Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Tagesfragen

Das ist die schwere Zeit der Not. So
betitelt Herr Handelskammersyndikus Beudel-
Fmnkfurt a, O. einen Artikel in Ur. 42 der
Grenzboten. Es sei gestattet darauf zu ent¬
gegnen, denn die Leser, die in diese Fragen
nicht eingeweiht sind, werden durch den Artikel
nicht richtig instruiert. Den Hauptgrund der
Fleischteuerung verschweigt der Verfasser näm¬
lich. Und da er ihn verschweigt, so ist er
natürlich auch nicht in der Lage, das Haupt¬
mittel zur Abhilfe anzugeben. Der Herr Land¬
wirtschaftsminister hat in den Teuerungs¬
debatten im Reichstage folgendes Zahlenbild
gegeben:

Von 1891/95 betrug derSchweiuePreis 103 M.
der Preis für Schweinefleisch 13S "
Von 1906/10 betrug der Schweinepreis 124 "
der Preis für Schweinefleisch 167 "
1911 betrug der Schweinepreis 108 "
der Preis für Schweinefleisch 165 "

pro Doppelzentner.

Von 1891/95 betrug also die Spannung
32 Mark, von 1906/10 43 Mark, und trotzdem
der Schweinepreis 1911 um 16 Mark zurück¬
ging, blieb der Schweinefleischpreis auf 165
Mark stehen und die Spannung betrug 57 Mark.
Dies Zahlenmaterial sollte dem Städter zu
denken geben. ES muß ihn? doch dabei ein
Licht aufgehen, Vasz nicht, wie es dem Kon¬
sumenten in der Stadt vorgeredet wird, die
Landwirtschaft, sondern ganz andere Kreise
an der Fleischteuerung schuld sind. Nicht sind
es die kleinen Fleischer, aber der Großhandel
ist es, der das Fleisch verteuert, und zwar in
ganz überflüssiger Weise, nur um einen großen
Gewinn für sich zu erzielen. Vom Landwirt
verlangt man, er solle auf die Geldverhält¬
nisse der Konsumenten Rücksicht nehmen, be¬
sonders die linksstehende Großstadtpresse ver¬
langt es auf heftigste. AVer erst recht vom
Großhändler eS zu verlangen, daran denkt
man nicht. Wenn aber die Städter erst trotz
der Presse zu dieser Überzeugung gekommen
sein werden, dann werden sie auch erkennen,
wie allein Abhilfe geschafft werden kann. Das
kann^ur geschehen, indem sich die Konsumenten
zu Genossenschaften zusammenschließen, die das
Vieh unter Umgehung des Handels direkt von
der Landwirtschaft, von landwirtschaftlichen


[Spaltenumbruch]

