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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Rcichsbank und Geldumlauf

nach nicht dazu bestimmt sind, Zinsen zu tragen, und daß es daher schon ein
außerordentlicher wirtschaftlicher Gewinn ist, wenn der Einleger niedrige Zinsen
empfängt und der Bankier uur einen Teil der Gelder gewinnbringend anlegt.
Leider ist dieses Bewußtsein hierzulande auf beiden Seiten stark geschwunden.
Unzweifelhaft werden vielfach, namentlich in der Provinz, unter dem Einfluß
des Konkurrenzkampfes um die Depositengelder, Einsätze vergütet, die jedes
berechtigte Maß übersteigen. Es wäre eine sehr erfreuliche, von den Banken
wahrscheinlich willkommen geheißene Nebenwirkung, wenn die Zwangsreserve
hier Abhilfe schaffte.

Nun bleiben noch zwei Fragen offen: die Höhe der Zwangsreserve und
die Art und Weise der Durchführung der Maßregel.

Für die Größe der Zwangsreserve muß das Stärkungsbedürfnis der Reichs¬
bank entscheidend sein. Ungerechtfertigt und falsch wäre es, eine solche Reserve
in übermäßiger Höhe festzusetzen. Das wäre ein nutzloses Beginnen, das beiden
Teilen zum Schaden gereichen müßte, den Banken, weil es ihnen unnötige
Opfer auferlegt, der Neichsbank, weil eine übermäßige Bardeckung zur Zirkulation
überdeckter Noten und zu einer empfindlichen Gewinnschmälerung führen müßte.
Nun läßt sich aber dieses Stärkungsbedürfnis der Neichsbank wohl für einen
gegebenen Augenblick, aber nicht für die Zukunft ziffernmäßig veranschlagen;
es schwankt nach den Entwicklungsperioden der Volkswirtschaft und ist von
Umständen abhängig, die sich nicht voraussehen lassen. Schon das spricht gegen
die mechanische Festlegung der Neservestellung nach Prozentsätzen und gar gegen
eine solche im Wege des Gesetzes. Ein solches wäre gegenwärtig ohnedies nicht
zu erreichen, nachdem man mit Fug und Recht davon Abstand genommen hat,
irgendwelche grundlegende Änderung an dem gegenwärtigen Zustand unseres
Depositenivesens vorzunehmen. Es ist aber ein gesetzlicher Eingriff auch nicht
erforderlich. Die Reichsbank hat es vollkommen in der Hand, das gewünschte
Ziel auf administrativen Wege, durch eine Erhöhung der Guthabengrenze auf
Girokonto, zu erreichen. So vielerlei Bedenken einer gesetzlichen Regelung ent¬
gegenstehen, soviel Vorzüge weist die durch keinerlei Vorschriften beengte, nur
durch die Rücksichtnahme auf das Notwendige geleitete Ordnung im Verwaltungs¬
wege auf. Die Neichsbank ist bei Festsetzung der Mmdestguthaben frei; sie hat
es vollkommen in der Hand, diese so zu normieren, wie es ihr mit Rücksicht
auf ihre Leistung und Aufgabe" notwendig erscheint. Bisher sind nun für die
Forderung der Mindestguthaben nur privatwirtschaftliche Rücksichten maßgebend;
die unverzinslichen Guthaben sollen ein Äquivalent für die Kosten und Mühen
der Bank bei Einrichtung und Führung des provisionsfreien Giroüberweisungs¬
verkehrs darstellen; sie sind daher abgestuft nach Maßgabe der Leistung der
Neichsbank für den einzelnen Kontoinhaber, zum Teil auch nach Maßgabe von
dessen Gegenleistungen. Nach unserem Vorschlage würde für die Bestimmung
der Mindestguthaben der Banken nunmehr ein volkswirtschaftliches Prinzip an
die erste Stelle rücken: die Rücksicht auf die Ordnung des Zahlungswesens.


