Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Reichssxiegel

sich noch nicht absehen, ob und wann eine Besserung der deutsch-kanadischen
Handelsbeziehungen eintreten wird. Seit etwa einem Jahre ist wiederholt in
der Presse die Rede davon gewesen, es seien Verhandlungen zwischen Deutschland
und Kanada wegen des Abschlusses eines Handelsvertrages im Gange. Bei
Neuregelung des deutsch-britischen Zollverhältnisses würde sich eine geeignete
Gelegenheit bieten, zu einem besseren zollpolitischen Verhältnisse mit Kanada zu
gelangen. Die zukünftige Gestaltung des handelspolitischen Verhältnisses zwischen
den Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada bieten einen doppelten Anlaß
dazu, auch diese Frage endgültig zu regeln; aus den interessierten Handels¬
und Jndustriekreisen sind dem Neichsamt des Inneren bereits verschiedene aus¬
führlich begründete Eingaben zugegangen, die auf die Notwendigkeit normaler
Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Kanada hinweisen.


Dr, KrcuMm
Bank und Geld

Der Stimmungsumschwung der Börsen -- Die Politische Lüge -- Wirtschaftskrisis in
Ägypten -- Chinawirren -- Die günstige Eisenkonjunktur -- Unternehmungslust in
der Montanindustrie -- Gefahr der Übertreibung -- Geldmacht -- Die Kaliindustrie
und die Quoteiwerteilung

Ist die Kunst des Maßhaltens schon für das Individuum eine schwere, so
scheint sie ganz und gar nicht von der Masse gehandhabt werden zu können.
Nichts ist weniger meßbar, schwieriger zu ergründen und zu beurteilen als die
kollektive Psyche. Sieht man das Treiben an der New Yorker Börse, wo
sprunghaft die Kurse in die Höhe eilen, beobachtet man den im Ausdrucke
gemäßigten, aber doch unbeirrten Optimismus unserer Jnlandsmärkte und ver¬
gleicht damit die verzweifelte Stimmung, die vor einigen Wochen in den Börsen¬
sälen herrschte, so fragt man sich zunächst vergebens nach den Gründen eines
so jähen Wechsels in Auffassung und Urteil. Die Erledigung der Marokkofrage
braucht gewiß nicht gering eingeschätzt zu werden, aber sie galt doch schon lange
vor ihrer tatsächlichen Beilegung als überwunden; die politische Konstellation
hat im übrigen eine Besserung -- und gar eine solche, die Grund zu Freuden¬
feuern für die Börse abgeben könnte -- durchaus nicht erfahren. Noch immer
ist die Welt völlig im Unklaren, wie das tripManische Abenteuer Italiens
endigen soll, welche Verwicklungen ernsthafter Natur es noch gebären, welche
Schädigungen von Handel und Wandel es noch herbeiführen wird. Schon
melden sich in Ägypten als direkte Folge des Tripoliskrieges die Vorboten
einer schweren Wirtschaftskrisis; große Insolvenzen, Geldknappheit, das Aus¬
bleiben des Fremdenstroms, schlechter Ausfall der Baumwollernte lassen eine
Katastrophe befürchten und haben die deutschen Konsulatsvertreter in Kairo und
Alessandrien veranlaßt, vor Kreditgewährung nach Ägypten zu warnen. Durch
die angedrohte Verlegung des Kriegsschauplatzes nach dem Ägäischen Meer
würden ähnliche krisenhafte Zustände unzweifelhaft für die ganze Levante herauf-


Reichssxiegel

sich noch nicht absehen, ob und wann eine Besserung der deutsch-kanadischen
Handelsbeziehungen eintreten wird. Seit etwa einem Jahre ist wiederholt in
der Presse die Rede davon gewesen, es seien Verhandlungen zwischen Deutschland
und Kanada wegen des Abschlusses eines Handelsvertrages im Gange. Bei
Neuregelung des deutsch-britischen Zollverhältnisses würde sich eine geeignete
Gelegenheit bieten, zu einem besseren zollpolitischen Verhältnisse mit Kanada zu
gelangen. Die zukünftige Gestaltung des handelspolitischen Verhältnisses zwischen
den Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada bieten einen doppelten Anlaß
dazu, auch diese Frage endgültig zu regeln; aus den interessierten Handels¬
und Jndustriekreisen sind dem Neichsamt des Inneren bereits verschiedene aus¬
führlich begründete Eingaben zugegangen, die auf die Notwendigkeit normaler
Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Kanada hinweisen.


