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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

samen Schaffens begierig sein, zumal wenn
man weiß, das; jeder der drei auf seinem Ge¬
biete mit höchstem Erfolg schon für die Jugend
gearbeitet hat. Im vorigen Jahre legten
Älbett Sergel, Hans v. Bdlkinann und Engel¬
bert Humperdinck unter dem lustigen Titel
"Didcldumdci" (Reutlingen, Enßlin u.Laiblin,
Preis 2,50 M.) das erste derartige Buch auf
denWeihnachtstisch. Die jubelnde Zustimmung,
die sie überall gefunden, hat sie bestimmt,
'nun das zweite Werk in die "Bunte Welt"
(im gleichen Verlage zu demselben billigen
Preise) zu senden, wo es der gleichen herz¬
lichen Aufnahme sicher sein darf. Albert
Sergels Verse Prägen sich dem kindlichen Ge¬
müte spielend ein, Huinperdincks Melodien
sind flüssig und leicht erlernbar, an Volkmanns
Bildern wird auch jeder Erwachsene seine helle
Freude haben. Mögen die prächtigen Bücher zu
Weihnachten recht vielen Kindern als hochwill¬
kommenes Geschenk dargeboten werden. "


Philosophie

Henri Poincarös Auffassung von der
Wissenschaft. Die überwiegende Mehrzahl
der deutschen Erkenntnistheoretiker der letzten
Jahrzehnte schloß sich eng an Kant an und
gab deshalb den Versuch einer apriorischen
Deduktion gewisser allgemeinster Naturgesetze,
wie des Prinzips der durchgängigen Kausalität
alles Wirklichen oder des Satzes der Erhaltung
der Kraft, nicht auf. Denn das war ja das
Streben Kants auf dem Gebiete der Natur¬
philosophie gewesen, zu zeigen, daß die Grund¬
struktur der Wirklichkeit, wie etwa jene zwei
Sätze sie wenigstens in zwei Punkten charak¬
terisieren, aus dem wahrnehmenden Subjekt
stammt; die Natur ist eine Erscheinung im
Bewußtsein, sie steht also auch unter den Be¬
dingungen desselben, sie muß sich seinen For¬
men fügen, wie eine Flüssigkeit in einem
Röhrensystem sich dessen Form anpassen muß.

Gegen diese Auffassung haben sich ein¬
sichtige Naturforscher seit Jahrzehnten nach¬
drücklich gewehrt. So wenig sie geneigt waren,
jene allgemeinsten Sätze, wie die Prinzipien
der Erhaltung von Masse und Kraft fallen
zu lassen, so wenig haben sie sich damit ein¬
verstanden erklärt, daß sich solche Sätze apriori
deduzieren lassen. Hermann v. Helmholtz hat
es in seiner letzten Epoche ausgesprochen, daß


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elbst das Prinzip der Kausalität zuletzt nichts
als eine Hypothese sei, die sich zwar bisher
n der Physik noch stets bewährte, die
aber dennoch eines strengen Beweises nicht
ähig ist.

Dem herrschenden Neukantianismus gegen¬
über blieb diese Einsicht im wesentlichen ein¬
lußlos. Sie fand innerhalb der Philosophie
einen hervorragenden Vertreter. Überall, wo
ie zur Geltung kam, fehlte der Stimme, die
ür sie eintrat, das Gewicht. Es ist dem
ranzösischen Mathematiker und Physiker Henri
Pvincarö vorbehalten geblieben, mit der ganzen
Autorität seines Forscherrufes sie zur Geltung
u bringen. (Wissenschaft und Hypothese.
Deutsch von Weber. 2. Aufl. Berlin, Teubner,
191V.) Seine Philosophie läuft nicht auf einen
lachen Empirismus alten Stils heraus. Sie
eigt selbst, wieviel derVerstaud in aller Wissen¬
chaft zu leisten hat, daß das erkennende Ab¬
ilden der Wirklichkeit im Geiste keine so ein¬
ache Aufgabe ist. Auf der anderen Seite weist
Poincarö aber zwingend nach, daß das letzte
Kriterium überall die Erfahrung bleibt und
aß die Annäherung der Erkenntnis an sie
uch zunehmend größer wird. So viel sich
uch in ihr ändert, es geht immer ein ge¬
wisses und zunehmend größeres Quantum von
Sätzen in die weitere Entwicklung der Wissen¬
chaft über.

