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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Der Hamburger Mouistenkongrcß

"Sagt ihm lieber, ich nähme mir Bedenkzeit," erwiderte sie, indem sie ihn
hinausgeleitete. Und als er dann zwischen den blühenden Dornhecken seinem Hofe
zuschritt, hörte er, wie sie mit ihrer hellen Stimme ein Lied anstimmte.

Der ungeduldige Freier erwartete ihn am Tor.

"Nun?" rief er. "Bringt Ihr gute Post?"

"Wie Jhr's nehmen wollt," antwortete der Bote. "Jedenfalls hat sie Euren
Antrag nicht abgewiesen."

"Also angenommen?"

"Ebensowenig. Sie nimmt sich Bedenkzeit und hat versprochen, Euch ihre
Entscheidung durch mich wissen zu lassen."

"Dann soll ich also morgen wiederkommen?" fragte der Freiherr ein wenig
enttäuscht.

"Morgen schon? Wenn Ihr da nur nicht zu früh kommt, Herr Baron! Mir
scheint, sie hat es mit dem Freien nicht so eilig wie Ihr?"

"Habt Ihr denn kein pregsentiment, wie die Antwort ausfallen wird?"

Der Pastor zuckte die Achseln. "Wer kann sich bei den Weibern auskennen!"
meinte er. "Ihr müßt Geduld haben."

Herr Salentin unterdrückte mit Mühe einen Fluch. Er sollte Geduld haben,
er, gerade er, bei dem Geduld noch rarer als das liebe Geld war!

(Fortsetzung folgt.)




Der Hamburger Monistenkongreß
vou Prof. Dr. Denner

or dem Hamburger Monistenkongresz hat Prof. Dr. Ostwald, der
Vorsitzende des Monistenbundes, in den Zeitungen einen Artikel
veröffentlicht, in dem der Glanz und die Bedeutung des Hamburger
Monistenkongresses schon vor seiner Abwicklung gepriesen wird.
Nach wie vor bewegt sich Ostwald in seiner alten Unklarheit, wenn
er behauptet, daß gegenwärtig die "Wissenschaft" statt der Religion die letzten und
höchsten Fragen zu beantworten habe. Ostwald meint, die Religion habe stets die
Tendenz, das einmal erworbene Weltbild als absolut wahr festzuhalten, während
die Wissenschaft umgekehrt die Weltanschauung immer von neuem revidiert. Das
umgekehrte Verhältnis ist gerade wahr: Das Weltbild der Wissenschaft ist andauernd
zu revidieren (wobei die Religion selbstredend nichts mitzusprechen hat), und die
Weltanschauung ist das Beständige. Die Geschichte hat dies genugsam erwiesen.
Auf dem gleichen Mißverständnis beruht es, wenn Ostwald von einem beständigen
"Kampf zwischen Religion und Wissenschaft" redet, in dem diese stets gesiegt hat
und jene stets zu Konzessionen gezwungen sein soll. Dabei handelt es sich gar
nicht um "Religion", sondern um die "Kirche" und deren Vertreter. Dies sind
doch alles Selbstverständlichkeiten, auf die man einen Mann wie Ostwald nicht
aufmerksam zu machen nötig haben sollte.


Der Hamburger Mouistenkongrcß

„Sagt ihm lieber, ich nähme mir Bedenkzeit," erwiderte sie, indem sie ihn
hinausgeleitete. Und als er dann zwischen den blühenden Dornhecken seinem Hofe
zuschritt, hörte er, wie sie mit ihrer hellen Stimme ein Lied anstimmte.

Der ungeduldige Freier erwartete ihn am Tor.

„Nun?" rief er. „Bringt Ihr gute Post?"

„Wie Jhr's nehmen wollt," antwortete der Bote. „Jedenfalls hat sie Euren
Antrag nicht abgewiesen."

„Also angenommen?"

„Ebensowenig. Sie nimmt sich Bedenkzeit und hat versprochen, Euch ihre
Entscheidung durch mich wissen zu lassen."

„Dann soll ich also morgen wiederkommen?" fragte der Freiherr ein wenig
enttäuscht.

„Morgen schon? Wenn Ihr da nur nicht zu früh kommt, Herr Baron! Mir
scheint, sie hat es mit dem Freien nicht so eilig wie Ihr?"

„Habt Ihr denn kein pregsentiment, wie die Antwort ausfallen wird?"

Der Pastor zuckte die Achseln. „Wer kann sich bei den Weibern auskennen!"
meinte er. „Ihr müßt Geduld haben."

Herr Salentin unterdrückte mit Mühe einen Fluch. Er sollte Geduld haben,
er, gerade er, bei dem Geduld noch rarer als das liebe Geld war!

(Fortsetzung folgt.)