Genossenschaften kaufen. Die Konsumenten
werden sich Wundern, wie billig sie dann zu
utem Fleische gelangen werden. Und wenn
ie Genossenschaften dann Lieferungsverträge
chließen, so wird sich auch der Viehbestand auf
emi Lande noch bedeutend vermehren, da die
Viehzüchter dann die Gewißheit haben, ihr Vieh
bestimmt zu einem annehmbaren Preise los¬
uwerden, während sie heute den Geschäftsrück¬
ichten der Händler auf Gnade und Ungnade
verkauft sind. Wenn der Landwirt bestimmt
weiß : das Vieh, was ich heute zur Mast auf¬
telle, werde ich nach einer bestimmten Zeit
u einem annehmbaren Preise los, so stellt
r auch eine Menge auf. Heute, wo er nicht
weiß, wie seine Chancen dann sein werden,
ann er das natürlich nicht riskieren. So
wird also auf diese Weise beiden Teilen ge¬
holfen. Der Konsument erhält billiges Fleisch
und der Produzent kann auf sichern Gewinn
echnen und deshalb auch seinen Viehbestand
bedeutend vermehren, was dann indirekt dem
Konsumenten auch wieder zu gute kommt.
Wozu Büchsenfleisch, wenn wir gutes frisches
Fleisch erhalten können? Aber das ist eben
nur möglich, nicht, wenn man auf die Land¬
wirte schimpft,sondernwenn man dem Zwischen¬
handel zu Leibe geht. Zu denken möge dem
Konsumenten auch folgendes geben. Woher
ommt es, daß die meisten Jagdpächter
der Gemeindejagden Viehhändler und Grosz-
chlächter sind? Wer gibt ihnen das Geld
dazu, diese Jagden zu Preisen zu pachten,
die nicht annähernd dem wirklichen Werte ent¬
prechen? Woher kommt eS, daß gerade diese
Kategorie so viel Geld übrig hat? Woher?
Und glaubt der Konsument, die Händler
würden das Fleisch auch wirklich billiger ver¬
aufen, wenn es möglich sein sollte, aus dem
Auslande billiges Fleisch zu bekommen?
Nehmen wir an, sie erhielten es 1911
tatt wie jetzt vom Landwirt für 108 Mark
vom Auslande für 100 Mark, dann wür¬
den die Fleischpreise vielleicht, um einen
alschen Schein zu erwecken, von 165 auf
163 Mark heravsinten, die Spannung würde
aber statt 57 Mark 63 Mark betragen. Oder
glaubt der Konsument, der Zwischenhandel,
der sich nicht geniert, eine Spannung von
57 Mark hervorzurufen, werde sich genieren,
Alb. noch 6 Mark drcmfzuschlagen?

[Ende Spaltensatz]


Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Tagesfragen

Das ist die schwere Zeit der Not. So
betitelt Herr Handelskammersyndikus Beudel-
Fmnkfurt a, O. einen Artikel in Ur. 42 der
Grenzboten. Es sei gestattet darauf zu ent¬
gegnen, denn die Leser, die in diese Fragen
nicht eingeweiht sind, werden durch den Artikel
nicht richtig instruiert. Den Hauptgrund der
Fleischteuerung verschweigt der Verfasser näm¬
lich. Und da er ihn verschweigt, so ist er
natürlich auch nicht in der Lage, das Haupt¬
mittel zur Abhilfe anzugeben. Der Herr Land¬
wirtschaftsminister hat in den Teuerungs¬
debatten im Reichstage folgendes Zahlenbild
gegeben:

Von 1891/95 betrug derSchweiuePreis 103 M.
der Preis für Schweinefleisch 13S „
Von 1906/10 betrug der Schweinepreis 124 „
der Preis für Schweinefleisch 167 „
1911 betrug der Schweinepreis 108 „
der Preis für Schweinefleisch 165 „

pro Doppelzentner.

Von 1891/95 betrug also die Spannung
32 Mark, von 1906/10 43 Mark, und trotzdem
der Schweinepreis 1911 um 16 Mark zurück¬
ging, blieb der Schweinefleischpreis auf 165
Mark stehen und die Spannung betrug 57 Mark.
Dies Zahlenmaterial sollte dem Städter zu
denken geben. ES muß ihn? doch dabei ein
Licht aufgehen, Vasz nicht, wie es dem Kon¬
sumenten in der Stadt vorgeredet wird, die
Landwirtschaft, sondern ganz andere Kreise
an der Fleischteuerung schuld sind. Nicht sind
es die kleinen Fleischer, aber der Großhandel
ist es, der das Fleisch verteuert, und zwar in
ganz überflüssiger Weise, nur um einen großen
Gewinn für sich zu erzielen. Vom Landwirt
verlangt man, er solle auf die Geldverhält¬
nisse der Konsumenten Rücksicht nehmen, be¬
sonders die linksstehende Großstadtpresse ver¬
langt es auf heftigste. AVer erst recht vom
Großhändler eS zu verlangen, daran denkt
man nicht. Wenn aber die Städter erst trotz
der Presse zu dieser Überzeugung gekommen
sein werden, dann werden sie auch erkennen,
wie allein Abhilfe geschafft werden kann. Das
kann^ur geschehen, indem sich die Konsumenten
zu Genossenschaften zusammenschließen, die das
Vieh unter Umgehung des Handels direkt von
der Landwirtschaft, von landwirtschaftlichen