Deshalb wendet sich Poincarö auch mit
Nachdruck gegen eine im letzten Jahrzehnt so¬
wohl in Frankreich wie bei uns hervorgetretene
Auffassung, die in aller Wissenschaft nur eine
Spielregeln vergleichbare Regel des Handelns
rblickt: ein gemildert Pragmatistischer Stand¬
unkt. PoincarS entgegnet ebenso einfach wie
chlagend: Spielregeln kann man so oder so
ufstellen, in der Wissenschaft, die als Regel
es Handelns Erfolg haben soll und ihn hat,
st es nicht so.

Das sind die großen Hauptrichtungen, in
enen sich das Denken PoincarLs bewegt.
Daneben gibt es noch eine Menge Einzel¬
eiten, wo er den mathematisch und phy¬
kalisch hinreichend geschulten Leser durch geist¬
olle Bemerkungen zu fesseln weiß, so in bezug
uf die geometrischen Ariome und die mehr¬
imensionale Geometrie, die Wahrscheinlich¬
eitsrechnung, die in den Physikalischen Grund¬
egriffen von Masse, Kraft und Beschleunigung

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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samen Schaffens begierig sein, zumal wenn
man weiß, das; jeder der drei auf seinem Ge¬
biete mit höchstem Erfolg schon für die Jugend
gearbeitet hat. Im vorigen Jahre legten
Älbett Sergel, Hans v. Bdlkinann und Engel¬
bert Humperdinck unter dem lustigen Titel
„Didcldumdci" (Reutlingen, Enßlin u.Laiblin,
Preis 2,50 M.) das erste derartige Buch auf
denWeihnachtstisch. Die jubelnde Zustimmung,
die sie überall gefunden, hat sie bestimmt,
'nun das zweite Werk in die „Bunte Welt"
(im gleichen Verlage zu demselben billigen
Preise) zu senden, wo es der gleichen herz¬
lichen Aufnahme sicher sein darf. Albert
Sergels Verse Prägen sich dem kindlichen Ge¬
müte spielend ein, Huinperdincks Melodien
sind flüssig und leicht erlernbar, an Volkmanns
Bildern wird auch jeder Erwachsene seine helle
Freude haben. Mögen die prächtigen Bücher zu
Weihnachten recht vielen Kindern als hochwill¬
kommenes Geschenk dargeboten werden. "


Philosophie

Henri Poincarös Auffassung von der
Wissenschaft. Die überwiegende Mehrzahl
der deutschen Erkenntnistheoretiker der letzten
Jahrzehnte schloß sich eng an Kant an und
gab deshalb den Versuch einer apriorischen
Deduktion gewisser allgemeinster Naturgesetze,
wie des Prinzips der durchgängigen Kausalität
alles Wirklichen oder des Satzes der Erhaltung
der Kraft, nicht auf. Denn das war ja das
Streben Kants auf dem Gebiete der Natur¬
philosophie gewesen, zu zeigen, daß die Grund¬
struktur der Wirklichkeit, wie etwa jene zwei
Sätze sie wenigstens in zwei Punkten charak¬
terisieren, aus dem wahrnehmenden Subjekt
stammt; die Natur ist eine Erscheinung im
Bewußtsein, sie steht also auch unter den Be¬
dingungen desselben, sie muß sich seinen For¬
men fügen, wie eine Flüssigkeit in einem
Röhrensystem sich dessen Form anpassen muß.

Gegen diese Auffassung haben sich ein¬
sichtige Naturforscher seit Jahrzehnten nach¬
drücklich gewehrt. So wenig sie geneigt waren,
jene allgemeinsten Sätze, wie die Prinzipien
der Erhaltung von Masse und Kraft fallen
zu lassen, so wenig haben sie sich damit ein¬
verstanden erklärt, daß sich solche Sätze apriori
deduzieren lassen. Hermann v. Helmholtz hat
es in seiner letzten Epoche ausgesprochen, daß


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elbst das Prinzip der Kausalität zuletzt nichts
als eine Hypothese sei, die sich zwar bisher
n der Physik noch stets bewährte, die
aber dennoch eines strengen Beweises nicht
ähig ist.

