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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Das neue Kamerun

in die Welt gehen. Ein kurzer Blick auf die Karte läßt erkennen, daß der
Handelsverkehr aus Südost-Kamerun über den Kongo einen bedeutenden Umweg
macht. Abgesehen von den Kosten mehrfacher Umladung hat dies den weiteren
Nachteil, daß wir natürlich auf die Tarifpolitik fremder Bahnen keinen Einfluß
haben, während doch gerade in einem Lande, dessen Produktionskräfte zum Teil
erst geweckt werden müssen, die Rücksichtnahme der Verkehrseinrichtungen auf
die Konjunktur eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt.

Das Ziel unserer Erschließungspolitik wird also sein, die Rolle umzukehren,
indem wir einen direkten Verkehrsweg von der Küste nach der Ostgrenze unserer
Kolonie und weiter an den Ubangi und Kongo schaffen, der den Handelsverkehr
der Kolonie und womöglich auch der fremden Nachbargebiete vom Kongo ab¬
zieht und durch Kamerun leitet. Ein Ansatz dazu ist bereits vorhanden. Es
wird gegenwärtig an der Kameruner Mittellandbahn von Duala nach Widi-
menge am Njong gebaut. Von Widimenge ist der Njong aufwärts bis
Abong Mbang schiffbar. Baut man nun von hier nordöstlich nach dem schiff¬
baren Dumefluß eine etwa 50 Kilometer lange Bahn, so hat man einen
Verkehrsweg bis nahe an die alte Kameruner Grenze, denn auch der Kadee, in
den der Düne fällt, ist auf seinem Oberlauf schiffbar. Wenn ein derartig kom-
binierterVerkehrsweg wegen der ewigen Umladungen für einen entwickelten Handels¬
verkehr auch unzulänglich ist, so wird er doch bei der ersten Erschließungsarbeit
wertvolle Dienste leisten. Abgesehen von den militärisch-politischen Vorteilen
einer raschen Verbindung mit dem unerschlossenen Osten und den angrenzenden
neuen Landschaften ist der Transport auf diesem Verkehrsweg immer noch
billiger als der Trägertransport. Inzwischen wird dann entweder die Mittel¬
landbahn bis zur Vereinigung des Dscha und Sanga verlängert oder, was
noch besser wäre, von dem Haupthandelsplatz Südkameruns Kribi eine besondere
Bahn dorthin gebaut werden müssen.

Was ist nun in Südkamerun einschließlich der neu dazukommenden Gebiete
zu holen? Bis jetzt bildet das Hauptprodukt, das zur Ausfuhr gelangt,
Kautschuk, der aus den im Urwald des Kongobeckens in ungeheuren Mengen
wild vorkommenden Kautschukpflanzen gewonnen wird. Allein in Kribi ist in
den Jahren 1905 bis 1910 zusammen für rund 30 Millionen Mark Kautschuk
verschifft worden, der aus dem Hinterland stammte. Nun wird seit Jahren
behauptet, das Land sei mittlerweile durch Raubbau ausgesogen, und doch
nimmt die Kautschukausfuhr von Jahr zu Jahr zu. Die Sache ist eben die,
daß in Wirklichkeit nur die leicht erreichbaren Gegenden ausgesogen sind. Wenn
man sich vorstellt, daß in einem Urwaldgebiet in der Größe des Deutschen Reichs,
in dem man Tagereisen weit überhaupt keinen Menschen antrifft, einige tausend
Neger Kautschuk sammeln, so kann man unmöglich glauben, daß das ganze
Gebiet ausgesogen ist. In der Tat werden immer neue Distrikte erschlossen, in
denen bis jetzt noch kein Mensch Kautschuk gesammelt hatte. Außerdem ist
neuerdings die interessante Beobachtung gemacht worden, daß in küstennahen


Das neue Kamerun

in die Welt gehen. Ein kurzer Blick auf die Karte läßt erkennen, daß der
Handelsverkehr aus Südost-Kamerun über den Kongo einen bedeutenden Umweg
macht. Abgesehen von den Kosten mehrfacher Umladung hat dies den weiteren
Nachteil, daß wir natürlich auf die Tarifpolitik fremder Bahnen keinen Einfluß
haben, während doch gerade in einem Lande, dessen Produktionskräfte zum Teil
erst geweckt werden müssen, die Rücksichtnahme der Verkehrseinrichtungen auf
die Konjunktur eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt.

Das Ziel unserer Erschließungspolitik wird also sein, die Rolle umzukehren,
indem wir einen direkten Verkehrsweg von der Küste nach der Ostgrenze unserer
Kolonie und weiter an den Ubangi und Kongo schaffen, der den Handelsverkehr
der Kolonie und womöglich auch der fremden Nachbargebiete vom Kongo ab¬
zieht und durch Kamerun leitet. Ein Ansatz dazu ist bereits vorhanden. Es
wird gegenwärtig an der Kameruner Mittellandbahn von Duala nach Widi-
menge am Njong gebaut. Von Widimenge ist der Njong aufwärts bis
Abong Mbang schiffbar. Baut man nun von hier nordöstlich nach dem schiff¬
baren Dumefluß eine etwa 50 Kilometer lange Bahn, so hat man einen
Verkehrsweg bis nahe an die alte Kameruner Grenze, denn auch der Kadee, in
den der Düne fällt, ist auf seinem Oberlauf schiffbar. Wenn ein derartig kom-
binierterVerkehrsweg wegen der ewigen Umladungen für einen entwickelten Handels¬
verkehr auch unzulänglich ist, so wird er doch bei der ersten Erschließungsarbeit
wertvolle Dienste leisten. Abgesehen von den militärisch-politischen Vorteilen
einer raschen Verbindung mit dem unerschlossenen Osten und den angrenzenden
neuen Landschaften ist der Transport auf diesem Verkehrsweg immer noch
billiger als der Trägertransport. Inzwischen wird dann entweder die Mittel¬
landbahn bis zur Vereinigung des Dscha und Sanga verlängert oder, was
noch besser wäre, von dem Haupthandelsplatz Südkameruns Kribi eine besondere
Bahn dorthin gebaut werden müssen.

