Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Reichsbank und Geldumlauf

Dies ist aber nicht das einzige Bedenken, welches die Verteuerung der
Lombardkredite wachruft. schwerwiegender ist vielleicht noch die Verminderung
der Lombardfähigkeit unserer Staatspapiere, die infolge dieser Maßregel eintritt.
Der Anreiz, Bestände von erstklassiger Wertpapieren zu unterhalten, um im
Falle vorübergehenden Bedarfs hierauf Geld entnehmen zu können, muß stark
vermindert werden, wenn diese Art der Geldbeschaffung gerade an den Terminen
größten Bedarfs durch prohibitive Zinssätze unmöglich gemacht wird. Unter
den Vorschlägen zur Hebung des Kurses unserer Staatspapiere hat bekanntlich
auch der viele Anhänger gesunden, die Staatspapiere wie früher durch einen
Vorzugszinssatz in der Lombardfähigkeit zu stärken. Wollte man annehmen,
daß dies ein brauchbares Mittel für den beabsichtigten Zweck sei, so bedeutet
die Lombardverteuerung eine Maßregel, die nach der entgegengesetzten Seite
wirken muß.

Unter diesen Umständen kann das Gesamturteil über die neue Art der
Kreditbeschränkung nicht günstig ausfallen. Die Reichsbank wird prüfen müssen,
ob sie hier nicht einen Versuch mit untauglichen Mitteln unternommen hat.

In welcher Weise wäre nun aber dem beklagten Übel des übermäßigen
Ansturms an den Quartalsterminen abzuhelfen?

Um diese Frage zu beantworten ist es erforderlich, den Ursachen dieser
Erscheinung nachzugehen.

An sich scheinen diese nun klar genug zutage zu liegen. An den Quartals¬
terminen drängen sich nach unseren Gewohnheiten eine außerordentliche Menge
periodischer Zahlungen zusammen. Hypothekenkapitalien und Zinsen, Mieter
und Gehälter werden fällig und müssen auf den Tag beglichen werden. Zu
diesen Bedürfnissen der privaten Wirtschaft gesellen sich die Ansprüche des
Geschäfts- und Erwerbslebens; im Frühjahr müssen Mittel für die Bezahlung
der Aussaat, im Herbst für die der Ernte flüssig gemacht werden. Das ist
keine neue Erscheinung; einen erhöhten Ouartalsbedarf hat es immer gegeben.
Er ist etwas durchaus reguläres, ein bedenkliches Moment wohnt ihm nicht
inne. Diesem gesteigerten periodischen Bedarf nach Zahlungsmitteln soll und
kann die Reichsbank unter normalen Umständen durch Hergabe von Noten vollauf
entsprechen. Die Notenausgabe als die elastische Ergänzung unseres Geldwesens
hat den wechselnden Bedarf an Zahlungsmitteln auszugleichen. Während nun
aber früher dieser Quartalsbedarf sich in angemessenen Grenzen bewegte, hat er
in der jüngsten Zeit einen Umfang angenommen, der auffällig erscheint und auf
besonderen Ursachen beruhen muß. In den Verhandlungen der Bankenquete
war diese Erscheinung noch keineswegs Gegenstand der Erörterung. Man hat
sich zwar auf das eingehendste unter dem frischen Eindruck der Krisis mit den
Ursachen der Kreditüberspannung in den Jahren 1906 und 1907 befaßt und
eingehend die Mittel erwogen, die der Wiederkehr ähnlicher Zustände vorbeugen
könnten; daß aber in normalen Zeiten die Ansprüche an die Reichsbank Anlaß
zu Besorgnissen erwecken könnten, lag ganz außerhalb des Nahmens der Be-


Reichsbank und Geldumlauf

Dies ist aber nicht das einzige Bedenken, welches die Verteuerung der
Lombardkredite wachruft. schwerwiegender ist vielleicht noch die Verminderung
der Lombardfähigkeit unserer Staatspapiere, die infolge dieser Maßregel eintritt.
Der Anreiz, Bestände von erstklassiger Wertpapieren zu unterhalten, um im
Falle vorübergehenden Bedarfs hierauf Geld entnehmen zu können, muß stark
vermindert werden, wenn diese Art der Geldbeschaffung gerade an den Terminen
größten Bedarfs durch prohibitive Zinssätze unmöglich gemacht wird. Unter
den Vorschlägen zur Hebung des Kurses unserer Staatspapiere hat bekanntlich
auch der viele Anhänger gesunden, die Staatspapiere wie früher durch einen
Vorzugszinssatz in der Lombardfähigkeit zu stärken. Wollte man annehmen,
daß dies ein brauchbares Mittel für den beabsichtigten Zweck sei, so bedeutet
die Lombardverteuerung eine Maßregel, die nach der entgegengesetzten Seite
wirken muß.

Unter diesen Umständen kann das Gesamturteil über die neue Art der
Kreditbeschränkung nicht günstig ausfallen. Die Reichsbank wird prüfen müssen,
ob sie hier nicht einen Versuch mit untauglichen Mitteln unternommen hat.

