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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Das neue Kamerun

Weiterbau anscheinend ernstlich erwogen, aber es wird noch eine Reihe von
Jahren ins Land gehen, bis die Lokomotive am Venus oder Mandaragebirge
pfeift. Einstweilen sollte man mit Energie Vorbereitungen zum rationellen
Betrieb der Baumwollkultur, der Vieh- und Pferdezucht treffen.

Einen Punkt aus dem Kongovertrag muß ich noch berühren, der schärfste
Aufmerksamkeit erfordert. An verschiedenen Stellen der Kolonie Kamerun und
LonZo krÄneai8 haben sich die Kontrahenten gegenseitig das Dnrchzugsrecht
bei militärischen Expeditionen, ja sogar das Recht zum Bau von Straßen und
Eisenbahnen aus zu pachtendem Grund und Boden eingeräumt.

So freundlich das klingt, so ernst können die Folgen dieser Abmachung
werden, da sie die Quelle von tausend Unzuträglichkeiten und Mißverständnissen
bilden kann; namentlich gilt dies für das Tschadseegebiet und Adamaua, das
den Franzosen an verschiedenen Stellen offen stehen soll. Das mißliche ist, daß
diese Zugeständnisse trotz der Versicherung der Gegenseitigkeit sehr einseitiger
Natur sind, denn nach Lage der geographischen und Verkehrsverhältnisse werden
wir wohl kaum je dazu kommen, unserseits davon Gebrauch zu machen. Die
Sache hat zwei Seiten, eine wirtschaftliche und eine politische. Wirtschaftlich
kann es uns ja recht angenehm sein, wenn ein reger Durchgangsverkehr den
an sich betriebsamen Eingeborenen Gelegenheit zum Absatz ihrer Produkte gibt
und sie damit zu erhöhter Tätigkeit anspornt. Denn solange wir z. B. nach den
Tschadseeländern keinen direkten Verkehrsweg haben, können wir selbst in dieser
Richtung nicht viel tun. Die politische Seite verdient aber ebenfalls ernste
Beachtung. Man vergegenwärtige sich einmal, was es für einen Eindruck auf
die Eingeborenen machen wird, wenn wir jetzt nach Negeranschauung über den
Logone zurückweichen, und einige Zeit später marschiert eine französische Kompagnie
ungehindert durch deutsches Gebiet, requiriert wohl gar Lebensmittel u. tgi.
Wir werden einem Negerschädel schwer beibringen können, daß dies auf freund¬
schaftlicher Vereinbarung beruht. Schärfste Beaufsichtigung französischer Durchzüge
und rechtzeitige Belehrung der Eingeborenen werden jedenfalls fehr vonnöten sein.

Ich habe mit diesen Darstellungen versucht, die Kritik am Kongovertrag
auf ein den Tatsachen entsprechendes Maß zurückzuführen. Ein Urteil darüber,
ob die uns zugefallenen Kompensationen für ein volles Äquivalent, für die von
uns aufgegebenen Ansprüche anzusehen sind, möchte ich nicht abgeben; dies ist
überhaupt schwerlich abzuschätzen. Es kann jedenfalls keinem Zweifel unter¬
liegen, daß die neuen Gebiete*) eine für die fernere Zukunft sehr wichtige Ab-
rundung Kameruns bilden werden, wenn wir verstehen, alle Vorteile richtig
auszunutzen, um bei etwaigen späteren Besitzverschiebungen in Zentralafrika
unsere Rechte mit Energie zu vertreten.





") Diejenigen unserer Leser, die sich eine lebendige Anschauung von dem deutschen Kongo¬
gebiet und den Tschadseeländern verschaffen wollen, möchten wir auf die letzten und kommenden
Nummern der bekannten Zeitschrift Kolonie und Heimat hinweisen. Es sind dort ungefähr
Die Schriftltg. sechzig gute Bilder aus den Kompensationsgebieten veröffentlicht.
Das neue Kamerun

Weiterbau anscheinend ernstlich erwogen, aber es wird noch eine Reihe von
Jahren ins Land gehen, bis die Lokomotive am Venus oder Mandaragebirge
pfeift. Einstweilen sollte man mit Energie Vorbereitungen zum rationellen
Betrieb der Baumwollkultur, der Vieh- und Pferdezucht treffen.