Der Hamburger Monistenkongreß
vou Prof. Dr. Denner

or dem Hamburger Monistenkongresz hat Prof. Dr. Ostwald, der
Vorsitzende des Monistenbundes, in den Zeitungen einen Artikel
veröffentlicht, in dem der Glanz und die Bedeutung des Hamburger
Monistenkongresses schon vor seiner Abwicklung gepriesen wird.
Nach wie vor bewegt sich Ostwald in seiner alten Unklarheit, wenn
er behauptet, daß gegenwärtig die „Wissenschaft" statt der Religion die letzten und
höchsten Fragen zu beantworten habe. Ostwald meint, die Religion habe stets die
Tendenz, das einmal erworbene Weltbild als absolut wahr festzuhalten, während
die Wissenschaft umgekehrt die Weltanschauung immer von neuem revidiert. Das
umgekehrte Verhältnis ist gerade wahr: Das Weltbild der Wissenschaft ist andauernd
zu revidieren (wobei die Religion selbstredend nichts mitzusprechen hat), und die
Weltanschauung ist das Beständige. Die Geschichte hat dies genugsam erwiesen.
Auf dem gleichen Mißverständnis beruht es, wenn Ostwald von einem beständigen
„Kampf zwischen Religion und Wissenschaft" redet, in dem diese stets gesiegt hat
und jene stets zu Konzessionen gezwungen sein soll. Dabei handelt es sich gar
nicht um „Religion", sondern um die „Kirche" und deren Vertreter. Dies sind
doch alles Selbstverständlichkeiten, auf die man einen Mann wie Ostwald nicht
aufmerksam zu machen nötig haben sollte.


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[0044] Der Hamburger Mouistenkongrcß „Sagt ihm lieber, ich nähme mir Bedenkzeit," erwiderte sie, indem sie ihn hinausgeleitete. Und als er dann zwischen den blühenden Dornhecken seinem Hofe zuschritt, hörte er, wie sie mit ihrer hellen Stimme ein Lied anstimmte. Der ungeduldige Freier erwartete ihn am Tor. „Nun?" rief er. „Bringt Ihr gute Post?" „Wie Jhr's nehmen wollt," antwortete der Bote. „Jedenfalls hat sie Euren Antrag nicht abgewiesen." „Also angenommen?" „Ebensowenig. Sie nimmt sich Bedenkzeit und hat versprochen, Euch ihre Entscheidung durch mich wissen zu lassen." „Dann soll ich also morgen wiederkommen?" fragte der Freiherr ein wenig enttäuscht. „Morgen schon? Wenn Ihr da nur nicht zu früh kommt, Herr Baron! Mir scheint, sie hat es mit dem Freien nicht so eilig wie Ihr?" „Habt Ihr denn kein pregsentiment, wie die Antwort ausfallen wird?" Der Pastor zuckte die Achseln. „Wer kann sich bei den Weibern auskennen!" meinte er. „Ihr müßt Geduld haben." Herr Salentin unterdrückte mit Mühe einen Fluch. Er sollte Geduld haben, er, gerade er, bei dem Geduld noch rarer als das liebe Geld war! (Fortsetzung folgt.) Der Hamburger Monistenkongreß vou Prof. Dr. Denner or dem Hamburger Monistenkongresz hat Prof. Dr. Ostwald, der Vorsitzende des Monistenbundes, in den Zeitungen einen Artikel veröffentlicht, in dem der Glanz und die Bedeutung des Hamburger Monistenkongresses schon vor seiner Abwicklung gepriesen wird. Nach wie vor bewegt sich Ostwald in seiner alten Unklarheit, wenn er behauptet, daß gegenwärtig die „Wissenschaft" statt der Religion die letzten und höchsten Fragen zu beantworten habe. Ostwald meint, die Religion habe stets die Tendenz, das einmal erworbene Weltbild als absolut wahr festzuhalten, während die Wissenschaft umgekehrt die Weltanschauung immer von neuem revidiert. Das umgekehrte Verhältnis ist gerade wahr: Das Weltbild der Wissenschaft ist andauernd zu revidieren (wobei die Religion selbstredend nichts mitzusprechen hat), und die Weltanschauung ist das Beständige. Die Geschichte hat dies genugsam erwiesen. Auf dem gleichen Mißverständnis beruht es, wenn Ostwald von einem beständigen „Kampf zwischen Religion und Wissenschaft" redet, in dem diese stets gesiegt hat und jene stets zu Konzessionen gezwungen sein soll. Dabei handelt es sich gar nicht um „Religion", sondern um die „Kirche" und deren Vertreter. Dies sind doch alles Selbstverständlichkeiten, auf die man einen Mann wie Ostwald nicht aufmerksam zu machen nötig haben sollte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/44>, abgerufen am 03.07.2024.