Rcichsbank und Geldumlauf

nach nicht dazu bestimmt sind, Zinsen zu tragen, und daß es daher schon ein
außerordentlicher wirtschaftlicher Gewinn ist, wenn der Einleger niedrige Zinsen
empfängt und der Bankier uur einen Teil der Gelder gewinnbringend anlegt.
Leider ist dieses Bewußtsein hierzulande auf beiden Seiten stark geschwunden.
Unzweifelhaft werden vielfach, namentlich in der Provinz, unter dem Einfluß
des Konkurrenzkampfes um die Depositengelder, Einsätze vergütet, die jedes
berechtigte Maß übersteigen. Es wäre eine sehr erfreuliche, von den Banken
wahrscheinlich willkommen geheißene Nebenwirkung, wenn die Zwangsreserve
hier Abhilfe schaffte.

Nun bleiben noch zwei Fragen offen: die Höhe der Zwangsreserve und
die Art und Weise der Durchführung der Maßregel.

Für die Größe der Zwangsreserve muß das Stärkungsbedürfnis der Reichs¬
bank entscheidend sein. Ungerechtfertigt und falsch wäre es, eine solche Reserve
in übermäßiger Höhe festzusetzen. Das wäre ein nutzloses Beginnen, das beiden
Teilen zum Schaden gereichen müßte, den Banken, weil es ihnen unnötige
Opfer auferlegt, der Neichsbank, weil eine übermäßige Bardeckung zur Zirkulation
überdeckter Noten und zu einer empfindlichen Gewinnschmälerung führen müßte.
Nun läßt sich aber dieses Stärkungsbedürfnis der Neichsbank wohl für einen
gegebenen Augenblick, aber nicht für die Zukunft ziffernmäßig veranschlagen;
es schwankt nach den Entwicklungsperioden der Volkswirtschaft und ist von
Umständen abhängig, die sich nicht voraussehen lassen. Schon das spricht gegen
die mechanische Festlegung der Neservestellung nach Prozentsätzen und gar gegen
eine solche im Wege des Gesetzes. Ein solches wäre gegenwärtig ohnedies nicht
zu erreichen, nachdem man mit Fug und Recht davon Abstand genommen hat,
irgendwelche grundlegende Änderung an dem gegenwärtigen Zustand unseres
Depositenivesens vorzunehmen. Es ist aber ein gesetzlicher Eingriff auch nicht
erforderlich. Die Reichsbank hat es vollkommen in der Hand, das gewünschte
Ziel auf administrativen Wege, durch eine Erhöhung der Guthabengrenze auf
Girokonto, zu erreichen. So vielerlei Bedenken einer gesetzlichen Regelung ent¬
gegenstehen, soviel Vorzüge weist die durch keinerlei Vorschriften beengte, nur
durch die Rücksichtnahme auf das Notwendige geleitete Ordnung im Verwaltungs¬
wege auf. Die Neichsbank ist bei Festsetzung der Mmdestguthaben frei; sie hat
es vollkommen in der Hand, diese so zu normieren, wie es ihr mit Rücksicht
auf ihre Leistung und Aufgabe» notwendig erscheint. Bisher sind nun für die
Forderung der Mindestguthaben nur privatwirtschaftliche Rücksichten maßgebend;
die unverzinslichen Guthaben sollen ein Äquivalent für die Kosten und Mühen
der Bank bei Einrichtung und Führung des provisionsfreien Giroüberweisungs¬
verkehrs darstellen; sie sind daher abgestuft nach Maßgabe der Leistung der
Neichsbank für den einzelnen Kontoinhaber, zum Teil auch nach Maßgabe von
dessen Gegenleistungen. Nach unserem Vorschlage würde für die Bestimmung
der Mindestguthaben der Banken nunmehr ein volkswirtschaftliches Prinzip an
die erste Stelle rücken: die Rücksicht auf die Ordnung des Zahlungswesens.


