Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] des Vertrauens und der Anerkennung weit Behaglich spricht in diesem Glückslehrbuche So ist dies Buch eine Feiertagslektüre, Dr. Josef Butte- [Spaltenumbruch] Tagesfragen Das ist die schwere Zeit der Not. "Und Mit der Herabsetzung der Tarife scheinen Grenzboten IV 191113
Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] des Vertrauens und der Anerkennung weit Behaglich spricht in diesem Glückslehrbuche So ist dies Buch eine Feiertagslektüre, Dr. Josef Butte- [Spaltenumbruch] Tagesfragen Das ist die schwere Zeit der Not. „Und Mit der Herabsetzung der Tarife scheinen Grenzboten IV 191113
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0149" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319750"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_621" prev="#ID_620"> des Vertrauens und der Anerkennung weit<lb/> über den Kreis der Fachgenossen hinaus im<lb/> seltenen Maße sich erfreute. Wer aber des¬<lb/> halb einen besonderen Reiz davon erwartet,<lb/> der kommt nicht auf seine Kosten. Wir<lb/> müssen es dem Verfasser glauben, daß es<lb/> „Glücksstimmung" war, in der er sein Buch<lb/> vollendete: „in den Wochen, als ich vorzeitig<lb/> den Entschluß zur Reife brachte, aus mir lieb<lb/> gewordener amtlicher Tätigkeit zu scheiden."<lb/> Immerhin klingt etwa aus dem neu eingefügten<lb/> Kapitel „Glück und Politik" eine gewisse<lb/> Aktualität durch, das Bekenntnis einer wahr¬<lb/> haft liberalen Lebensauffassung, wie man sie<lb/> dem Herzen aller Regierenden nnr wünschen<lb/> kann, bei aller unbeirrten Zielbcwußtheit: wir<lb/> kennen auch diese an dem Manne, der es mit<lb/> glücklicherJronie ertrug, daß über„humanistische<lb/> Bildung alljährlich derselbe Redner dieselben<lb/> abgedroschenen Phrasen aufmarschieren" lioßl</p><lb/> <p xml:id="ID_622"> Behaglich spricht in diesem Glückslehrbuche<lb/> ein vir veie Irumsnus; nichts von dem Leben<lb/> unserer Zeit scheint ihm fremd, außer der ner¬<lb/> vösen Hast! Mit leichtem Geist und Takt, wie<lb/> sie nicht vielen moralischenSchriftstellernbeiuns<lb/> eignen, führterüberHöhcnund durchTiefen des<lb/> persönlichen und sozialen Lebens und findet dabei<lb/> Gelegenheit, selbst zur Psychologie der Mode<lb/> höchstfeineBeobachtungen anzubringen. Hie und<lb/> da geraten wir in etwas pädagogische Breite,<lb/> doch nirgends in den Predigtton. Beileibe kein<lb/> spießbürgerlich Philisterglück empfiehlt uns ja<lb/> der Verfasser; er ist beseelt von lächelndem<lb/> Optimismus und diesscitsfreudiger Lebens¬<lb/> bejahung, doch er ist darum nichts weniger als<lb/> ein Prophet des „Sich-aus-lebens". Aus dem<lb/> Hintergrund der plaudernden Darstellung tritt<lb/> das Ich nur selten und bescheiden hervor.<lb/> Gern und doch nicht zu oft bietet der Ver¬<lb/> fasser aus dem Schatz weiter Belesenheit edle<lb/> Früchte dar; seine liebsten Zeugen aber sind<lb/> Fritz Reuter, das Glückskind Goethe und seine<lb/> glückliche Mutter.</p><lb/> <p xml:id="ID_623"> So ist dies Buch eine Feiertagslektüre,<lb/> die man aus der Hand legen kann und zu der<lb/> man doch gern zurückkehrt; es will nicht an¬<lb/> spruchsvoll neue Pfade dem Glücksjäger ent¬<lb/> decken, uns nur bestätigen, daß wir allzeit<lb/> auf dem Weg zum Glücke sind, und uns die<lb/> Blumen daran freundlich weisen.</p><lb/> <note type="byline"> Dr. Josef Butte-</note> <cb/><lb/> </div> <div n="2"> <head> Tagesfragen</head> <p xml:id="ID_624"> Das ist die schwere Zeit der Not. „Und<lb/> es ward eine Teuerung in allen Landen, die<lb/> drückte sehr und laut erklang der Ruf .Schaffe<lb/> uns Brot'," so erzählt der Pentateuch von<lb/> Ägypten zu Josefs Zeiten. Auch in unseren<lb/> Tagen ist dieser Notschrei zu vernehmen, wo<lb/> die wachsende Verteuerung der Lebenshaltung<lb/> im Verein mit der außergewöhnlichen Dürre<lb/> des verflossenen Sommers einen Notstand ge¬<lb/> schaffen hat, unter dem weite Bevölkerungs¬<lb/> schichten seufzen. Eine Prüfung soll uns da¬<lb/> mit nach der Meinung vieler der Himmel<lb/> zugedacht haben, die ein christlich religiöses<lb/> Gemüt ertragen müsse. Die Mehrzahl des<lb/> Volkes teilt aber diesen Glauben nicht, sie ist<lb/> vielmehr der festen Überzeugung, daß die<lb/> Teuerung in erster Linie durch eine falsche<lb/> Wirtschaftspolitik