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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Roichsbcmk und Geldumlauf

Ferner hat die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre, ganz besonders
drastisch aber die des laufenden, bewiesen, daß die Beunruhigung des Geld¬
marktes und die zeitweilige außerordentliche Inanspruchnahme der Reichsbank
nicht auf ein dauerndes Mißverhältnis zwischen Anlage- und Betriebskapital
im Sinne Heiligenstadts zurückzuführen ist. Bestände ein solches Mißverhältnis,
wäre das Betriebskapital dauernd zu klein, so müßten notwendigerweise teuere
Zinssätze herrschen und eine Anspannung am Geldmarkt ähnlich wie in den Jahren
1906 und 1907 zu bemerken sein. Wie liegt es aber in Wirklichkeit? Wir haben
eine außerordentlich lebhafte Tätigkeit in Industrie und Handel, unsere Roheisen¬
produktion und Kohlenförderung, um nur diese zu nennen, sind größer als zu¬
zeiten der letzten Hochkonjunktur, die Ziffern des auswärtigen Handels steigen
von Jahr zu Jahr, die Industriellen vergrößern dauernd ihre Betriebe, ein
starkes Börsengeschäft und eine lebhafte Emissionstätigkeit bei ausgesprochener Hausse¬
tendenz beanspruchen bedeutendes Kapital -- und wir haben cun offenen Markte
Zinssätze von 1 bis 1^/-> Prozent, einen Privatsatz von 2^ und bis zum Herbst
einen Reichsbankdiskont von 4 Prozent gehabt. Trotz dieser außerordentlichen Geld-
flüsstgkeit, die allerdings durch starke Guthaben des Auslandes vermehrt wurde, ist
die periodische Inanspruchnahme der Reichsbank nicht geringer, sondern größer
geworden. Der klarste Beweis dafür, daß nicht etwa Betriebskapital in Form
von Anlagekapital übergeführt worden ist und nun das Manko im Wege des
Kredits beschafft werden muß, sondern daß es sich bei jener Inanspruchnahme
der Reichsbauk um ganz andere Dinge als um die Beschaffung von Leihkapital
handeltl -- Man wird also die Grundanschauung, auf der sich der Heiligen-
stadtsche Vorschlag aufbaut, sich nicht zu eigen machen können. Gleichwohl
aber erscheint der angedeutete Weg auch von dem hier vertretenen Standpunkt
aus zum Ziele zu führen. Dieses Ziel ist das gleiche: Die Barreserven der
Reichsbank zu stärken, um sie in den Stand zu setzen, den erhöhten Anforde¬
rungen an den Quartalsterminen zu entsprechen. Es wäre also zu prüfen, ob
eine von den Banken unterhaltene Zwangsreserve eine solche Verstärkung der
Barmittel zur Folge haben würde.

Von feiten der Banken ist das lebhaft bestritten worden. Insbesondere
bemüht sich das Rießersche Gutachten den Nachweis zu führen, daß eine solche
Maßregel den erhofften Erfolg nicht haben und eher nachteilig wirken müsse.
Denn, so lautet die Schlußfolgerung, die Banken würden eine solche Reserve
durch Abschreibung von ihrem Giroguthaben oder dnrch Kreditinanspruchnahme
bilden, mithin werde die Reichsbank zu einer vermehrten Kreditgewährung
gedrängt und der Zweck der Maßregel vereitelt.

Diese Einwürfe sind nicht stichhaltig. Guthaben bei der Reichsbank können
letzten Endes nur auf dreifache Weise gebildet werden: durch bare Einzahlung,
durch Einreichung von Noten oder Diskontierung von Wechseln. Das durch
den Verkauf von Wechseln gebildete Guthaben verwandelt sich aber durch den
Einzug bei Fälligkeit in ein durch bare Kasse gedecktes; bei der Eiureichung


Roichsbcmk und Geldumlauf

Ferner hat die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre, ganz besonders
drastisch aber die des laufenden, bewiesen, daß die Beunruhigung des Geld¬
marktes und die zeitweilige außerordentliche Inanspruchnahme der Reichsbank
nicht auf ein dauerndes Mißverhältnis zwischen Anlage- und Betriebskapital
im Sinne Heiligenstadts zurückzuführen ist. Bestände ein solches Mißverhältnis,
wäre das Betriebskapital dauernd zu klein, so müßten notwendigerweise teuere
Zinssätze herrschen und eine Anspannung am Geldmarkt ähnlich wie in den Jahren
1906 und 1907 zu bemerken sein. Wie liegt es aber in Wirklichkeit? Wir haben
eine außerordentlich lebhafte Tätigkeit in Industrie und Handel, unsere Roheisen¬
produktion und Kohlenförderung, um nur diese zu nennen, sind größer als zu¬
zeiten der letzten Hochkonjunktur, die Ziffern des auswärtigen Handels steigen
von Jahr zu Jahr, die Industriellen vergrößern dauernd ihre Betriebe, ein
starkes Börsengeschäft und eine lebhafte Emissionstätigkeit bei ausgesprochener Hausse¬
tendenz beanspruchen bedeutendes Kapital — und wir haben cun offenen Markte
Zinssätze von 1 bis 1^/-> Prozent, einen Privatsatz von 2^ und bis zum Herbst
einen Reichsbankdiskont von 4 Prozent gehabt. Trotz dieser außerordentlichen Geld-
flüsstgkeit, die allerdings durch starke Guthaben des Auslandes vermehrt wurde, ist
die periodische Inanspruchnahme der Reichsbank nicht geringer, sondern größer
geworden. Der klarste Beweis dafür, daß nicht etwa Betriebskapital in Form
von Anlagekapital übergeführt worden ist und nun das Manko im Wege des
Kredits beschafft werden muß, sondern daß es sich bei jener Inanspruchnahme
der Reichsbauk um ganz andere Dinge als um die Beschaffung von Leihkapital
handeltl — Man wird also die Grundanschauung, auf der sich der Heiligen-
stadtsche Vorschlag aufbaut, sich nicht zu eigen machen können. Gleichwohl
aber erscheint der angedeutete Weg auch von dem hier vertretenen Standpunkt
aus zum Ziele zu führen. Dieses Ziel ist das gleiche: Die Barreserven der
Reichsbank zu stärken, um sie in den Stand zu setzen, den erhöhten Anforde¬
rungen an den Quartalsterminen zu entsprechen. Es wäre also zu prüfen, ob
eine von den Banken unterhaltene Zwangsreserve eine solche Verstärkung der
Barmittel zur Folge haben würde.

