Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Reichsbank und Geldumlauf

zu verdecken. Alle Maßnahmen, die darauf ausgehen, die normale Inanspruch¬
nahme der Reichsbank einzuschränken, beeinträchtigen ihre notwendige Funktion
als Regulator des Geldumlaufs und werden an anderer Stelle Störungen und
Hemmnisse hervorrufen.

Der^ Metallvorrat unserer Reichsbank, insbesondere der Goldschatz derselben,
ist nun aber in der Tat zu klein. Er ist der niedrigste aller großen zentralen
Notenbanken, wenn man von dem der Bank von England absieht. Im Krisenjahr
1907 war er auf ein beängstigend tiefes Niveau gesunken; er hat sich dann ein
Jahr darauf, hauptsächlich durch eine kräftige Devisenpolitik der Reichsbank und
energische Mittel zur Beförderung der Goldeinfuhr, um etwa 200 Millionen
gehoben und schwankt seitdem mit einer Spannung von etwa 150 Millionen
zwischen Niedrig- und Höchstziffer um den Betrag von etwa 750 Millionen.
Die Durchschnittsziffern des Goldbestandes betrugen in Millionen Mark:

1908 .... 785,2
1909 .... 795,3
1910 .... 777,8

Dagegen hatten Ende 1910 Goldbestünde in Millionen Mark:

Die Bank von Frankreich .... 2750,7
Die russische Staatsbank ..... 2624,8
Die österreichisch-ungarische Bank . . 1136,3
Die Bank von England..... 754,7

Vergleicht man die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands, wie sie schon
allein in den Ziffern seines auswärtigen Handels in Erscheinung tritt, der mit
16,6 Milliarden Mark nur von dem Englands übertroffen wird, mit der jener
anderen Länder, so ist klar, daß die im Besitz der Reichsbank befindliche Gold¬
reserve in der Tat zu niedrig ist. Dies erscheint besonders auffallend, weil der
Überschuß der jährlichen Goldeinfuhr (1908 310.8, 1909 28,6, 1910
181,6 Millionen) nicht unbedeutend ist. Wenn es trotz dieser Mehreinfuhr
und trotz der Bemühungen der Reichsbank, Gold aus dem Auslande an sich
zu ziehen, ihr nicht gelungen ist, ihren Goldbestand dauernd und progressiv zu
vermehren, so bleibt nur die Erklärung übrig, daß der Überschuß der Einfuhr
in den inneren Verkehr abströmt, soweit er nicht vom industriellen Verbrauch
absorbiert wird. (Allerdings beläuft sich der letztere allein auf jährlich 80 bis
100 Millionen Mark.) Es ist ja auch eine bekannte und oft beklagte Tatsache,
daß der Goldumlauf Deutschlands ein unwirtschaftlich hoher ist. Er ist von
mancher Seite auf nicht weniger als 3 bis 4 Milliarden Mark geschätzt worden;
nach einer neuerlichen Berechnung Arnolds soll er etwa 2300 bis 2400 Millionen
betragen. Verglichen mit dem Bestand der Neichsbank ist diese Zirkulations-
mcngc viel zu groß; daher die vielfältigen Versuche, sie einzuschränken und auf
ein angemesseneres Maß herabzudrücken. Jede Ersparung an Hartgeld-
umlauf wird letzten Endes dem Metallbestand der Reichsbank zu gute
kommen. Die Methoden des bargeldlosen Zahlungsausgleichs, Scheck-,


Reichsbank und Geldumlauf

zu verdecken. Alle Maßnahmen, die darauf ausgehen, die normale Inanspruch¬
nahme der Reichsbank einzuschränken, beeinträchtigen ihre notwendige Funktion
als Regulator des Geldumlaufs und werden an anderer Stelle Störungen und
Hemmnisse hervorrufen.

Der^ Metallvorrat unserer Reichsbank, insbesondere der Goldschatz derselben,
ist nun aber in der Tat zu klein. Er ist der niedrigste aller großen zentralen
Notenbanken, wenn man von dem der Bank von England absieht. Im Krisenjahr
1907 war er auf ein beängstigend tiefes Niveau gesunken; er hat sich dann ein
Jahr darauf, hauptsächlich durch eine kräftige Devisenpolitik der Reichsbank und
energische Mittel zur Beförderung der Goldeinfuhr, um etwa 200 Millionen
gehoben und schwankt seitdem mit einer Spannung von etwa 150 Millionen
zwischen Niedrig- und Höchstziffer um den Betrag von etwa 750 Millionen.
Die Durchschnittsziffern des Goldbestandes betrugen in Millionen Mark:

1908 .... 785,2
1909 .... 795,3
1910 .... 777,8

Dagegen hatten Ende 1910 Goldbestünde in Millionen Mark:

Die Bank von Frankreich .... 2750,7
Die russische Staatsbank ..... 2624,8
Die österreichisch-ungarische Bank . . 1136,3
Die Bank von England..... 754,7