Dem herrschenden Neukantianismus gegen¬
über blieb diese Einsicht im wesentlichen ein¬
lußlos. Sie fand innerhalb der Philosophie
einen hervorragenden Vertreter. Überall, wo
ie zur Geltung kam, fehlte der Stimme, die
ür sie eintrat, das Gewicht. Es ist dem
ranzösischen Mathematiker und Physiker Henri
Pvincarö vorbehalten geblieben, mit der ganzen
Autorität seines Forscherrufes sie zur Geltung
u bringen. (Wissenschaft und Hypothese.
Deutsch von Weber. 2. Aufl. Berlin, Teubner,
191V.) Seine Philosophie läuft nicht auf einen
lachen Empirismus alten Stils heraus. Sie
eigt selbst, wieviel derVerstaud in aller Wissen¬
chaft zu leisten hat, daß das erkennende Ab¬
ilden der Wirklichkeit im Geiste keine so ein¬
ache Aufgabe ist. Auf der anderen Seite weist
Poincarö aber zwingend nach, daß das letzte
Kriterium überall die Erfahrung bleibt und
aß die Annäherung der Erkenntnis an sie
uch zunehmend größer wird. So viel sich
uch in ihr ändert, es geht immer ein ge¬
wisses und zunehmend größeres Quantum von
Sätzen in die weitere Entwicklung der Wissen¬
chaft über.

Deshalb wendet sich Poincarö auch mit
Nachdruck gegen eine im letzten Jahrzehnt so¬
wohl in Frankreich wie bei uns hervorgetretene
Auffassung, die in aller Wissenschaft nur eine
Spielregeln vergleichbare Regel des Handelns
rblickt: ein gemildert Pragmatistischer Stand¬
unkt. PoincarS entgegnet ebenso einfach wie
chlagend: Spielregeln kann man so oder so
ufstellen, in der Wissenschaft, die als Regel
es Handelns Erfolg haben soll und ihn hat,
st es nicht so.

Das sind die großen Hauptrichtungen, in
enen sich das Denken PoincarLs bewegt.
Daneben gibt es noch eine Menge Einzel¬
eiten, wo er den mathematisch und phy¬
kalisch hinreichend geschulten Leser durch geist¬
olle Bemerkungen zu fesseln weiß, so in bezug
uf die geometrischen Ariome und die mehr¬
imensionale Geometrie, die Wahrscheinlich¬
eitsrechnung, die in den Physikalischen Grund¬
egriffen von Masse, Kraft und Beschleunigung