Einen Punkt aus dem Kongovertrag muß ich noch berühren, der schärfste
Aufmerksamkeit erfordert. An verschiedenen Stellen der Kolonie Kamerun und
LonZo krÄneai8 haben sich die Kontrahenten gegenseitig das Dnrchzugsrecht
bei militärischen Expeditionen, ja sogar das Recht zum Bau von Straßen und
Eisenbahnen aus zu pachtendem Grund und Boden eingeräumt.

So freundlich das klingt, so ernst können die Folgen dieser Abmachung
werden, da sie die Quelle von tausend Unzuträglichkeiten und Mißverständnissen
bilden kann; namentlich gilt dies für das Tschadseegebiet und Adamaua, das
den Franzosen an verschiedenen Stellen offen stehen soll. Das mißliche ist, daß
diese Zugeständnisse trotz der Versicherung der Gegenseitigkeit sehr einseitiger
Natur sind, denn nach Lage der geographischen und Verkehrsverhältnisse werden
wir wohl kaum je dazu kommen, unserseits davon Gebrauch zu machen. Die
Sache hat zwei Seiten, eine wirtschaftliche und eine politische. Wirtschaftlich
kann es uns ja recht angenehm sein, wenn ein reger Durchgangsverkehr den
an sich betriebsamen Eingeborenen Gelegenheit zum Absatz ihrer Produkte gibt
und sie damit zu erhöhter Tätigkeit anspornt. Denn solange wir z. B. nach den
Tschadseeländern keinen direkten Verkehrsweg haben, können wir selbst in dieser
Richtung nicht viel tun. Die politische Seite verdient aber ebenfalls ernste
Beachtung. Man vergegenwärtige sich einmal, was es für einen Eindruck auf
die Eingeborenen machen wird, wenn wir jetzt nach Negeranschauung über den
Logone zurückweichen, und einige Zeit später marschiert eine französische Kompagnie
ungehindert durch deutsches Gebiet, requiriert wohl gar Lebensmittel u. tgi.
Wir werden einem Negerschädel schwer beibringen können, daß dies auf freund¬
schaftlicher Vereinbarung beruht. Schärfste Beaufsichtigung französischer Durchzüge
und rechtzeitige Belehrung der Eingeborenen werden jedenfalls fehr vonnöten sein.

Ich habe mit diesen Darstellungen versucht, die Kritik am Kongovertrag
auf ein den Tatsachen entsprechendes Maß zurückzuführen. Ein Urteil darüber,
ob die uns zugefallenen Kompensationen für ein volles Äquivalent, für die von
uns aufgegebenen Ansprüche anzusehen sind, möchte ich nicht abgeben; dies ist
überhaupt schwerlich abzuschätzen. Es kann jedenfalls keinem Zweifel unter¬
liegen, daß die neuen Gebiete*) eine für die fernere Zukunft sehr wichtige Ab-
rundung Kameruns bilden werden, wenn wir verstehen, alle Vorteile richtig
auszunutzen, um bei etwaigen späteren Besitzverschiebungen in Zentralafrika
unsere Rechte mit Energie zu vertreten.





