9.

Ein halb schüchternes, halb schalkhaftes Geständnis kleidet ein Verliebter
anmutig in den assonantischen Vierzeiler:


Grenzboten IV 1911 64
Volksdichtungen aus Lapri

6,

Noch höher versteigt sich die Einbildungskrast eines Verliebten in spielenden
Übertreibungen, die namentlich durch ihre unerwartete Schlußwendung den Beifall
der Hörer herausfordern:

Vult'lo ssAlire in cislo, si putesso,
Lu us, sealeHs, all trlLicmtL psssi!
()uÄNnc> an'iva sit^ einiÄ e si spe^asse,
liinti i brsoc:le i nenns mia mi trovasss!

lSLÄleilÄ sesletta)

Zum Himmel möcht' ich, wenn ich könnte, steigen
Auf einer Leiter von dreihundert Stiegen!
Und sollte brechend oben sie sich biege»,
Möcht' unten ich in Liebchens Annen liegen I

Man beachte hier den gleichen Reim der letzten drei Verse! So auch im
folgenden drei gleiche: a a b a.


7,
Li losse impei'störe rü unum mehro,
^c> nu vsso ki rsrio l'impoio;
Li sosss pspa, pe cwisti uoecbi belli
Vatiesno snniario 1a kero.

Murm monclo; rsrio — ctaiLi; ekisti — questi)

Hätt' ich als Kaiser alle Welt zu lenken,
Für einen Kuß würd' ich das Reich dir schenken,
lind wär' ich Papst, für diese schönen Augen
Den Vatikan derließ ich ohn' Bedenken.

8.

Etwas bescheidener im Schenken bez. Versprechen ist ein offenbar noch blut¬
junges Ding, das dem weinenden Geliebten beim Abschied die rührenden Trostes¬
worte zuruft:

^moro mio, nun pisnLLte tsnto,
pure> es lo reZeüo nu muccaturo.
()usnno oans alls nmssta a riesmÄ,
Raie?o Ziu vo mettere u nomo tuo;
()usnno Zi vacÄ allu sciumo sllavÄ,
Luli ÄLizua «ki rose e sapone o" smors,
Lote i leons mio ta l' ssciuLsr(re):
Lnillo ö u mucesturo c>u primo amore.

Mueoaturomoccickino; möcht-imsöstrs; sciumofiume; Isone Stern¬
bild des Löwen im Juli)

Hab mich nur lieb, und trockne deine Zähren,
Ich will dir auch ein Taschentüchlein schenken.
Wird mich die Lehrerin dann sticken lehren,
Stick deinen Namen drein ich zum Gedenken;
Und selber will ich waschen es im Brömme
Mit Seis' und Rosenwasser treuer Liebe.
Dann laß ich's trocknen in der Julisonne:
Das ist das Taschentuch der ersten Liebe.

9.

Ein halb schüchternes, halb schalkhaftes Geständnis kleidet ein Verliebter
anmutig in den assonantischen Vierzeiler:


Grenzboten IV 1911 64
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[0513] Volksdichtungen aus Lapri 6, Noch höher versteigt sich die Einbildungskrast eines Verliebten in spielenden Übertreibungen, die namentlich durch ihre unerwartete Schlußwendung den Beifall der Hörer herausfordern: Vult'lo ssAlire in cislo, si putesso, Lu us, sealeHs, all trlLicmtL psssi! ()uÄNnc> an'iva sit^ einiÄ e si spe^asse, liinti i brsoc:le i nenns mia mi trovasss! lSLÄleilÄ sesletta) Zum Himmel möcht' ich, wenn ich könnte, steigen Auf einer Leiter von dreihundert Stiegen! Und sollte brechend oben sie sich biege», Möcht' unten ich in Liebchens Annen liegen I Man beachte hier den gleichen Reim der letzten drei Verse! So auch im folgenden drei gleiche: a a b a. 7, Li losse impei'störe rü unum mehro, ^c> nu vsso ki rsrio l'impoio; Li sosss pspa, pe cwisti uoecbi belli Vatiesno snniario 1a kero. Murm monclo; rsrio — ctaiLi; ekisti — questi) Hätt' ich als Kaiser alle Welt zu lenken, Für einen Kuß würd' ich das Reich dir schenken, lind wär' ich Papst, für diese schönen Augen Den Vatikan derließ ich ohn' Bedenken. 8. Etwas bescheidener im Schenken bez. Versprechen ist ein offenbar noch blut¬ junges Ding, das dem weinenden Geliebten beim Abschied die rührenden Trostes¬ worte zuruft: ^moro mio, nun pisnLLte tsnto, pure> es lo reZeüo nu muccaturo. ()usnno oans alls nmssta a riesmÄ, Raie?o Ziu vo mettere u nomo tuo; ()usnno Zi vacÄ allu sciumo sllavÄ, Luli ÄLizua «ki rose e sapone o" smors, Lote i leons mio ta l' ssciuLsr(re): Lnillo ö u mucesturo c>u primo amore. Mueoaturomoccickino; möcht-imsöstrs; sciumofiume; Isone Stern¬ bild des Löwen im Juli) Hab mich nur lieb, und trockne deine Zähren, Ich will dir auch ein Taschentüchlein schenken. Wird mich die Lehrerin dann sticken lehren, Stick deinen Namen drein ich zum Gedenken; Und selber will ich waschen es im Brömme Mit Seis' und Rosenwasser treuer Liebe. Dann laß ich's trocknen in der Julisonne: Das ist das Taschentuch der ersten Liebe. 9. Ein halb schüchternes, halb schalkhaftes Geständnis kleidet ein Verliebter anmutig in den assonantischen Vierzeiler: Grenzboten IV 1911 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/513>, abgerufen am 03.07.2024.