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[0458] Maßgebliches und Unmaßgebliches samen Schaffens begierig sein, zumal wenn man weiß, das; jeder der drei auf seinem Ge¬ biete mit höchstem Erfolg schon für die Jugend gearbeitet hat. Im vorigen Jahre legten Älbett Sergel, Hans v. Bdlkinann und Engel¬ bert Humperdinck unter dem lustigen Titel „Didcldumdci" (Reutlingen, Enßlin u.Laiblin, Preis 2,50 M.) das erste derartige Buch auf denWeihnachtstisch. Die jubelnde Zustimmung, die sie überall gefunden, hat sie bestimmt, 'nun das zweite Werk in die „Bunte Welt" (im gleichen Verlage zu demselben billigen Preise) zu senden, wo es der gleichen herz¬ lichen Aufnahme sicher sein darf. Albert Sergels Verse Prägen sich dem kindlichen Ge¬ müte spielend ein, Huinperdincks Melodien sind flüssig und leicht erlernbar, an Volkmanns Bildern wird auch jeder Erwachsene seine helle Freude haben. Mögen die prächtigen Bücher zu Weihnachten recht vielen Kindern als hochwill¬ kommenes Geschenk dargeboten werden. " Philosophie Henri Poincarös Auffassung von der Wissenschaft. Die überwiegende Mehrzahl der deutschen Erkenntnistheoretiker der letzten Jahrzehnte schloß sich eng an Kant an und gab deshalb den Versuch einer apriorischen Deduktion gewisser allgemeinster Naturgesetze, wie des Prinzips der durchgängigen Kausalität alles Wirklichen oder des Satzes der Erhaltung der Kraft, nicht auf. Denn das war ja das Streben Kants auf dem Gebiete der Natur¬ philosophie gewesen, zu zeigen, daß die Grund¬ struktur der Wirklichkeit, wie etwa jene zwei Sätze sie wenigstens in zwei Punkten charak¬ terisieren, aus dem wahrnehmenden Subjekt stammt; die Natur ist eine Erscheinung im Bewußtsein, sie steht also auch unter den Be¬ dingungen desselben, sie muß sich seinen For¬ men fügen, wie eine Flüssigkeit in einem Röhrensystem sich dessen Form anpassen muß. Gegen diese Auffassung haben sich ein¬ sichtige Naturforscher seit Jahrzehnten nach¬ drücklich gewehrt. So wenig sie geneigt waren, jene allgemeinsten Sätze, wie die Prinzipien der Erhaltung von Masse und Kraft fallen zu lassen, so wenig haben sie sich damit ein¬ verstanden erklärt, daß sich solche Sätze apriori deduzieren lassen. Hermann v. Helmholtz hat es in seiner letzten Epoche ausgesprochen, daß elbst das Prinzip der Kausalität zuletzt nichts als eine Hypothese sei, die sich zwar bisher n der Physik noch stets bewährte, die aber dennoch eines strengen Beweises nicht ähig ist. Dem herrschenden Neukantianismus gegen¬ über blieb diese Einsicht im wesentlichen ein¬ lußlos. Sie fand innerhalb der Philosophie einen hervorragenden Vertreter. Überall, wo ie zur Geltung kam, fehlte der Stimme, die ür sie eintrat, das Gewicht. Es ist dem ranzösischen Mathematiker und Physiker Henri Pvincarö vorbehalten geblieben, mit der ganzen Autorität seines Forscherrufes sie zur Geltung u bringen. (Wissenschaft und Hypothese. Deutsch von Weber. 2. Aufl. Berlin, Teubner, 191V.) Seine Philosophie läuft nicht auf einen lachen Empirismus alten Stils heraus. Sie eigt selbst, wieviel derVerstaud in aller Wissen¬ chaft zu leisten hat, daß das erkennende Ab¬ ilden der Wirklichkeit im Geiste keine so ein¬ ache Aufgabe ist. Auf der anderen Seite weist Poincarö aber zwingend nach, daß das letzte Kriterium überall die Erfahrung bleibt und aß die Annäherung der Erkenntnis an sie uch zunehmend größer wird. So viel sich uch in ihr ändert, es geht immer ein ge¬ wisses und zunehmend größeres Quantum von Sätzen in die weitere Entwicklung der Wissen¬ chaft über. Deshalb wendet sich Poincarö auch mit Nachdruck gegen eine im letzten Jahrzehnt so¬ wohl in Frankreich wie bei uns hervorgetretene Auffassung, die in aller Wissenschaft nur eine Spielregeln vergleichbare Regel des Handelns rblickt: ein gemildert Pragmatistischer Stand¬ unkt. PoincarS entgegnet ebenso einfach wie chlagend: Spielregeln kann man so oder so ufstellen, in der Wissenschaft, die als Regel es Handelns Erfolg haben soll und ihn hat, st es nicht so. Das sind die großen Hauptrichtungen, in enen sich das Denken PoincarLs bewegt. Daneben gibt es noch eine Menge Einzel¬ eiten, wo er den mathematisch und phy¬ kalisch hinreichend geschulten Leser durch geist¬ olle Bemerkungen zu fesseln weiß, so in bezug uf die geometrischen Ariome und die mehr¬ imensionale Geometrie, die Wahrscheinlich¬ eitsrechnung, die in den Physikalischen Grund¬ egriffen von Masse, Kraft und Beschleunigung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/458>, abgerufen am 23.07.2024.