Vergleicht man die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands, wie sie schon
allein in den Ziffern seines auswärtigen Handels in Erscheinung tritt, der mit
16,6 Milliarden Mark nur von dem Englands übertroffen wird, mit der jener
anderen Länder, so ist klar, daß die im Besitz der Reichsbank befindliche Gold¬
reserve in der Tat zu niedrig ist. Dies erscheint besonders auffallend, weil der
Überschuß der jährlichen Goldeinfuhr (1908 310.8, 1909 28,6, 1910
181,6 Millionen) nicht unbedeutend ist. Wenn es trotz dieser Mehreinfuhr
und trotz der Bemühungen der Reichsbank, Gold aus dem Auslande an sich
zu ziehen, ihr nicht gelungen ist, ihren Goldbestand dauernd und progressiv zu
vermehren, so bleibt nur die Erklärung übrig, daß der Überschuß der Einfuhr
in den inneren Verkehr abströmt, soweit er nicht vom industriellen Verbrauch
absorbiert wird. (Allerdings beläuft sich der letztere allein auf jährlich 80 bis
100 Millionen Mark.) Es ist ja auch eine bekannte und oft beklagte Tatsache,
daß der Goldumlauf Deutschlands ein unwirtschaftlich hoher ist. Er ist von
mancher Seite auf nicht weniger als 3 bis 4 Milliarden Mark geschätzt worden;
nach einer neuerlichen Berechnung Arnolds soll er etwa 2300 bis 2400 Millionen
betragen. Verglichen mit dem Bestand der Neichsbank ist diese Zirkulations-
mcngc viel zu groß; daher die vielfältigen Versuche, sie einzuschränken und auf
ein angemesseneres Maß herabzudrücken. Jede Ersparung an Hartgeld-
umlauf wird letzten Endes dem Metallbestand der Reichsbank zu gute
kommen. Die Methoden des bargeldlosen Zahlungsausgleichs, Scheck-,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0265" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319866"/>
            <fw type="header" place="top"> Reichsbank und Geldumlauf</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1050" prev="#ID_1049"> zu verdecken. Alle Maßnahmen, die darauf ausgehen, die normale Inanspruch¬<lb/>
nahme der Reichsbank einzuschränken, beeinträchtigen ihre notwendige Funktion<lb/>
als Regulator des Geldumlaufs und werden an anderer Stelle Störungen und<lb/>
Hemmnisse hervorrufen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1051"> Der^ Metallvorrat unserer Reichsbank, insbesondere der Goldschatz derselben,<lb/>
ist nun aber in der Tat zu klein. Er ist der niedrigste aller großen zentralen<lb/>
Notenbanken, wenn man von dem der Bank von England absieht. Im Krisenjahr<lb/>
1907 war er auf ein beängstigend tiefes Niveau gesunken; er hat sich dann ein<lb/>
Jahr darauf, hauptsächlich durch eine kräftige Devisenpolitik der Reichsbank und<lb/>
energische Mittel zur Beförderung der Goldeinfuhr, um etwa 200 Millionen<lb/>
gehoben und schwankt seitdem mit einer Spannung von etwa 150 Millionen<lb/>
zwischen Niedrig- und Höchstziffer um den Betrag von etwa 750 Millionen.<lb/>
Die Durchschnittsziffern des Goldbestandes betrugen in Millionen Mark:</p><lb/>
            <list>
              <item> 1908 .... 785,2</item>
              <item> 1909 .... 795,3</item>
              <item> 1910 .... 777,8</item>
            </list><lb/>
            <p xml:id="ID_1052"> Dagegen hatten Ende 1910 Goldbestünde in Millionen Mark:</p><lb/>
            <list>
              <item> Die Bank von Frankreich  .... 2750,7</item>
              <item> Die russische Staatsbank ..... 2624,8</item>
              <item> Die österreichisch-ungarische Bank . . 1136,3</item>
              <item> Die Bank von England..... 754,7</item>
            </list><lb/>
            <p xml:id="ID_1053" next="#ID_1054"> Vergleicht man die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands, wie sie schon<lb/>
allein in den Ziffern seines auswärtigen Handels in Erscheinung tritt, der mit<lb/>
16,6 Milliarden Mark nur von dem Englands übertroffen wird, mit der jener<lb/>
anderen Länder, so ist klar, daß die im Besitz der Reichsbank befindliche Gold¬<lb/>
reserve in der Tat zu niedrig ist. Dies erscheint besonders auffallend, weil der<lb/>
Überschuß der jährlichen Goldeinfuhr (1908 310.8, 1909 28,6, 1910<lb/>
181,6 Millionen) nicht unbedeutend ist. Wenn es trotz dieser Mehreinfuhr<lb/>
