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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Der Untergang des alten Beamtenstaats

anderen nützlichen Beziehungen berücksichtigen können -- Verwandtschaft*), Schul¬
freundschaft, Korpsbrüderschaft und dergleichen mehr.

Aber auch schon jetzt muß die Nachweisung den Eindruck machen, daß die
regierenden Stellen in unserer Verwaltung, also die Verwaltungsstellen, deren
Inhaber der ganzen Verwaltung das Gepräge verleihen, in den Händen eines
bestimmten Kreises, man kann auch sagen, einer Klique, sind, der, durch ein
ganzes Netzwerk von hin- und hergehenden Fäden zu einer Einheit verbunden,
im Innern straff zusammenhält und sich nach Außen gegen alle Mitbewerber,
die nicht dazu gehören, reinlich abschließt. Da die Angehörigen dieser regierenden
Klique jedenfalls in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit, sei es von Haus aus,
sei es durch Anpassung an die neue Umgebung, die Anschauungen und Be¬
strebungen der konservativen Partei und der ostelbischen Agrarier vertreten, so
erhält diese ganze Entwicklung allerdings eine Bedeutung, die über das Gebiet
der Verwaltungspersonalien, ja über die Verwaltung selbst, weit hinausgeht.

Dennoch muß ich auch hier wieder in voller und ehrlich überzeugter
Übereinstimmung mit den vielfachen älteren und neueren Regierungserklärungen
mit allem Nachdruck behaupten, daß konservative Gesinnung und Partei¬
zugehörigkeit die Ursache der Begünstigung der bevorzugten Beamten nicht sind.
Dieser besonderen Ursache bedarf es gar nicht mehr. Die sonstigen persönlichen
Beziehungen, die diesen Herren zur Seite stehen, reichen vollkommen aus, um
die vielen merkwürdigen Vorkommnisse in unserer Personalienverwaltung voll¬
ständig zu erklären. Welche Bedeutung in unseren Kreisen allein Korpsbeziehungen
haben müssen, lehrt schon die Beobachtung, daß so mancher Verwaltungsbeamte
seinen Sohn, der für die Verwaltung gestimmt ist, nicht dem eigenen Korps
zuführt, sondern einem anderen, das wirksamere Beziehungen zu einflußreichen
und maßgebenden Kreisen vermitteln kann. Außerdem wird die Richtigkeit meiner
Behauptung auch durch die tägliche Erfahrung sattsam bestätigt. Ich habe früher
schon einige Fälle angeführt, wo man Beamte, die keineswegs konservative
Gesinnung und Parteizugehörigkeit geltend machen konnten, in der Verwaltungs¬
laufbahn auffallend bevorzugt hat. Hier will ich noch darauf hinweisen, daß.
begünstigt durch ähnliche persönliche Beziehungen, viel mehr Beamte rein jüdischer
Abstammung oder doch mit einem kräftigen Einschuß jüdischen Blutes in die
allgemeine Verwaltung gekommen und darin bis in die höchsten Stellen auf¬
gestiegen sind, als sich gewisse Zeitungen und Politiker bei ihrem Schimpfen auf
das ostelbische Junkerregiment in der Verwaltung auch nur träumen lassen.
Parteitaktisch mag es bequem sein, die falsche Behauptung on einem
amtlich geförderten konservativen Junkerregiment bei uns immer wieder in
den politischen Kampf hinauszurufen. Wer es nicht schon gewußt hatte.



*) Der Herausgeber eines Verwaltungskalenders soll einmal beabsichtigt haben, in
seinein Kalender die verwandtschaftlichen Beziehungen der einzelnen Beamten anzugeben. Er
soll aber schon bald davon zurückgekommen sein, weil er selbst erschrocken sei über den großen
Umfang dieser Beziehungen, der sich ihm schon' nach wenigen Vorarbeiten ergeben hatte.
Der Untergang des alten Beamtenstaats

anderen nützlichen Beziehungen berücksichtigen können — Verwandtschaft*), Schul¬
freundschaft, Korpsbrüderschaft und dergleichen mehr.

Aber auch schon jetzt muß die Nachweisung den Eindruck machen, daß die
regierenden Stellen in unserer Verwaltung, also die Verwaltungsstellen, deren
Inhaber der ganzen Verwaltung das Gepräge verleihen, in den Händen eines
bestimmten Kreises, man kann auch sagen, einer Klique, sind, der, durch ein
ganzes Netzwerk von hin- und hergehenden Fäden zu einer Einheit verbunden,
im Innern straff zusammenhält und sich nach Außen gegen alle Mitbewerber,
die nicht dazu gehören, reinlich abschließt. Da die Angehörigen dieser regierenden
Klique jedenfalls in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit, sei es von Haus aus,
sei es durch Anpassung an die neue Umgebung, die Anschauungen und Be¬
strebungen der konservativen Partei und der ostelbischen Agrarier vertreten, so
erhält diese ganze Entwicklung allerdings eine Bedeutung, die über das Gebiet
der Verwaltungspersonalien, ja über die Verwaltung selbst, weit hinausgeht.