Dr, KrcuMm
Bank und Geld

Der Stimmungsumschwung der Börsen -- Die Politische Lüge — Wirtschaftskrisis in
Ägypten — Chinawirren — Die günstige Eisenkonjunktur — Unternehmungslust in
der Montanindustrie — Gefahr der Übertreibung — Geldmacht — Die Kaliindustrie
und die Quoteiwerteilung

Ist die Kunst des Maßhaltens schon für das Individuum eine schwere, so
scheint sie ganz und gar nicht von der Masse gehandhabt werden zu können.
Nichts ist weniger meßbar, schwieriger zu ergründen und zu beurteilen als die
kollektive Psyche. Sieht man das Treiben an der New Yorker Börse, wo
sprunghaft die Kurse in die Höhe eilen, beobachtet man den im Ausdrucke
gemäßigten, aber doch unbeirrten Optimismus unserer Jnlandsmärkte und ver¬
gleicht damit die verzweifelte Stimmung, die vor einigen Wochen in den Börsen¬
sälen herrschte, so fragt man sich zunächst vergebens nach den Gründen eines
so jähen Wechsels in Auffassung und Urteil. Die Erledigung der Marokkofrage
braucht gewiß nicht gering eingeschätzt zu werden, aber sie galt doch schon lange
vor ihrer tatsächlichen Beilegung als überwunden; die politische Konstellation
hat im übrigen eine Besserung — und gar eine solche, die Grund zu Freuden¬
feuern für die Börse abgeben könnte — durchaus nicht erfahren. Noch immer
ist die Welt völlig im Unklaren, wie das tripManische Abenteuer Italiens
endigen soll, welche Verwicklungen ernsthafter Natur es noch gebären, welche
Schädigungen von Handel und Wandel es noch herbeiführen wird. Schon
melden sich in Ägypten als direkte Folge des Tripoliskrieges die Vorboten
einer schweren Wirtschaftskrisis; große Insolvenzen, Geldknappheit, das Aus¬
bleiben des Fremdenstroms, schlechter Ausfall der Baumwollernte lassen eine
Katastrophe befürchten und haben die deutschen Konsulatsvertreter in Kairo und
Alessandrien veranlaßt, vor Kreditgewährung nach Ägypten zu warnen. Durch
die angedrohte Verlegung des Kriegsschauplatzes nach dem Ägäischen Meer
würden ähnliche krisenhafte Zustände unzweifelhaft für die ganze Levante herauf-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320070"/>
            <fw type="header" place="top"> Reichssxiegel</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2027" prev="#ID_2026"> sich noch nicht absehen, ob und wann eine Besserung der deutsch-kanadischen<lb/>
Handelsbeziehungen eintreten wird. Seit etwa einem Jahre ist wiederholt in<lb/>
der Presse die Rede davon gewesen, es seien Verhandlungen zwischen Deutschland<lb/>
und Kanada wegen des Abschlusses eines Handelsvertrages im Gange. Bei<lb/>
Neuregelung des deutsch-britischen Zollverhältnisses würde sich eine geeignete<lb/>
Gelegenheit bieten, zu einem besseren zollpolitischen Verhältnisse mit Kanada zu<lb/>
gelangen. Die zukünftige Gestaltung des handelspolitischen Verhältnisses zwischen<lb/>
den Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada bieten einen doppelten Anlaß<lb/>
dazu, auch diese Frage endgültig zu regeln; aus den interessierten Handels¬<lb/>
und Jndustriekreisen sind dem Neichsamt des Inneren bereits verschiedene aus¬<lb/>
führlich begründete Eingaben zugegangen, die auf die Notwendigkeit normaler<lb/>
Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Kanada hinweisen.</p><lb/>
            <note type="byline"> Dr, KrcuMm</note><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Bank und Geld</head><lb/>
            <note type="argument"> Der Stimmungsumschwung der Börsen -- Die Politische Lüge &#x2014; Wirtschaftskrisis in<lb/>
Ägypten &#x2014; Chinawirren &#x2014; Die günstige Eisenkonjunktur &#x2014; Unternehmungslust in<lb/>
der Montanindustrie &#x2014; Gefahr der Übertreibung &#x2014; Geldmacht &#x2014; Die Kaliindustrie<lb/>
und die Quoteiwerteilung</note><lb/>
            <p xml:id="ID_2028" next="#ID_2029"> Ist die Kunst des Maßhaltens schon für das Individuum eine schwere, so<lb/>
scheint sie ganz und gar nicht von der Masse gehandhabt werden zu können.<lb/>
Nichts ist weniger meßbar, schwieriger zu ergründen und zu beurteilen als die<lb/>
kollektive Psyche. Sieht man das Treiben an der New Yorker Börse, wo<lb/>
sprunghaft die Kurse in die Höhe eilen, beobachtet man den im Ausdrucke<lb/>
gemäßigten, aber doch unbeirrten Optimismus unserer Jnlandsmärkte und ver¬<lb/>
gleicht damit die verzweifelte Stimmung, die vor einigen Wochen in den Börsen¬<lb/>
sälen herrschte, so fragt man sich zunächst vergebens nach den Gründen eines<lb/>
