Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.Reichsbank und Geldumlauf wörtlich zu machen sei, wenn das Jahr 1907 dem deutschen Wirtschaftsleben Die gleiche Vorsicht trat in der Behandlung der Frage des Depositen¬ Reichsbank und Geldumlauf wörtlich zu machen sei, wenn das Jahr 1907 dem deutschen Wirtschaftsleben Die gleiche Vorsicht trat in der Behandlung der Frage des Depositen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0184" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319785"/> <fw type="header" place="top"> Reichsbank und Geldumlauf</fw><lb/> <p xml:id="ID_728" prev="#ID_727"> wörtlich zu machen sei, wenn das Jahr 1907 dem deutschen Wirtschaftsleben<lb/> eine Krisis so ernsthafter Natur und Zinssätze von unerhörter Höhe beschert<lb/> hatte. Dabei wurde indessen nicht verkannt, daß in unserer Geld- und Kredit¬<lb/> organisation gewisse Übelstände und Fehler vorhanden seien, denen gesteuert<lb/> werden müßte. Es herrschte eine vollkommene Einigkeit der Ansichten darüber,<lb/> daß der Goldvorrat der Neichsbank für die Bedürfnisse unserer ausgedehnten<lb/> Kreditorganisation zu klein sei und daß mit Ernst und Energie dahin gestrebt<lb/> werden müßte, ihn zu erhöhen und dauernd auf einem Stand zu erhalten, der<lb/> dem ständig wachsenden Bedürfnis entspreche. Die überwiegende Meinung ging<lb/> aber dahin, dieses Ziel durch Maßnahmen administrativer und bankgeschäftlicher<lb/> Natur, insbesondere durch eine kräftige Devisenpolitik, Begünstigung der Gold¬<lb/> einfuhr und Ersparung des Goldumlaufs im inneren Verkehr, nicht aber durch<lb/> gesetzgeberische Experimente zu erreichen. So ist man denn bei der Erneuerung<lb/> des Bankprivilegs mit der allergrößten Behutsamkeit verfahren. Selbst von<lb/> einer Erhöhung des Grundkapitals der Reichsbank hat man Abstand genommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_729"> Die gleiche Vorsicht trat in der Behandlung der Frage des Depositen¬<lb/> wesens, das mit der Bankverfassung nur indirekt zusammenhängt und darum<lb/> auch einer besonderen Erörterung unterzogen wurde, zutage. Auch hier waltete<lb/> eine große Scheu ob, in den lebendigen Fluß der wirtschaftlichen Entwicklung<lb/> reglementierend einzugreifen. Freilich machten sich gerade in dieser Spezialfrage<lb/> Wünsche und Forderungen nach abändernder gesetzlicher Regelung mit größerer<lb/> Lebhaftigkeit und Entschiedenheit geltend. Schließlich aber war das Ergebnis<lb/> insofern ein absolut negatives, als die in der Enquetekommission nahezu ein¬<lb/> hellig empfohlene Einrichtung einer ständigen Bankkommisston, welche der Reichs¬<lb/> bank als beratende Behörde in Bankfragen zur Seite treten sollte, nicht den<lb/> Beifall der letzteren gefunden hat. So bleibt als eine nur indirekte Folge¬<lb/> wirkung der Kommissionsverhandlungen lediglich die Publikation der zweimonat¬<lb/> lichen Zwischenbilanzen übrig, zu der sich die Berliner und die größeren Provinz¬<lb/> banken freiwillig im Wege der Verhandlung mit der Reichsbank verstanden<lb/> haben. Das ist nicht gerade viel, doch darf die Tragweite dieser Neuerung<lb/> nicht unterschätzt werden. Das vom nächsten Jahre ab in Kraft tretende Schema<lb/> der Bilanzveröffentltchungen wird durch seine weitreichenden Spezialisierungen<lb/> die wertvollsten Aufschlüsse über die Beschaffenheit der liquiden Mittel, ins¬<lb/> besondere die Zusammensetzung des Wechselkontos und der Effektenbestände geben<lb/> und auf der anderen Seite auch einen besseren Einblick in das Wesen der kurz¬<lb/> fälligen Verbindlichkeiten ermöglichen. Damit werden der Kritik sichere Hand¬<lb/> haben gegeben und eine Grundlage geschaffen, von der aus eine Beurteilung<lb/> wichtiger Streitfragen des Depositenwesens mit größerer Zuverlässigkeit erfolgen<lb/> kann. Dies ist um deswillen von außerordentlicher Bedeutung, weil die Zweifel<lb/> an der richtigen Organisation unseres Geld- und Kreditwesens durch den Aus¬<lb/> gang der Enquete keineswegs verstummt sind, sondern aufs neue Prüfung<lb/> erheischen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0184]