Was ist nun in Südkamerun einschließlich der neu dazukommenden Gebiete
zu holen? Bis jetzt bildet das Hauptprodukt, das zur Ausfuhr gelangt,
Kautschuk, der aus den im Urwald des Kongobeckens in ungeheuren Mengen
wild vorkommenden Kautschukpflanzen gewonnen wird. Allein in Kribi ist in
den Jahren 1905 bis 1910 zusammen für rund 30 Millionen Mark Kautschuk
verschifft worden, der aus dem Hinterland stammte. Nun wird seit Jahren
behauptet, das Land sei mittlerweile durch Raubbau ausgesogen, und doch
nimmt die Kautschukausfuhr von Jahr zu Jahr zu. Die Sache ist eben die,
daß in Wirklichkeit nur die leicht erreichbaren Gegenden ausgesogen sind. Wenn
man sich vorstellt, daß in einem Urwaldgebiet in der Größe des Deutschen Reichs,
in dem man Tagereisen weit überhaupt keinen Menschen antrifft, einige tausend
Neger Kautschuk sammeln, so kann man unmöglich glauben, daß das ganze
Gebiet ausgesogen ist. In der Tat werden immer neue Distrikte erschlossen, in
denen bis jetzt noch kein Mensch Kautschuk gesammelt hatte. Außerdem ist
neuerdings die interessante Beobachtung gemacht worden, daß in küstennahen


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[0316] Das neue Kamerun in die Welt gehen. Ein kurzer Blick auf die Karte läßt erkennen, daß der Handelsverkehr aus Südost-Kamerun über den Kongo einen bedeutenden Umweg macht. Abgesehen von den Kosten mehrfacher Umladung hat dies den weiteren Nachteil, daß wir natürlich auf die Tarifpolitik fremder Bahnen keinen Einfluß haben, während doch gerade in einem Lande, dessen Produktionskräfte zum Teil erst geweckt werden müssen, die Rücksichtnahme der Verkehrseinrichtungen auf die Konjunktur eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Das Ziel unserer Erschließungspolitik wird also sein, die Rolle umzukehren, indem wir einen direkten Verkehrsweg von der Küste nach der Ostgrenze unserer Kolonie und weiter an den Ubangi und Kongo schaffen, der den Handelsverkehr der Kolonie und womöglich auch der fremden Nachbargebiete vom Kongo ab¬ zieht und durch Kamerun leitet. Ein Ansatz dazu ist bereits vorhanden. Es wird gegenwärtig an der Kameruner Mittellandbahn von Duala nach Widi- menge am Njong gebaut. Von Widimenge ist der Njong aufwärts bis Abong Mbang schiffbar. Baut man nun von hier nordöstlich nach dem schiff¬ baren Dumefluß eine etwa 50 Kilometer lange Bahn, so hat man einen Verkehrsweg bis nahe an die alte Kameruner Grenze, denn auch der Kadee, in den der Düne fällt, ist auf seinem Oberlauf schiffbar. Wenn ein derartig kom- binierterVerkehrsweg wegen der ewigen Umladungen für einen entwickelten Handels¬ verkehr auch unzulänglich ist, so wird er doch bei der ersten Erschließungsarbeit wertvolle Dienste leisten. Abgesehen von den militärisch-politischen Vorteilen einer raschen Verbindung mit dem unerschlossenen Osten und den angrenzenden neuen Landschaften ist der Transport auf diesem Verkehrsweg immer noch billiger als der Trägertransport. Inzwischen wird dann entweder die Mittel¬ landbahn bis zur Vereinigung des Dscha und Sanga verlängert oder, was noch besser wäre, von dem Haupthandelsplatz Südkameruns Kribi eine besondere Bahn dorthin gebaut werden müssen. Was ist nun in Südkamerun einschließlich der neu dazukommenden Gebiete zu holen? Bis jetzt bildet das Hauptprodukt, das zur Ausfuhr gelangt, Kautschuk, der aus den im Urwald des Kongobeckens in ungeheuren Mengen wild vorkommenden Kautschukpflanzen gewonnen wird. Allein in Kribi ist in den Jahren 1905 bis 1910 zusammen für rund 30 Millionen Mark Kautschuk verschifft worden, der aus dem Hinterland stammte. Nun wird seit Jahren behauptet, das Land sei mittlerweile durch Raubbau ausgesogen, und doch nimmt die Kautschukausfuhr von Jahr zu Jahr zu. Die Sache ist eben die, daß in Wirklichkeit nur die leicht erreichbaren Gegenden ausgesogen sind. Wenn man sich vorstellt, daß in einem Urwaldgebiet in der Größe des Deutschen Reichs, in dem man Tagereisen weit überhaupt keinen Menschen antrifft, einige tausend Neger Kautschuk sammeln, so kann man unmöglich glauben, daß das ganze Gebiet ausgesogen ist. In der Tat werden immer neue Distrikte erschlossen, in denen bis jetzt noch kein Mensch Kautschuk gesammelt hatte. Außerdem ist neuerdings die interessante Beobachtung gemacht worden, daß in küstennahen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/316>, abgerufen am 23.07.2024.