und trotz der Bemühungen der Reichsbank, Gold aus dem Auslande an sich<lb/>
zu ziehen, ihr nicht gelungen ist, ihren Goldbestand dauernd und progressiv zu<lb/>
vermehren, so bleibt nur die Erklärung übrig, daß der Überschuß der Einfuhr<lb/>
in den inneren Verkehr abströmt, soweit er nicht vom industriellen Verbrauch<lb/>
absorbiert wird. (Allerdings beläuft sich der letztere allein auf jährlich 80 bis<lb/>
100 Millionen Mark.) Es ist ja auch eine bekannte und oft beklagte Tatsache,<lb/>
daß der Goldumlauf Deutschlands ein unwirtschaftlich hoher ist. Er ist von<lb/>
mancher Seite auf nicht weniger als 3 bis 4 Milliarden Mark geschätzt worden;<lb/>
nach einer neuerlichen Berechnung Arnolds soll er etwa 2300 bis 2400 Millionen<lb/>
betragen. Verglichen mit dem Bestand der Neichsbank ist diese Zirkulations-<lb/>
mcngc viel zu groß; daher die vielfältigen Versuche, sie einzuschränken und auf<lb/>
ein angemesseneres Maß herabzudrücken. Jede Ersparung an Hartgeld-<lb/>
umlauf wird letzten Endes dem Metallbestand der Reichsbank zu gute<lb/>
kommen.  Die Methoden  des bargeldlosen  Zahlungsausgleichs, Scheck-,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0265] Reichsbank und Geldumlauf zu verdecken. Alle Maßnahmen, die darauf ausgehen, die normale Inanspruch¬ nahme der Reichsbank einzuschränken, beeinträchtigen ihre notwendige Funktion als Regulator des Geldumlaufs und werden an anderer Stelle Störungen und Hemmnisse hervorrufen. Der^ Metallvorrat unserer Reichsbank, insbesondere der Goldschatz derselben, ist nun aber in der Tat zu klein. Er ist der niedrigste aller großen zentralen Notenbanken, wenn man von dem der Bank von England absieht. Im Krisenjahr 1907 war er auf ein beängstigend tiefes Niveau gesunken; er hat sich dann ein Jahr darauf, hauptsächlich durch eine kräftige Devisenpolitik der Reichsbank und energische Mittel zur Beförderung der Goldeinfuhr, um etwa 200 Millionen gehoben und schwankt seitdem mit einer Spannung von etwa 150 Millionen zwischen Niedrig- und Höchstziffer um den Betrag von etwa 750 Millionen. Die Durchschnittsziffern des Goldbestandes betrugen in Millionen Mark: 1908 .... 785,2 1909 .... 795,3 1910 .... 777,8 Dagegen hatten Ende 1910 Goldbestünde in Millionen Mark: Die Bank von Frankreich .... 2750,7 Die russische Staatsbank ..... 2624,8 Die österreichisch-ungarische Bank . . 1136,3 Die Bank von England..... 754,7 Vergleicht man die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands, wie sie schon allein in den Ziffern seines auswärtigen Handels in Erscheinung tritt, der mit 16,6 Milliarden Mark nur von dem Englands übertroffen wird, mit der jener anderen Länder, so ist klar, daß die im Besitz der Reichsbank befindliche Gold¬ reserve in der Tat zu niedrig ist. Dies erscheint besonders auffallend, weil der Überschuß der jährlichen Goldeinfuhr (1908 310.8, 1909 28,6, 1910 181,6 Millionen) nicht unbedeutend ist. Wenn es trotz dieser Mehreinfuhr und trotz der Bemühungen der Reichsbank, Gold aus dem Auslande an sich zu ziehen, ihr nicht gelungen ist, ihren Goldbestand dauernd und progressiv zu vermehren, so bleibt nur die Erklärung übrig, daß der Überschuß der Einfuhr in den inneren Verkehr abströmt, soweit er nicht vom industriellen Verbrauch absorbiert wird. (Allerdings beläuft sich der letztere allein auf jährlich 80 bis 100 Millionen Mark.) Es ist ja auch eine bekannte und oft beklagte Tatsache, daß der Goldumlauf Deutschlands ein unwirtschaftlich hoher ist. Er ist von mancher Seite auf nicht weniger als 3 bis 4 Milliarden Mark geschätzt worden; nach einer neuerlichen Berechnung Arnolds soll er etwa 2300 bis 2400 Millionen betragen. Verglichen mit dem Bestand der Neichsbank ist diese Zirkulations- mcngc viel zu groß; daher die vielfältigen Versuche, sie einzuschränken und auf ein angemesseneres Maß herabzudrücken. Jede Ersparung an Hartgeld- umlauf wird letzten Endes dem Metallbestand der Reichsbank zu gute kommen. Die Methoden des bargeldlosen Zahlungsausgleichs, Scheck-,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/265
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/265>, abgerufen am 23.07.2024.