[Spaltenumbruch]

Genossenschaften kaufen. Die Konsumenten
werden sich Wundern, wie billig sie dann zu
utem Fleische gelangen werden. Und wenn
ie Genossenschaften dann Lieferungsverträge
chließen, so wird sich auch der Viehbestand auf
emi Lande noch bedeutend vermehren, da die
Viehzüchter dann die Gewißheit haben, ihr Vieh
bestimmt zu einem annehmbaren Preise los¬
uwerden, während sie heute den Geschäftsrück¬
ichten der Händler auf Gnade und Ungnade
verkauft sind. Wenn der Landwirt bestimmt
weiß : das Vieh, was ich heute zur Mast auf¬
telle, werde ich nach einer bestimmten Zeit
u einem annehmbaren Preise los, so stellt
r auch eine Menge auf. Heute, wo er nicht
weiß, wie seine Chancen dann sein werden,
ann er das natürlich nicht riskieren. So
wird also auf diese Weise beiden Teilen ge¬
holfen. Der Konsument erhält billiges Fleisch
und der Produzent kann auf sichern Gewinn
echnen und deshalb auch seinen Viehbestand
bedeutend vermehren, was dann indirekt dem
Konsumenten auch wieder zu gute kommt.
Wozu Büchsenfleisch, wenn wir gutes frisches
Fleisch erhalten können? Aber das ist eben
nur möglich, nicht, wenn man auf die Land¬
wirte schimpft,sondernwenn man dem Zwischen¬
handel zu Leibe geht. Zu denken möge dem
Konsumenten auch folgendes geben. Woher
ommt es, daß die meisten Jagdpächter
der Gemeindejagden Viehhändler und Grosz-
chlächter sind? Wer gibt ihnen das Geld
dazu, diese Jagden zu Preisen zu pachten,
die nicht annähernd dem wirklichen Werte ent¬
prechen? Woher kommt eS, daß gerade diese
Kategorie so viel Geld übrig hat? Woher?
Und glaubt der Konsument, die Händler
würden das Fleisch auch wirklich billiger ver¬
aufen, wenn es möglich sein sollte, aus dem
Auslande billiges Fleisch zu bekommen?
Nehmen wir an, sie erhielten es 1911
tatt wie jetzt vom Landwirt für 108 Mark
vom Auslande für 100 Mark, dann wür¬
den die Fleischpreise vielleicht, um einen
alschen Schein zu erwecken, von 165 auf
163 Mark heravsinten, die Spannung würde
aber statt 57 Mark 63 Mark betragen. Oder
glaubt der Konsument, der Zwischenhandel,
der sich nicht geniert, eine Spannung von
57 Mark hervorzurufen, werde sich genieren,
Alb. noch 6 Mark drcmfzuschlagen?

[Ende Spaltensatz]