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[0274] Rcichsbank und Geldumlauf nach nicht dazu bestimmt sind, Zinsen zu tragen, und daß es daher schon ein außerordentlicher wirtschaftlicher Gewinn ist, wenn der Einleger niedrige Zinsen empfängt und der Bankier uur einen Teil der Gelder gewinnbringend anlegt. Leider ist dieses Bewußtsein hierzulande auf beiden Seiten stark geschwunden. Unzweifelhaft werden vielfach, namentlich in der Provinz, unter dem Einfluß des Konkurrenzkampfes um die Depositengelder, Einsätze vergütet, die jedes berechtigte Maß übersteigen. Es wäre eine sehr erfreuliche, von den Banken wahrscheinlich willkommen geheißene Nebenwirkung, wenn die Zwangsreserve hier Abhilfe schaffte. Nun bleiben noch zwei Fragen offen: die Höhe der Zwangsreserve und die Art und Weise der Durchführung der Maßregel. Für die Größe der Zwangsreserve muß das Stärkungsbedürfnis der Reichs¬ bank entscheidend sein. Ungerechtfertigt und falsch wäre es, eine solche Reserve in übermäßiger Höhe festzusetzen. Das wäre ein nutzloses Beginnen, das beiden Teilen zum Schaden gereichen müßte, den Banken, weil es ihnen unnötige Opfer auferlegt, der Neichsbank, weil eine übermäßige Bardeckung zur Zirkulation überdeckter Noten und zu einer empfindlichen Gewinnschmälerung führen müßte. Nun läßt sich aber dieses Stärkungsbedürfnis der Neichsbank wohl für einen gegebenen Augenblick, aber nicht für die Zukunft ziffernmäßig veranschlagen; es schwankt nach den Entwicklungsperioden der Volkswirtschaft und ist von Umständen abhängig, die sich nicht voraussehen lassen. Schon das spricht gegen die mechanische Festlegung der Neservestellung nach Prozentsätzen und gar gegen eine solche im Wege des Gesetzes. Ein solches wäre gegenwärtig ohnedies nicht zu erreichen, nachdem man mit Fug und Recht davon Abstand genommen hat, irgendwelche grundlegende Änderung an dem gegenwärtigen Zustand unseres Depositenivesens vorzunehmen. Es ist aber ein gesetzlicher Eingriff auch nicht erforderlich. Die Reichsbank hat es vollkommen in der Hand, das gewünschte Ziel auf administrativen Wege, durch eine Erhöhung der Guthabengrenze auf Girokonto, zu erreichen. So vielerlei Bedenken einer gesetzlichen Regelung ent¬ gegenstehen, soviel Vorzüge weist die durch keinerlei Vorschriften beengte, nur durch die Rücksichtnahme auf das Notwendige geleitete Ordnung im Verwaltungs¬ wege auf. Die Neichsbank ist bei Festsetzung der Mmdestguthaben frei; sie hat es vollkommen in der Hand, diese so zu normieren, wie es ihr mit Rücksicht auf ihre Leistung und Aufgabe» notwendig erscheint. Bisher sind nun für die Forderung der Mindestguthaben nur privatwirtschaftliche Rücksichten maßgebend; die unverzinslichen Guthaben sollen ein Äquivalent für die Kosten und Mühen der Bank bei Einrichtung und Führung des provisionsfreien Giroüberweisungs¬ verkehrs darstellen; sie sind daher abgestuft nach Maßgabe der Leistung der Neichsbank für den einzelnen Kontoinhaber, zum Teil auch nach Maßgabe von dessen Gegenleistungen. Nach unserem Vorschlage würde für die Bestimmung der Mindestguthaben der Banken nunmehr ein volkswirtschaftliches Prinzip an die erste Stelle rücken: die Rücksicht auf die Ordnung des Zahlungswesens.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/274>, abgerufen am 23.07.2024.