Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.Rcichsspicgel Zur Überwindung dieses geographischen Hindernisses gibt es zwei Mittel: Es verdient hervorgehoben zu werden, daß diese letzte Neuerung keineswegs Der Jdentitätsnachweis hatte bekanntlich den Ausfuhrhandel dieser Rcichsspicgel Zur Überwindung dieses geographischen Hindernisses gibt es zwei Mittel: Es verdient hervorgehoben zu werden, daß diese letzte Neuerung keineswegs Der Jdentitätsnachweis hatte bekanntlich den Ausfuhrhandel dieser <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0367" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319968"/> <fw type="header" place="top"> Rcichsspicgel</fw><lb/> <p xml:id="ID_1550"> Zur Überwindung dieses geographischen Hindernisses gibt es zwei Mittel:<lb/> einmal die Ermöglichung direkten Ausgleichs durch Verbilligung der Fracht, so¬<lb/> dann die Eröffnung eines indirekten Ausgleichs auf dem Umwege über das Aus¬<lb/> land durch Wegräumung der Zollschranken. Beide Wege sind nacheinander be-<lb/> schritten worden: im Jahre 1891 wurden auf den preußischen StacitSbahnen die<lb/> sogenannten Staffeltarife für Getreide eingeführt. 1894 wurden sie wieder be¬<lb/> seitigt und statt dessen unter Aufhebung deS sogenannten Identitätsnachweises<lb/> der Einfuhrscheinverkehr zugelassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1551"> Es verdient hervorgehoben zu werden, daß diese letzte Neuerung keineswegs<lb/> von den Getreideproduzenten des Ostens ausgegangen ist. Die östliche Land¬<lb/> wirtschaft war mit den Staffeltarifen wohl zufrieden und verhielt sich gegen die<lb/> Einfuhrscheine zunächst skeptisch, meist sogar ablehnend. Noch heute werden die<lb/> Staffeltarife vielfach zurückgewünscht. In der Tat kann die Landwirtschaft des<lb/> Ostens auf die Ausfuhr wohl verzichten, wenn ihr die Möglichkeit gegeben wird,<lb/> durch billige Frachten ihr Erzeugnis im deutschen Westen angemessen zu verwerten.<lb/> Anfechtung fanden die Staffeltarife im Westen und namentlich in Süddeutschland.<lb/> Die Aufhebung des Identitätsnachweises aber war eine Forderung des Getreide-<lb/> Handels an der Ostsee und ihr Vorkämpfer der freisinnige Abgeordnete Rickert.<lb/> Die Verhandlungen in den städtischen Körperschaften von Königsberg und Danzig<lb/> und die Stellungnahme auch der liberalen Presse der baltischen Provinzen haben<lb/> noch jüngst gezeigt, welcher Wert in diesen Hafenplätzen auf jene Errungenschaft,<lb/> d. i. auf die unveränderte Beibehaltung des Einfuhrscheinsystems gelegt wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1552" next="#ID_1553"> Der Jdentitätsnachweis hatte bekanntlich den Ausfuhrhandel dieser<lb/> Plätze auf ausländisches (russisches) Getreide beschränkt, das im Transitverkehr<lb/> durch Deutschland nach der Ostsee gesandt wurde. Nur für solches Getreide wurde<lb/> bei der Ausfuhr, wenn die „Identität" mit der Einfuhrmenge nachgewiesen<lb/> wurde, der Zoll erlassen oder erstattet. Das inländische Erzeugnis war von dieser<lb/> Vergünstigung und dadurch vermöge der Spannung zwischen Inlands- und<lb/> Weltmarktpreis im allgemeinen von der Ausfuhr ausgeschlossen. Nun wurde<lb/> geltend gemacht, daß es ein jener Durchfuhr wirtschaftlich ganz analoger Vorgang<lb/> ist, wenn das eingeführte ausländische Getreide im Lande bleibt und statt seiner<lb/> die gleiche Menge inländischen Produkts ins Ausland geht. In Anerkennung<lb/> dieser Analogie ist im Jahre 1894 — wie gesagt, auf das Drängen des Getreide¬<lb/> handels in den Ostseehäfen — der Jdentitätsnachweis aufgehoben und der<lb/> Einfuhrscheinverkehr zugelassen worden, welcher auch im Falle der Ausfuhr<lb/> inländischen Getreides eine zollfreie Ersatzeinfuhr aus dem Auslande gestattet.<lb/> Dadurch sind für den Austausch deutschen Getreides gegen fremdes die Zoll¬<lb/> schranken weggeräumt. Dem inländischen Getreide ist die Möglichkeit eröffnet,<lb/> trotz der Spannung zwischen Inlands- und Weltmarktpreis die Zollgrenze zu<lb/> überschreiten, was ihm bis dahin wegen der Zollpflicht bei der Wiedereinfuhr,<lb/> nicht einmal zur Benutzung des billigeren Seeweges nach den: deutschen Westen<lb/> möglich war. Jetzt wird in diesem Falle der Zoll bei der Wiedereinfuhr durch<lb/> den Einfuhrschein beglichen. Im Falle des Exports nach dem Auslande (z. B.<lb/> nach England oder Skandinavien) kann der Unterschied zwischen Weltmarkts- und<lb/> Inlandspreis durch die Verwertung des Einfuhrscheins bei der Ersatzeinfuhr<lb/> wettgemacht werden, sei es, daß der Exporteur dies selbst vornimmt, sei es, daß</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0367]
Rcichsspicgel
Zur Überwindung dieses geographischen Hindernisses gibt es zwei Mittel:
einmal die Ermöglichung direkten Ausgleichs durch Verbilligung der Fracht, so¬
dann die Eröffnung eines indirekten Ausgleichs auf dem Umwege über das Aus¬
land durch Wegräumung der Zollschranken. Beide Wege sind nacheinander be-
schritten worden: im Jahre 1891 wurden auf den preußischen StacitSbahnen die
sogenannten Staffeltarife für Getreide eingeführt. 1894 wurden sie wieder be¬
seitigt und statt dessen unter Aufhebung deS sogenannten Identitätsnachweises
der Einfuhrscheinverkehr zugelassen.