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0252" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319853"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <cb type="start"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Tagesfragen</head>
            <p xml:id="ID_1018"> Das ist die schwere Zeit der Not. So<lb/>
betitelt Herr Handelskammersyndikus Beudel-<lb/>
Fmnkfurt a, O. einen Artikel in Ur. 42 der<lb/>
Grenzboten. Es sei gestattet darauf zu ent¬<lb/>
gegnen, denn die Leser, die in diese Fragen<lb/>
nicht eingeweiht sind, werden durch den Artikel<lb/>
nicht richtig instruiert. Den Hauptgrund der<lb/>
Fleischteuerung verschweigt der Verfasser näm¬<lb/>
lich. Und da er ihn verschweigt, so ist er<lb/>
natürlich auch nicht in der Lage, das Haupt¬<lb/>
mittel zur Abhilfe anzugeben. Der Herr Land¬<lb/>
wirtschaftsminister hat in den Teuerungs¬<lb/>
debatten im Reichstage folgendes Zahlenbild<lb/>
gegeben:</p><lb/>
            <list>
              <item> Von 1891/95 betrug derSchweiuePreis 103 M.<lb/>
der Preis für Schweinefleisch 13S &#x201E;</item>
              <item> Von 1906/10 betrug der Schweinepreis 124 &#x201E;<lb/>
der Preis für Schweinefleisch 167 &#x201E;</item>
              <item> 1911 betrug der Schweinepreis    108 &#x201E;<lb/>
der Preis für Schweinefleisch 165 &#x201E;</item>
            </list><lb/>
            <p xml:id="ID_1019"> pro Doppelzentner.</p>
            <p xml:id="ID_1020" next="#ID_1021"> Von 1891/95 betrug also die Spannung<lb/>
32 Mark, von 1906/10 43 Mark, und trotzdem<lb/>
der Schweinepreis 1911 um 16 Mark zurück¬<lb/>
ging, blieb der Schweinefleischpreis auf 165<lb/>
Mark stehen und die Spannung betrug 57 Mark.<lb/>
Dies Zahlenmaterial sollte dem Städter zu<lb/>
denken geben. ES muß ihn? doch dabei ein<lb/>
Licht aufgehen, Vasz nicht, wie es dem Kon¬<lb/>
sumenten in der Stadt vorgeredet wird, die<lb/>
Landwirtschaft, sondern ganz andere Kreise<lb/>
an der Fleischteuerung schuld sind. Nicht sind<lb/>
es die kleinen Fleischer, aber der Großhandel<lb/>
ist es, der das Fleisch verteuert, und zwar in<lb/>
ganz überflüssiger Weise, nur um einen großen<lb/>
Gewinn für sich zu erzielen. Vom Landwirt<lb/>
verlangt man, er solle auf die Geldverhält¬<lb/>
nisse der Konsumenten Rücksicht nehmen, be¬<lb/>
sonders die linksstehende Großstadtpresse ver¬<lb/>
langt es auf heftigste. AVer erst recht vom<lb/>
Großhändler eS zu verlangen, daran denkt<lb/>
man nicht. Wenn aber die Städter erst trotz<lb/>
der Presse zu dieser Überzeugung gekommen<lb/>
sein werden, dann werden sie auch erkennen,<lb/>
wie allein Abhilfe geschafft werden kann. Das<lb/>
kann^ur geschehen, indem sich die Konsumenten<lb/>
zu Genossenschaften zusammenschließen, die das<lb/>
Vieh unter Umgehung des Handels direkt von<lb/>
der Landwirtschaft, von landwirtschaftlichen</p><lb/>
            <cb/><lb/>
            <p xml:id="ID_1021" prev="#ID_1020"> Genossenschaften kaufen. Die Konsumenten<lb/>
werden sich Wundern, wie billig sie dann zu<lb/>
utem Fleische gelangen werden. Und wenn<lb/>
ie Genossenschaften dann Lieferungsverträge<lb/>
chließen, so wird sich auch der Viehbestand auf<lb/>
emi Lande noch bedeutend vermehren, da die<lb/>
Viehzüchter dann die Gewißheit haben, ihr Vieh<lb/>