Von feiten der Banken ist das lebhaft bestritten worden. Insbesondere
bemüht sich das Rießersche Gutachten den Nachweis zu führen, daß eine solche
Maßregel den erhofften Erfolg nicht haben und eher nachteilig wirken müsse.
Denn, so lautet die Schlußfolgerung, die Banken würden eine solche Reserve
durch Abschreibung von ihrem Giroguthaben oder dnrch Kreditinanspruchnahme
bilden, mithin werde die Reichsbank zu einer vermehrten Kreditgewährung
gedrängt und der Zweck der Maßregel vereitelt.

Diese Einwürfe sind nicht stichhaltig. Guthaben bei der Reichsbank können
letzten Endes nur auf dreifache Weise gebildet werden: durch bare Einzahlung,
durch Einreichung von Noten oder Diskontierung von Wechseln. Das durch
den Verkauf von Wechseln gebildete Guthaben verwandelt sich aber durch den
Einzug bei Fälligkeit in ein durch bare Kasse gedecktes; bei der Eiureichung


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[0271] Roichsbcmk und Geldumlauf Ferner hat die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre, ganz besonders drastisch aber die des laufenden, bewiesen, daß die Beunruhigung des Geld¬ marktes und die zeitweilige außerordentliche Inanspruchnahme der Reichsbank nicht auf ein dauerndes Mißverhältnis zwischen Anlage- und Betriebskapital im Sinne Heiligenstadts zurückzuführen ist. Bestände ein solches Mißverhältnis, wäre das Betriebskapital dauernd zu klein, so müßten notwendigerweise teuere Zinssätze herrschen und eine Anspannung am Geldmarkt ähnlich wie in den Jahren 1906 und 1907 zu bemerken sein. Wie liegt es aber in Wirklichkeit? Wir haben eine außerordentlich lebhafte Tätigkeit in Industrie und Handel, unsere Roheisen¬ produktion und Kohlenförderung, um nur diese zu nennen, sind größer als zu¬ zeiten der letzten Hochkonjunktur, die Ziffern des auswärtigen Handels steigen von Jahr zu Jahr, die Industriellen vergrößern dauernd ihre Betriebe, ein starkes Börsengeschäft und eine lebhafte Emissionstätigkeit bei ausgesprochener Hausse¬ tendenz beanspruchen bedeutendes Kapital — und wir haben cun offenen Markte Zinssätze von 1 bis 1^/-> Prozent, einen Privatsatz von 2^ und bis zum Herbst einen Reichsbankdiskont von 4 Prozent gehabt. Trotz dieser außerordentlichen Geld- flüsstgkeit, die allerdings durch starke Guthaben des Auslandes vermehrt wurde, ist die periodische Inanspruchnahme der Reichsbank nicht geringer, sondern größer geworden. Der klarste Beweis dafür, daß nicht etwa Betriebskapital in Form von Anlagekapital übergeführt worden ist und nun das Manko im Wege des Kredits beschafft werden muß, sondern daß es sich bei jener Inanspruchnahme der Reichsbauk um ganz andere Dinge als um die Beschaffung von Leihkapital handeltl — Man wird also die Grundanschauung, auf der sich der Heiligen- stadtsche Vorschlag aufbaut, sich nicht zu eigen machen können. Gleichwohl aber erscheint der angedeutete Weg auch von dem hier vertretenen Standpunkt aus zum Ziele zu führen. Dieses Ziel ist das gleiche: Die Barreserven der Reichsbank zu stärken, um sie in den Stand zu setzen, den erhöhten Anforde¬ rungen an den Quartalsterminen zu entsprechen. Es wäre also zu prüfen, ob eine von den Banken unterhaltene Zwangsreserve eine solche Verstärkung der Barmittel zur Folge haben würde. Von feiten der Banken ist das lebhaft bestritten worden. Insbesondere bemüht sich das Rießersche Gutachten den Nachweis zu führen, daß eine solche Maßregel den erhofften Erfolg nicht haben und eher nachteilig wirken müsse. Denn, so lautet die Schlußfolgerung, die Banken würden eine solche Reserve durch Abschreibung von ihrem Giroguthaben oder dnrch Kreditinanspruchnahme bilden, mithin werde die Reichsbank zu einer vermehrten Kreditgewährung gedrängt und der Zweck der Maßregel vereitelt. Diese Einwürfe sind nicht stichhaltig. Guthaben bei der Reichsbank können letzten Endes nur auf dreifache Weise gebildet werden: durch bare Einzahlung, durch Einreichung von Noten oder Diskontierung von Wechseln. Das durch den Verkauf von Wechseln gebildete Guthaben verwandelt sich aber durch den Einzug bei Fälligkeit in ein durch bare Kasse gedecktes; bei der Eiureichung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/271>, abgerufen am 23.07.2024.