so jähen Wechsels in Auffassung und Urteil. Die Erledigung der Marokkofrage<lb/>
braucht gewiß nicht gering eingeschätzt zu werden, aber sie galt doch schon lange<lb/>
vor ihrer tatsächlichen Beilegung als überwunden; die politische Konstellation<lb/>
hat im übrigen eine Besserung &#x2014; und gar eine solche, die Grund zu Freuden¬<lb/>
feuern für die Börse abgeben könnte &#x2014; durchaus nicht erfahren. Noch immer<lb/>
ist die Welt völlig im Unklaren, wie das tripManische Abenteuer Italiens<lb/>
endigen soll, welche Verwicklungen ernsthafter Natur es noch gebären, welche<lb/>
Schädigungen von Handel und Wandel es noch herbeiführen wird. Schon<lb/>
melden sich in Ägypten als direkte Folge des Tripoliskrieges die Vorboten<lb/>
einer schweren Wirtschaftskrisis; große Insolvenzen, Geldknappheit, das Aus¬<lb/>
bleiben des Fremdenstroms, schlechter Ausfall der Baumwollernte lassen eine<lb/>
Katastrophe befürchten und haben die deutschen Konsulatsvertreter in Kairo und<lb/>
Alessandrien veranlaßt, vor Kreditgewährung nach Ägypten zu warnen. Durch<lb/>
die angedrohte Verlegung des Kriegsschauplatzes nach dem Ägäischen Meer<lb/>
würden ähnliche krisenhafte Zustände unzweifelhaft für die ganze Levante herauf-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0469] Reichssxiegel sich noch nicht absehen, ob und wann eine Besserung der deutsch-kanadischen Handelsbeziehungen eintreten wird. Seit etwa einem Jahre ist wiederholt in der Presse die Rede davon gewesen, es seien Verhandlungen zwischen Deutschland und Kanada wegen des Abschlusses eines Handelsvertrages im Gange. Bei Neuregelung des deutsch-britischen Zollverhältnisses würde sich eine geeignete Gelegenheit bieten, zu einem besseren zollpolitischen Verhältnisse mit Kanada zu gelangen. Die zukünftige Gestaltung des handelspolitischen Verhältnisses zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada bieten einen doppelten Anlaß dazu, auch diese Frage endgültig zu regeln; aus den interessierten Handels¬ und Jndustriekreisen sind dem Neichsamt des Inneren bereits verschiedene aus¬ führlich begründete Eingaben zugegangen, die auf die Notwendigkeit normaler Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Kanada hinweisen. Dr, KrcuMm Bank und Geld Der Stimmungsumschwung der Börsen -- Die Politische Lüge — Wirtschaftskrisis in Ägypten — Chinawirren — Die günstige Eisenkonjunktur — Unternehmungslust in der Montanindustrie — Gefahr der Übertreibung — Geldmacht — Die Kaliindustrie und die Quoteiwerteilung Ist die Kunst des Maßhaltens schon für das Individuum eine schwere, so scheint sie ganz und gar nicht von der Masse gehandhabt werden zu können. Nichts ist weniger meßbar, schwieriger zu ergründen und zu beurteilen als die kollektive Psyche. Sieht man das Treiben an der New Yorker Börse, wo sprunghaft die Kurse in die Höhe eilen, beobachtet man den im Ausdrucke gemäßigten, aber doch unbeirrten Optimismus unserer Jnlandsmärkte und ver¬ gleicht damit die verzweifelte Stimmung, die vor einigen Wochen in den Börsen¬ sälen herrschte, so fragt man sich zunächst vergebens nach den Gründen eines so jähen Wechsels in Auffassung und Urteil. Die Erledigung der Marokkofrage braucht gewiß nicht gering eingeschätzt zu werden, aber sie galt doch schon lange vor ihrer tatsächlichen Beilegung als überwunden; die politische Konstellation hat im übrigen eine Besserung — und gar eine solche, die Grund zu Freuden¬ feuern für die Börse abgeben könnte — durchaus nicht erfahren. Noch immer ist die Welt völlig im Unklaren, wie das tripManische Abenteuer Italiens endigen soll, welche Verwicklungen ernsthafter Natur es noch gebären, welche Schädigungen von Handel und Wandel es noch herbeiführen wird. Schon melden sich in Ägypten als direkte Folge des Tripoliskrieges die Vorboten einer schweren Wirtschaftskrisis; große Insolvenzen, Geldknappheit, das Aus¬ bleiben des Fremdenstroms, schlechter Ausfall der Baumwollernte lassen eine Katastrophe befürchten und haben die deutschen Konsulatsvertreter in Kairo und Alessandrien veranlaßt, vor Kreditgewährung nach Ägypten zu warnen. Durch die angedrohte Verlegung des Kriegsschauplatzes nach dem Ägäischen Meer würden ähnliche krisenhafte Zustände unzweifelhaft für die ganze Levante herauf-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/469
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/469>, abgerufen am 23.07.2024.