bestimmt zu einem annehmbaren Preise los¬<lb/>
uwerden, während sie heute den Geschäftsrück¬<lb/>
ichten der Händler auf Gnade und Ungnade<lb/>
verkauft sind. Wenn der Landwirt bestimmt<lb/>
weiß : das Vieh, was ich heute zur Mast auf¬<lb/>
telle, werde ich nach einer bestimmten Zeit<lb/>
u einem annehmbaren Preise los, so stellt<lb/>
r auch eine Menge auf. Heute, wo er nicht<lb/>
weiß, wie seine Chancen dann sein werden,<lb/>
ann er das natürlich nicht riskieren. So<lb/>
wird also auf diese Weise beiden Teilen ge¬<lb/>
holfen. Der Konsument erhält billiges Fleisch<lb/>
und der Produzent kann auf sichern Gewinn<lb/>
echnen und deshalb auch seinen Viehbestand<lb/>
bedeutend vermehren, was dann indirekt dem<lb/>
Konsumenten auch wieder zu gute kommt.<lb/>
Wozu Büchsenfleisch, wenn wir gutes frisches<lb/>
Fleisch erhalten können? Aber das ist eben<lb/>
nur möglich, nicht, wenn man auf die Land¬<lb/>
wirte schimpft,sondernwenn man dem Zwischen¬<lb/>
handel zu Leibe geht. Zu denken möge dem<lb/>
Konsumenten auch folgendes geben. Woher<lb/>
ommt es, daß die meisten Jagdpächter<lb/>
der Gemeindejagden Viehhändler und Grosz-<lb/>
chlächter sind? Wer gibt ihnen das Geld<lb/>
dazu, diese Jagden zu Preisen zu pachten,<lb/>
die nicht annähernd dem wirklichen Werte ent¬<lb/>
prechen? Woher kommt eS, daß gerade diese<lb/>
Kategorie so viel Geld übrig hat? Woher?<lb/>
Und glaubt der Konsument, die Händler<lb/>
würden das Fleisch auch wirklich billiger ver¬<lb/>
aufen, wenn es möglich sein sollte, aus dem<lb/>
Auslande billiges Fleisch zu bekommen?<lb/>
Nehmen wir an, sie erhielten es 1911<lb/>
tatt wie jetzt vom Landwirt für 108 Mark<lb/>
vom Auslande für 100 Mark, dann wür¬<lb/>
den die Fleischpreise vielleicht, um einen<lb/>
alschen Schein zu erwecken, von 165 auf<lb/>
163 Mark heravsinten, die Spannung würde<lb/>
aber statt 57 Mark 63 Mark betragen. Oder<lb/>
glaubt der Konsument, der Zwischenhandel,<lb/>
der sich nicht geniert, eine Spannung von<lb/>
57 Mark hervorzurufen, werde sich genieren,<lb/><note type="byline"> Alb.</note> noch 6 Mark drcmfzuschlagen? </p>
            <cb type="end"/><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0252] Maßgebliches und Unmaßgebliches Tagesfragen Das ist die schwere Zeit der Not. So betitelt Herr Handelskammersyndikus Beudel- Fmnkfurt a, O. einen Artikel in Ur. 42 der Grenzboten. Es sei gestattet darauf zu ent¬ gegnen, denn die Leser, die in diese Fragen nicht eingeweiht sind, werden durch den Artikel nicht richtig instruiert. Den Hauptgrund der Fleischteuerung verschweigt der Verfasser näm¬ lich. Und da er ihn verschweigt, so ist er natürlich auch nicht in der Lage, das Haupt¬ mittel zur Abhilfe anzugeben. Der Herr Land¬ wirtschaftsminister hat in den Teuerungs¬ debatten im Reichstage folgendes Zahlenbild gegeben: Von 1891/95 betrug derSchweiuePreis 103 M. der Preis für Schweinefleisch 13S „ Von 1906/10 betrug der Schweinepreis 124 „ der Preis für Schweinefleisch 167 „ 1911 betrug der Schweinepreis 108 „ der Preis für Schweinefleisch 165 „ pro Doppelzentner. Von 1891/95 betrug also die Spannung 32 Mark, von 1906/10 43 Mark, und trotzdem der Schweinepreis 1911 um 16 Mark zurück¬ ging, blieb der Schweinefleischpreis auf 165 Mark stehen und die Spannung betrug 57 Mark. Dies Zahlenmaterial sollte dem