Dennoch muß ich auch hier wieder in voller und ehrlich überzeugter
Übereinstimmung mit den vielfachen älteren und neueren Regierungserklärungen
mit allem Nachdruck behaupten, daß konservative Gesinnung und Partei¬
zugehörigkeit die Ursache der Begünstigung der bevorzugten Beamten nicht sind.
Dieser besonderen Ursache bedarf es gar nicht mehr. Die sonstigen persönlichen
Beziehungen, die diesen Herren zur Seite stehen, reichen vollkommen aus, um
die vielen merkwürdigen Vorkommnisse in unserer Personalienverwaltung voll¬
ständig zu erklären. Welche Bedeutung in unseren Kreisen allein Korpsbeziehungen
haben müssen, lehrt schon die Beobachtung, daß so mancher Verwaltungsbeamte
seinen Sohn, der für die Verwaltung gestimmt ist, nicht dem eigenen Korps
zuführt, sondern einem anderen, das wirksamere Beziehungen zu einflußreichen
und maßgebenden Kreisen vermitteln kann. Außerdem wird die Richtigkeit meiner
Behauptung auch durch die tägliche Erfahrung sattsam bestätigt. Ich habe früher
schon einige Fälle angeführt, wo man Beamte, die keineswegs konservative
Gesinnung und Parteizugehörigkeit geltend machen konnten, in der Verwaltungs¬
laufbahn auffallend bevorzugt hat. Hier will ich noch darauf hinweisen, daß.
begünstigt durch ähnliche persönliche Beziehungen, viel mehr Beamte rein jüdischer
Abstammung oder doch mit einem kräftigen Einschuß jüdischen Blutes in die
allgemeine Verwaltung gekommen und darin bis in die höchsten Stellen auf¬
gestiegen sind, als sich gewisse Zeitungen und Politiker bei ihrem Schimpfen auf
das ostelbische Junkerregiment in der Verwaltung auch nur träumen lassen.
Parteitaktisch mag es bequem sein, die falsche Behauptung on einem
amtlich geförderten konservativen Junkerregiment bei uns immer wieder in
den politischen Kampf hinauszurufen. Wer es nicht schon gewußt hatte.



*) Der Herausgeber eines Verwaltungskalenders soll einmal beabsichtigt haben, in
seinein Kalender die verwandtschaftlichen Beziehungen der einzelnen Beamten anzugeben. Er
soll aber schon bald davon zurückgekommen sein, weil er selbst erschrocken sei über den großen
Umfang dieser Beziehungen, der sich ihm schon' nach wenigen Vorarbeiten ergeben hatte.
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[0336] Der Untergang des alten Beamtenstaats anderen nützlichen Beziehungen berücksichtigen können — Verwandtschaft*), Schul¬ freundschaft, Korpsbrüderschaft und dergleichen mehr. Aber auch schon jetzt muß die Nachweisung den Eindruck machen, daß die regierenden Stellen in unserer Verwaltung, also die Verwaltungsstellen, deren Inhaber der ganzen Verwaltung das Gepräge verleihen, in den Händen eines bestimmten Kreises, man kann auch sagen, einer Klique, sind, der, durch ein ganzes Netzwerk von hin- und hergehenden Fäden zu einer Einheit verbunden, im Innern straff zusammenhält und sich nach Außen gegen alle Mitbewerber, die nicht dazu gehören, reinlich abschließt. Da die Angehörigen dieser regierenden Klique jedenfalls in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit, sei es von Haus aus, sei es durch Anpassung an die neue Umgebung, die Anschauungen und Be¬ strebungen der konservativen Partei und der ostelbischen Agrarier vertreten, so erhält diese ganze Entwicklung allerdings eine Bedeutung, die über das Gebiet der Verwaltungspersonalien, ja über die Verwaltung selbst, weit hinausgeht. Dennoch muß ich auch hier wieder in voller und ehrlich überzeugter Übereinstimmung mit den vielfachen älteren und neueren Regierungserklärungen mit allem Nachdruck behaupten, daß konservative Gesinnung und Partei¬ zugehörigkeit die Ursache der Begünstigung der bevorzugten Beamten nicht sind. Dieser besonderen Ursache bedarf es gar nicht mehr. Die sonstigen persönlichen Beziehungen, die diesen Herren zur Seite stehen, reichen vollkommen aus, um die vielen merkwürdigen Vorkommnisse in unserer Personalienverwaltung voll¬ ständig zu erklären. Welche Bedeutung in unseren Kreisen allein Korpsbeziehungen haben müssen, lehrt schon die Beobachtung, daß so mancher Verwaltungsbeamte seinen Sohn, der für die Verwaltung gestimmt ist, nicht dem eigenen Korps zuführt, sondern einem anderen, das wirksamere Beziehungen zu einflußreichen und maßgebenden Kreisen vermitteln kann. Außerdem wird die Richtigkeit meiner Behauptung auch durch die tägliche Erfahrung sattsam bestätigt. Ich habe früher schon einige Fälle angeführt, wo man Beamte, die keineswegs konservative Gesinnung und Parteizugehörigkeit geltend machen konnten, in der Verwaltungs¬ laufbahn auffallend bevorzugt hat. Hier will ich noch darauf hinweisen, daß. begünstigt durch ähnliche persönliche Beziehungen, viel mehr Beamte rein jüdischer Abstammung oder doch mit einem kräftigen Einschuß jüdischen Blutes in die allgemeine Verwaltung gekommen und darin bis in die höchsten Stellen auf¬ gestiegen sind, als sich gewisse Zeitungen und Politiker bei ihrem Schimpfen auf das ostelbische Junkerregiment in der Verwaltung auch nur träumen lassen. Parteitaktisch mag es bequem sein, die falsche Behauptung on einem amtlich geförderten konservativen Junkerregiment bei uns immer wieder in den politischen Kampf hinauszurufen. Wer es nicht schon gewußt hatte. *) Der Herausgeber eines Verwaltungskalenders soll einmal beabsichtigt haben, in seinein Kalender die verwandtschaftlichen Beziehungen der einzelnen Beamten anzugeben. Er soll aber schon bald davon zurückgekommen sein, weil er selbst erschrocken sei über den großen Umfang dieser Beziehungen, der sich ihm schon' nach wenigen Vorarbeiten ergeben hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/336>, abgerufen am 26.08.2024.