") Diejenigen unserer Leser, die sich eine lebendige Anschauung von dem deutschen Kongo¬
gebiet und den Tschadseeländern verschaffen wollen, möchten wir auf die letzten und kommenden
Nummern der bekannten Zeitschrift Kolonie und Heimat hinweisen. Es sind dort ungefähr
Die Schriftltg. sechzig gute Bilder aus den Kompensationsgebieten veröffentlicht.
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[0319] Das neue Kamerun Weiterbau anscheinend ernstlich erwogen, aber es wird noch eine Reihe von Jahren ins Land gehen, bis die Lokomotive am Venus oder Mandaragebirge pfeift. Einstweilen sollte man mit Energie Vorbereitungen zum rationellen Betrieb der Baumwollkultur, der Vieh- und Pferdezucht treffen. Einen Punkt aus dem Kongovertrag muß ich noch berühren, der schärfste Aufmerksamkeit erfordert. An verschiedenen Stellen der Kolonie Kamerun und LonZo krÄneai8 haben sich die Kontrahenten gegenseitig das Dnrchzugsrecht bei militärischen Expeditionen, ja sogar das Recht zum Bau von Straßen und Eisenbahnen aus zu pachtendem Grund und Boden eingeräumt. So freundlich das klingt, so ernst können die Folgen dieser Abmachung werden, da sie die Quelle von tausend Unzuträglichkeiten und Mißverständnissen bilden kann; namentlich gilt dies für das Tschadseegebiet und Adamaua, das den Franzosen an verschiedenen Stellen offen stehen soll. Das mißliche ist, daß diese Zugeständnisse trotz der Versicherung der Gegenseitigkeit sehr einseitiger Natur sind, denn nach Lage der geographischen und Verkehrsverhältnisse werden wir wohl kaum je dazu kommen, unserseits davon Gebrauch zu machen. Die Sache hat zwei Seiten, eine wirtschaftliche und eine politische. Wirtschaftlich kann es uns ja recht angenehm sein, wenn ein reger Durchgangsverkehr den an sich betriebsamen Eingeborenen Gelegenheit zum Absatz ihrer Produkte gibt und sie damit zu erhöhter Tätigkeit anspornt. Denn solange wir z. B. nach den Tschadseeländern keinen direkten Verkehrsweg haben, können wir selbst in dieser Richtung nicht viel tun. Die politische Seite verdient aber ebenfalls ernste Beachtung. Man vergegenwärtige sich einmal, was es für einen Eindruck auf die Eingeborenen machen wird, wenn wir jetzt nach Negeranschauung über den Logone zurückweichen, und einige Zeit später marschiert eine französische Kompagnie ungehindert durch deutsches Gebiet, requiriert wohl gar Lebensmittel u. tgi. Wir werden einem Negerschädel schwer beibringen können, daß dies auf freund¬ schaftlicher Vereinbarung beruht. Schärfste Beaufsichtigung französischer Durchzüge und rechtzeitige Belehrung der Eingeborenen werden jedenfalls fehr vonnöten sein. Ich habe mit diesen Darstellungen versucht, die Kritik am Kongovertrag auf ein den Tatsachen entsprechendes Maß zurückzuführen. Ein Urteil darüber, ob die uns zugefallenen Kompensationen für ein volles Äquivalent, für die von uns aufgegebenen Ansprüche anzusehen sind, möchte ich nicht abgeben; dies ist überhaupt schwerlich abzuschätzen. Es kann jedenfalls keinem Zweifel unter¬ liegen, daß die neuen Gebiete*) eine für die fernere Zukunft sehr wichtige Ab- rundung Kameruns bilden werden, wenn wir verstehen, alle Vorteile richtig auszunutzen, um bei etwaigen späteren Besitzverschiebungen in Zentralafrika unsere Rechte mit Energie zu vertreten. ") Diejenigen unserer Leser, die sich eine lebendige Anschauung von dem deutschen Kongo¬ gebiet und den Tschadseeländern verschaffen wollen, möchten wir auf die letzten und kommenden Nummern der bekannten Zeitschrift Kolonie und Heimat hinweisen. Es sind dort ungefähr Die Schriftltg. sechzig gute Bilder aus den Kompensationsgebieten veröffentlicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/319>, abgerufen am 26.08.2024.