Reichsbank und Geldumlauf
wörtlich zu machen sei, wenn das Jahr 1907 dem deutschen Wirtschaftsleben
eine Krisis so ernsthafter Natur und Zinssätze von unerhörter Höhe beschert
hatte. Dabei wurde indessen nicht verkannt, daß in unserer Geld- und Kredit¬
organisation gewisse Übelstände und Fehler vorhanden seien, denen gesteuert
werden müßte. Es herrschte eine vollkommene Einigkeit der Ansichten darüber,
daß der Goldvorrat der Neichsbank für die Bedürfnisse unserer ausgedehnten
Kreditorganisation zu klein sei und daß mit Ernst und Energie dahin gestrebt
werden müßte, ihn zu erhöhen und dauernd auf einem Stand zu erhalten, der
dem ständig wachsenden Bedürfnis entspreche. Die überwiegende Meinung ging
aber dahin, dieses Ziel durch Maßnahmen administrativer und bankgeschäftlicher
Natur, insbesondere durch eine kräftige Devisenpolitik, Begünstigung der Gold¬
einfuhr und Ersparung des Goldumlaufs im inneren Verkehr, nicht aber durch
gesetzgeberische Experimente zu erreichen. So ist man denn bei der Erneuerung
des Bankprivilegs mit der allergrößten Behutsamkeit verfahren. Selbst von
einer Erhöhung des Grundkapitals der Reichsbank hat man Abstand genommen.
Die gleiche Vorsicht trat in der Behandlung der Frage des Depositen¬
wesens, das mit der Bankverfassung nur indirekt zusammenhängt und darum
auch einer besonderen Erörterung unterzogen wurde, zutage. Auch hier waltete
eine große Scheu ob, in den lebendigen Fluß der wirtschaftlichen Entwicklung
reglementierend einzugreifen. Freilich machten sich gerade in dieser Spezialfrage
Wünsche und Forderungen nach abändernder gesetzlicher Regelung mit größerer
Lebhaftigkeit und Entschiedenheit geltend. Schließlich aber war das Ergebnis
insofern ein absolut negatives, als die in der Enquetekommission nahezu ein¬
hellig empfohlene Einrichtung einer ständigen Bankkommisston, welche der Reichs¬
bank als beratende Behörde in Bankfragen zur Seite treten sollte, nicht den
Beifall der letzteren gefunden hat. So bleibt als eine nur indirekte Folge¬
wirkung der Kommissionsverhandlungen lediglich die Publikation der zweimonat¬
lichen Zwischenbilanzen übrig, zu der sich die Berliner und die größeren Provinz¬
banken freiwillig im Wege der Verhandlung mit der Reichsbank verstanden
haben. Das ist nicht gerade viel, doch darf die Tragweite dieser Neuerung
nicht unterschätzt werden. Das vom nächsten Jahre ab in Kraft tretende Schema
der Bilanzveröffentltchungen wird durch seine weitreichenden Spezialisierungen
die wertvollsten Aufschlüsse über die Beschaffenheit der liquiden Mittel, ins¬
besondere die Zusammensetzung des Wechselkontos und der Effektenbestände geben
und auf der anderen Seite auch einen besseren Einblick in das Wesen der kurz¬
fälligen Verbindlichkeiten ermöglichen. Damit werden der Kritik sichere Hand¬
haben gegeben und eine Grundlage geschaffen, von der aus eine Beurteilung
wichtiger Streitfragen des Depositenwesens mit größerer Zuverlässigkeit erfolgen
kann. Dies ist um deswillen von außerordentlicher Bedeutung, weil die Zweifel
an der richtigen Organisation unseres Geld- und Kreditwesens durch den Aus¬
gang der Enquete keineswegs verstummt sind, sondern aufs neue Prüfung
erheischen.
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