In welcher Weise wäre nun aber dem beklagten Übel des übermäßigen
Ansturms an den Quartalsterminen abzuhelfen?

Um diese Frage zu beantworten ist es erforderlich, den Ursachen dieser
Erscheinung nachzugehen.

An sich scheinen diese nun klar genug zutage zu liegen. An den Quartals¬
terminen drängen sich nach unseren Gewohnheiten eine außerordentliche Menge
periodischer Zahlungen zusammen. Hypothekenkapitalien und Zinsen, Mieter
und Gehälter werden fällig und müssen auf den Tag beglichen werden. Zu
diesen Bedürfnissen der privaten Wirtschaft gesellen sich die Ansprüche des
Geschäfts- und Erwerbslebens; im Frühjahr müssen Mittel für die Bezahlung
der Aussaat, im Herbst für die der Ernte flüssig gemacht werden. Das ist
keine neue Erscheinung; einen erhöhten Ouartalsbedarf hat es immer gegeben.
Er ist etwas durchaus reguläres, ein bedenkliches Moment wohnt ihm nicht
inne. Diesem gesteigerten periodischen Bedarf nach Zahlungsmitteln soll und
kann die Reichsbank unter normalen Umständen durch Hergabe von Noten vollauf
entsprechen. Die Notenausgabe als die elastische Ergänzung unseres Geldwesens
hat den wechselnden Bedarf an Zahlungsmitteln auszugleichen. Während nun
aber früher dieser Quartalsbedarf sich in angemessenen Grenzen bewegte, hat er
in der jüngsten Zeit einen Umfang angenommen, der auffällig erscheint und auf
besonderen Ursachen beruhen muß. In den Verhandlungen der Bankenquete
war diese Erscheinung noch keineswegs Gegenstand der Erörterung. Man hat
sich zwar auf das eingehendste unter dem frischen Eindruck der Krisis mit den
Ursachen der Kreditüberspannung in den Jahren 1906 und 1907 befaßt und
eingehend die Mittel erwogen, die der Wiederkehr ähnlicher Zustände vorbeugen
könnten; daß aber in normalen Zeiten die Ansprüche an die Reichsbank Anlaß
zu Besorgnissen erwecken könnten, lag ganz außerhalb des Nahmens der Be-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0187" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319788"/>
          <fw type="header" place="top"> Reichsbank und Geldumlauf</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_734"> Dies ist aber nicht das einzige Bedenken, welches die Verteuerung der<lb/>
Lombardkredite wachruft. schwerwiegender ist vielleicht noch die Verminderung<lb/>
der Lombardfähigkeit unserer Staatspapiere, die infolge dieser Maßregel eintritt.<lb/>
Der Anreiz, Bestände von erstklassiger Wertpapieren zu unterhalten, um im<lb/>
Falle vorübergehenden Bedarfs hierauf Geld entnehmen zu können, muß stark<lb/>
vermindert werden, wenn diese Art der Geldbeschaffung gerade an den Terminen<lb/>
größten Bedarfs durch prohibitive Zinssätze unmöglich gemacht wird. Unter<lb/>
den Vorschlägen zur Hebung des Kurses unserer Staatspapiere hat bekanntlich<lb/>
auch der viele Anhänger gesunden, die Staatspapiere wie früher durch einen<lb/>
Vorzugszinssatz in der Lombardfähigkeit zu stärken. Wollte man annehmen,<lb/>
daß dies ein brauchbares Mittel für den beabsichtigten Zweck sei, so bedeutet<lb/>
die Lombardverteuerung eine Maßregel, die nach der entgegengesetzten Seite<lb/>
wirken muß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_735"> Unter diesen Umständen kann das Gesamturteil über die neue Art der<lb/>
Kreditbeschränkung nicht günstig ausfallen. Die Reichsbank wird prüfen müssen,<lb/>
ob sie hier nicht einen Versuch mit untauglichen Mitteln unternommen hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_736"> In welcher Weise wäre nun aber dem beklagten Übel des übermäßigen<lb/>
Ansturms an den Quartalsterminen abzuhelfen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_737"> Um diese Frage zu beantworten ist es erforderlich, den Ursachen dieser<lb/>
Erscheinung nachzugehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_738" next="#ID_739"> An sich scheinen diese nun klar genug zutage zu liegen. An den Quartals¬<lb/>
terminen drängen sich nach unseren Gewohnheiten eine außerordentliche Menge<lb/>
periodischer Zahlungen zusammen. Hypothekenkapitalien und Zinsen, Mieter<lb/>
und Gehälter werden fällig und müssen auf den Tag beglichen werden. Zu<lb/>
diesen Bedürfnissen der privaten Wirtschaft gesellen sich die Ansprüche des<lb/>
Geschäfts- und Erwerbslebens; im Frühjahr müssen Mittel für die Bezahlung<lb/>
der Aussaat, im Herbst für die der Ernte flüssig gemacht werden. Das ist<lb/>
keine neue Erscheinung; einen erhöhten Ouartalsbedarf hat es immer gegeben.<lb/>