Es verdient hervorgehoben zu werden, daß diese letzte Neuerung keineswegs
von den Getreideproduzenten des Ostens ausgegangen ist. Die östliche Land¬
wirtschaft war mit den Staffeltarifen wohl zufrieden und verhielt sich gegen die
Einfuhrscheine zunächst skeptisch, meist sogar ablehnend. Noch heute werden die
Staffeltarife vielfach zurückgewünscht. In der Tat kann die Landwirtschaft des
Ostens auf die Ausfuhr wohl verzichten, wenn ihr die Möglichkeit gegeben wird,
durch billige Frachten ihr Erzeugnis im deutschen Westen angemessen zu verwerten.
Anfechtung fanden die Staffeltarife im Westen und namentlich in Süddeutschland.
Die Aufhebung des Identitätsnachweises aber war eine Forderung des Getreide-
Handels an der Ostsee und ihr Vorkämpfer der freisinnige Abgeordnete Rickert.
Die Verhandlungen in den städtischen Körperschaften von Königsberg und Danzig
und die Stellungnahme auch der liberalen Presse der baltischen Provinzen haben
noch jüngst gezeigt, welcher Wert in diesen Hafenplätzen auf jene Errungenschaft,
d. i. auf die unveränderte Beibehaltung des Einfuhrscheinsystems gelegt wird.
Der Jdentitätsnachweis hatte bekanntlich den Ausfuhrhandel dieser
Plätze auf ausländisches (russisches) Getreide beschränkt, das im Transitverkehr
durch Deutschland nach der Ostsee gesandt wurde. Nur für solches Getreide wurde
bei der Ausfuhr, wenn die „Identität" mit der Einfuhrmenge nachgewiesen
wurde, der Zoll erlassen oder erstattet. Das inländische Erzeugnis war von dieser
Vergünstigung und dadurch vermöge der Spannung zwischen Inlands- und
Weltmarktpreis im allgemeinen von der Ausfuhr ausgeschlossen. Nun wurde
geltend gemacht, daß es ein jener Durchfuhr wirtschaftlich ganz analoger Vorgang
ist, wenn das eingeführte ausländische Getreide im Lande bleibt und statt seiner
die gleiche Menge inländischen Produkts ins Ausland geht. In Anerkennung
dieser Analogie ist im Jahre 1894 — wie gesagt, auf das Drängen des Getreide¬
handels in den Ostseehäfen — der Jdentitätsnachweis aufgehoben und der
Einfuhrscheinverkehr zugelassen worden, welcher auch im Falle der Ausfuhr
inländischen Getreides eine zollfreie Ersatzeinfuhr aus dem Auslande gestattet.
Dadurch sind für den Austausch deutschen Getreides gegen fremdes die Zoll¬
schranken weggeräumt. Dem inländischen Getreide ist die Möglichkeit eröffnet,
trotz der Spannung zwischen Inlands- und Weltmarktpreis die Zollgrenze zu
überschreiten, was ihm bis dahin wegen der Zollpflicht bei der Wiedereinfuhr,
nicht einmal zur Benutzung des billigeren Seeweges nach den: deutschen Westen
möglich war. Jetzt wird in diesem Falle der Zoll bei der Wiedereinfuhr durch
den Einfuhrschein beglichen. Im Falle des Exports nach dem Auslande (z. B.
nach England oder Skandinavien) kann der Unterschied zwischen Weltmarkts- und
Inlandspreis durch die Verwertung des Einfuhrscheins bei der Ersatzeinfuhr
wettgemacht werden, sei es, daß der Exporteur dies selbst vornimmt, sei es, daß
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