Städter zu denken geben. ES muß ihn? doch dabei ein Licht aufgehen, Vasz nicht, wie es dem Kon¬ sumenten in der Stadt vorgeredet wird, die Landwirtschaft, sondern ganz andere Kreise an der Fleischteuerung schuld sind. Nicht sind es die kleinen Fleischer, aber der Großhandel ist es, der das Fleisch verteuert, und zwar in ganz überflüssiger Weise, nur um einen großen Gewinn für sich zu erzielen. Vom Landwirt verlangt man, er solle auf die Geldverhält¬ nisse der Konsumenten Rücksicht nehmen, be¬ sonders die linksstehende Großstadtpresse ver¬ langt es auf heftigste. AVer erst recht vom Großhändler eS zu verlangen, daran denkt man nicht. Wenn aber die Städter erst trotz der Presse zu dieser Überzeugung gekommen sein werden, dann werden sie auch erkennen, wie allein Abhilfe geschafft werden kann. Das kann^ur geschehen, indem sich die Konsumenten zu Genossenschaften zusammenschließen, die das Vieh unter Umgehung des Handels direkt von der Landwirtschaft, von landwirtschaftlichen Genossenschaften kaufen. Die Konsumenten werden sich Wundern, wie billig sie dann zu utem Fleische gelangen werden. Und wenn ie Genossenschaften dann Lieferungsverträge chließen, so wird sich auch der Viehbestand auf emi Lande noch bedeutend vermehren, da die Viehzüchter dann die Gewißheit haben, ihr Vieh bestimmt zu einem annehmbaren Preise los¬ uwerden, während sie heute den Geschäftsrück¬ ichten der Händler auf Gnade und Ungnade verkauft sind. Wenn der Landwirt bestimmt weiß : das Vieh, was ich heute zur Mast auf¬ telle, werde ich nach einer bestimmten Zeit u einem annehmbaren Preise los, so stellt r auch eine Menge auf. Heute, wo er nicht weiß, wie seine Chancen dann sein werden, ann er das natürlich nicht riskieren. So wird also auf diese Weise beiden Teilen ge¬ holfen. Der Konsument erhält billiges Fleisch und der Produzent kann auf sichern Gewinn echnen und deshalb auch seinen Viehbestand bedeutend vermehren, was dann indirekt dem Konsumenten auch wieder zu gute kommt. Wozu Büchsenfleisch, wenn wir gutes frisches Fleisch erhalten können? Aber das ist eben nur möglich, nicht, wenn man auf die Land¬ wirte schimpft,sondernwenn man dem Zwischen¬ handel zu Leibe geht. Zu denken möge dem Konsumenten auch folgendes geben. Woher ommt es, daß die meisten Jagdpächter der Gemeindejagden Viehhändler und Grosz- chlächter sind? Wer gibt ihnen das Geld dazu, diese Jagden zu Preisen zu pachten, die nicht annähernd dem wirklichen Werte ent¬ prechen? Woher kommt eS, daß gerade diese Kategorie so viel Geld übrig hat? Woher? Und glaubt der Konsument, die Händler würden das Fleisch auch wirklich billiger ver¬ aufen, wenn es möglich sein sollte, aus dem Auslande billiges Fleisch zu bekommen? Nehmen wir an, sie erhielten es 1911 tatt wie jetzt vom Landwirt für 108 Mark vom Auslande für 100 Mark, dann wür¬ den die Fleischpreise vielleicht, um einen alschen Schein zu erwecken, von 165 auf 163 Mark heravsinten, die Spannung würde aber statt 57 Mark 63 Mark betragen. Oder glaubt der Konsument, der Zwischenhandel, der sich nicht geniert, eine Spannung von 57 Mark hervorzurufen, werde sich genieren, Alb. noch 6 Mark drcmfzuschlagen?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/252
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/252>, abgerufen am 23.07.2024.