Er ist etwas durchaus reguläres, ein bedenkliches Moment wohnt ihm nicht<lb/>
inne. Diesem gesteigerten periodischen Bedarf nach Zahlungsmitteln soll und<lb/>
kann die Reichsbank unter normalen Umständen durch Hergabe von Noten vollauf<lb/>
entsprechen. Die Notenausgabe als die elastische Ergänzung unseres Geldwesens<lb/>
hat den wechselnden Bedarf an Zahlungsmitteln auszugleichen. Während nun<lb/>
aber früher dieser Quartalsbedarf sich in angemessenen Grenzen bewegte, hat er<lb/>
in der jüngsten Zeit einen Umfang angenommen, der auffällig erscheint und auf<lb/>
besonderen Ursachen beruhen muß. In den Verhandlungen der Bankenquete<lb/>
war diese Erscheinung noch keineswegs Gegenstand der Erörterung. Man hat<lb/>
sich zwar auf das eingehendste unter dem frischen Eindruck der Krisis mit den<lb/>
Ursachen der Kreditüberspannung in den Jahren 1906 und 1907 befaßt und<lb/>
eingehend die Mittel erwogen, die der Wiederkehr ähnlicher Zustände vorbeugen<lb/>
könnten; daß aber in normalen Zeiten die Ansprüche an die Reichsbank Anlaß<lb/>
zu Besorgnissen erwecken könnten, lag ganz außerhalb des Nahmens der Be-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0187] Reichsbank und Geldumlauf Dies ist aber nicht das einzige Bedenken, welches die Verteuerung der Lombardkredite wachruft. schwerwiegender ist vielleicht noch die Verminderung der Lombardfähigkeit unserer Staatspapiere, die infolge dieser Maßregel eintritt. Der Anreiz, Bestände von erstklassiger Wertpapieren zu unterhalten, um im Falle vorübergehenden Bedarfs hierauf Geld entnehmen zu können, muß stark vermindert werden, wenn diese Art der Geldbeschaffung gerade an den Terminen größten Bedarfs durch prohibitive Zinssätze unmöglich gemacht wird. Unter den Vorschlägen zur Hebung des Kurses unserer Staatspapiere hat bekanntlich auch der viele Anhänger gesunden, die Staatspapiere wie früher durch einen Vorzugszinssatz in der Lombardfähigkeit zu stärken. Wollte man annehmen, daß dies ein brauchbares Mittel für den beabsichtigten Zweck sei, so bedeutet die Lombardverteuerung eine Maßregel, die nach der entgegengesetzten Seite wirken muß. Unter diesen Umständen kann das Gesamturteil über die neue Art der Kreditbeschränkung nicht günstig ausfallen. Die Reichsbank wird prüfen müssen, ob sie hier nicht einen Versuch mit untauglichen Mitteln unternommen hat. In welcher Weise wäre nun aber dem beklagten Übel des übermäßigen Ansturms an den Quartalsterminen abzuhelfen? Um diese Frage zu beantworten ist es erforderlich, den Ursachen dieser Erscheinung nachzugehen. An sich scheinen diese nun klar genug zutage zu liegen. An den Quartals¬ terminen drängen sich nach unseren Gewohnheiten eine außerordentliche Menge periodischer Zahlungen zusammen. Hypothekenkapitalien und Zinsen, Mieter und Gehälter werden fällig und müssen auf den Tag beglichen werden. Zu diesen Bedürfnissen der privaten Wirtschaft gesellen sich die Ansprüche des Geschäfts- und Erwerbslebens; im Frühjahr müssen Mittel für die Bezahlung der Aussaat, im Herbst für die der Ernte flüssig gemacht werden. Das ist keine neue Erscheinung; einen erhöhten Ouartalsbedarf hat es immer gegeben. Er ist etwas durchaus reguläres, ein bedenkliches Moment wohnt ihm nicht inne. Diesem gesteigerten periodischen Bedarf nach Zahlungsmitteln soll und kann die Reichsbank unter normalen Umständen durch Hergabe von Noten vollauf entsprechen. Die Notenausgabe als die elastische Ergänzung unseres Geldwesens hat den wechselnden Bedarf an Zahlungsmitteln auszugleichen. Während nun aber früher dieser Quartalsbedarf sich in angemessenen Grenzen bewegte, hat er in der jüngsten Zeit einen Umfang angenommen, der auffällig erscheint und auf besonderen Ursachen beruhen muß. In den Verhandlungen der Bankenquete war diese Erscheinung noch keineswegs Gegenstand der Erörterung. Man hat sich zwar auf das eingehendste unter dem frischen Eindruck der Krisis mit den Ursachen der Kreditüberspannung in den Jahren 1906 und 1907 befaßt und eingehend die Mittel erwogen, die der Wiederkehr ähnlicher Zustände vorbeugen könnten; daß aber in normalen Zeiten die Ansprüche an die Reichsbank Anlaß zu Besorgnissen erwecken könnten, lag ganz außerhalb des Nahmens der Be-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/187
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/187>, abgerufen am 23.07.2024.