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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Kaiser Wilhelm der Erste und die Kunst seiner Zeit

ausüben. Nicht ni Einrichtungen darf man eine Garantie gegen Herab-
minderung des Geistes der Ehre und Pflicht suchen, auch Strafparagraphen sind
eine unvollkommene Wehr dagegen. Die beste Gewähr für Hochhaltung der
Ehrliebe und des Pflichtbewußtseins bleiben Erziehung und Beispiel. Das
deutsche Offizierkorps soll und muß auf seiner Höhe erhalten werden. Die
besten Garantien hierfür bleiben sorgfältige Auswahl des Ersatzes, Beispiel der
Vorgesetzten, Gerechtigkeit, erkennbares Wohlwollen, Erziehung zur Selbstzucht,
Förderung edlen Strebens.




Aaiser Wilhelm der Grste und die Aunst seiner Zeit
von Prof. Dr. Berthold Haendcke

KMan kann sich fragen, ob denn der alte Kaiser mit der Kunst
während seiner Regierungszeit überhaupt etwas zu tun gehabt
hat; denn eigentlich hörte man nur: Se. Majestät besuchte heute
die große Kunstausstellung ini Glaspalast und kaufte die und die
Kunstwerke an, oder ähnliches. Von irgend einem persönlichen
Eingreifen in die künstlerischen Fragen seiner Zeit vernahm man niemals
etwas, kaum einmal von einer direkt erfolgten Bestellung. Der feinsinnige
Kunsthistoriker Herman Grimm, für den die Kunstgeschichte noch nicht aus nach
Schein" 1^ abgezogenen Künstlerbiographien, aber auch nicht aus üsthetisierenden
Kunstbetrachtungen vor begeisterten Hörerinnen bestand, unterhielt sich mit der
Kaiserin Augusta über literarisch-künstlerische Fragen -- das war so ziemlich
alles, was seinerzeit vom kaiserlichen Hos her über die Beschäftigung mit der
bildenden und redenden Kunst verlautbar wurde. Allerdings trieb sich, aber ohne
behördlichen' Auftrag, "bei Hofe" ein kleiner Malersmann herum, der dort so
ein bischen königlich-preußische und kaiserlich-deutsche Weltgeschichte zu erfassen
und, auch ohne Wissen und Wollen, ein wenig Kulturgeschichte zu malen sich
unterfing. Er hatte allerdings das Glück, die Ansichten der maßgebenden
Herrschaften zu treffen, da er, ohne sich dessen bewußt zu sein, den überlieferten
Reichtum der verflossenen Kunstperioden, wenn auch nur als Maler, zu nutzen
verstand. Und doch ist Adolf Menzel unzweifelhaft einmal ein Sezessionist
schlimmster Gattung gewesen, allerdings ohne das schöne I'art pour I'me
programmatisch erkannt zu haben.

Also weshalb Kaiser Wilhelms verehrungswürdige Gestalt in die künst¬
lerischen Kämpfe seiner Zeit hineinziehen, wenn von unmittelbaren Einwirkungen
nicht die Rede sein kann? Es gibt Fürsten und staatliche Mächte, welche die
Fähigkeit besitzen, Kräfte ihrer Epoche zur Reife gelangen zu lassen, dadurch,
daß sie ihnen die Möglichkeit ruhiger Entwicklung gewähren. Das tat Kaiser


Kaiser Wilhelm der Erste und die Kunst seiner Zeit

ausüben. Nicht ni Einrichtungen darf man eine Garantie gegen Herab-
minderung des Geistes der Ehre und Pflicht suchen, auch Strafparagraphen sind
eine unvollkommene Wehr dagegen. Die beste Gewähr für Hochhaltung der
Ehrliebe und des Pflichtbewußtseins bleiben Erziehung und Beispiel. Das
deutsche Offizierkorps soll und muß auf seiner Höhe erhalten werden. Die
besten Garantien hierfür bleiben sorgfältige Auswahl des Ersatzes, Beispiel der
Vorgesetzten, Gerechtigkeit, erkennbares Wohlwollen, Erziehung zur Selbstzucht,
Förderung edlen Strebens.




Aaiser Wilhelm der Grste und die Aunst seiner Zeit
von Prof. Dr. Berthold Haendcke

KMan kann sich fragen, ob denn der alte Kaiser mit der Kunst
während seiner Regierungszeit überhaupt etwas zu tun gehabt
hat; denn eigentlich hörte man nur: Se. Majestät besuchte heute
die große Kunstausstellung ini Glaspalast und kaufte die und die
Kunstwerke an, oder ähnliches. Von irgend einem persönlichen
Eingreifen in die künstlerischen Fragen seiner Zeit vernahm man niemals
etwas, kaum einmal von einer direkt erfolgten Bestellung. Der feinsinnige
Kunsthistoriker Herman Grimm, für den die Kunstgeschichte noch nicht aus nach
Schein« 1^ abgezogenen Künstlerbiographien, aber auch nicht aus üsthetisierenden
Kunstbetrachtungen vor begeisterten Hörerinnen bestand, unterhielt sich mit der
Kaiserin Augusta über literarisch-künstlerische Fragen — das war so ziemlich
alles, was seinerzeit vom kaiserlichen Hos her über die Beschäftigung mit der
bildenden und redenden Kunst verlautbar wurde. Allerdings trieb sich, aber ohne
behördlichen' Auftrag, „bei Hofe" ein kleiner Malersmann herum, der dort so
ein bischen königlich-preußische und kaiserlich-deutsche Weltgeschichte zu erfassen
und, auch ohne Wissen und Wollen, ein wenig Kulturgeschichte zu malen sich
unterfing. Er hatte allerdings das Glück, die Ansichten der maßgebenden
Herrschaften zu treffen, da er, ohne sich dessen bewußt zu sein, den überlieferten
Reichtum der verflossenen Kunstperioden, wenn auch nur als Maler, zu nutzen
verstand. Und doch ist Adolf Menzel unzweifelhaft einmal ein Sezessionist
schlimmster Gattung gewesen, allerdings ohne das schöne I'art pour I'me
programmatisch erkannt zu haben.

Also weshalb Kaiser Wilhelms verehrungswürdige Gestalt in die künst¬
lerischen Kämpfe seiner Zeit hineinziehen, wenn von unmittelbaren Einwirkungen
nicht die Rede sein kann? Es gibt Fürsten und staatliche Mächte, welche die
Fähigkeit besitzen, Kräfte ihrer Epoche zur Reife gelangen zu lassen, dadurch,
daß sie ihnen die Möglichkeit ruhiger Entwicklung gewähren. Das tat Kaiser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/20>, abgerufen am 03.07.2024.