verschuldet ist, die in ihrer<lb/> Wirkung allerdings durch abnorme Witterungs¬<lb/> verhältnisse erheblich verschärft worden ist. Die<lb/> Staatsregierung hat den Ruf von allen Seiten<lb/> vernommen, alle „im Bereich staatlicher Mög¬<lb/> lichkeit liegenden Maßnahmen zur Bekämpfung<lb/> des Rotstandes zu ergreifen", und sie hat den<lb/> ersten Schritt zur Linderung der Teuerung<lb/> am 26. September d. Is. getan, indem sie<lb/> Ausnahmctarife für Düngemittel und Roh¬<lb/> materialien der Kunstdüngerfabrikation, für<lb/> Kartoffeln, für bestimmte frische Feld- und<lb/> Gartenfrüchte, für verschiedene Hülsenfrüchte,<lb/> Futter- und Streumittel, sowie für Seefische<lb/> chaffte. So dankenswert auch der Wille zur<lb/> Hilfe ist, so muß es doch ausgesprochen wer¬<lb/> en, daß von allen diesen Maßnahmen eine<lb/> wirksame Bekämpfung der Teuerung nicht er¬<lb/> wartet werden kann. Die hohen Frachten<lb/> sind an dein Notstände nicht schuld, sondern<lb/> er Mangel an Ware, und der kann durch<lb/> Tarifherabsetzuugen nicht beseitigt werden.<lb/> Zudem ist es ja auch eine bekannte Tatsache,<lb/> aß dergleichen Tarismaßnahmen nur eine<lb/> Erleichterung in der Güterverteilung bewir¬<lb/> en, fast niemals aber dem Kleinkonsumentcn<lb/> ugute kommen, immer vielmehr dem Pro¬<lb/> uzenten der Ware einen vorteilhafterer Ver¬<lb/> auf seiner Artikel ermöglichen.</p> <p xml:id="ID_625" next="#ID_626"> Mit der Herabsetzung der Tarife scheinen<lb/> ie im Bereich staatlicher Möglichkeit liegenden<lb/> Kampfmittel gegen die Teuerung erschöpft zu</p> <cb type="end"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 191113</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0149]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
des Vertrauens und der Anerkennung weit
über den Kreis der Fachgenossen hinaus im
seltenen Maße sich erfreute. Wer aber des¬
halb einen besonderen Reiz davon erwartet,
der kommt nicht auf seine Kosten. Wir
müssen es dem Verfasser glauben, daß es
„Glücksstimmung" war, in der er sein Buch
vollendete: „in den Wochen, als ich vorzeitig
den Entschluß zur Reife brachte, aus mir lieb
gewordener amtlicher Tätigkeit zu scheiden."
Immerhin klingt etwa aus dem neu eingefügten
Kapitel „Glück und Politik" eine gewisse
Aktualität durch, das Bekenntnis einer wahr¬
haft liberalen Lebensauffassung, wie man sie
dem Herzen aller Regierenden nnr wünschen
kann, bei aller unbeirrten Zielbcwußtheit: wir
kennen auch diese an dem Manne, der es mit
glücklicherJronie ertrug, daß über„humanistische
Bildung alljährlich derselbe Redner dieselben
abgedroschenen Phrasen aufmarschieren" lioßl
Behaglich spricht in diesem Glückslehrbuche
ein vir veie Irumsnus; nichts von dem Leben
unserer Zeit scheint ihm fremd, außer der ner¬
vösen Hast! Mit leichtem Geist und Takt, wie
sie nicht vielen moralischenSchriftstellernbeiuns
eignen, führterüberHöhcnund durchTiefen des
persönlichen und sozialen Lebens und findet dabei
Gelegenheit, selbst zur Psychologie der Mode
höchstfeineBeobachtungen anzubringen. Hie und
da geraten wir in etwas pädagogische Breite,
doch nirgends in den Predigtton. Beileibe kein
spießbürgerlich Philisterglück empfiehlt uns ja
der Verfasser; er ist beseelt von lächelndem
Optimismus und diesscitsfreudiger Lebens¬
bejahung, doch er ist darum nichts weniger als
ein Prophet des „Sich-aus-lebens". Aus dem
Hintergrund der plaudernden Darstellung tritt
das Ich nur selten und bescheiden hervor.
Gern und doch nicht zu oft bietet der Ver¬
fasser aus dem Schatz weiter Belesenheit edle
Früchte dar; seine liebsten Zeugen aber sind
Fritz Reuter, das Glückskind Goethe und seine
glückliche Mutter.
So ist dies Buch eine Feiertagslektüre,
die man aus der Hand legen kann und zu der
man doch gern zurückkehrt; es will nicht an¬
spruchsvoll neue Pfade dem Glücksjäger ent¬
decken, uns nur bestätigen, daß wir allzeit
auf dem Weg zum Glücke sind, und uns die
Blumen daran freundlich weisen.
Dr. Josef Butte-
Tagesfragen Das ist die schwere Zeit der Not. „Und
es ward eine Teuerung in allen Landen, die
drückte sehr und laut erklang der Ruf .Schaffe
uns Brot'," so erzählt der Pentateuch von
Ägypten zu Josefs Zeiten. Auch in unseren
Tagen ist dieser Notschrei zu vernehmen, wo
die wachsende Verteuerung der Lebenshaltung
im Verein mit der außergewöhnlichen Dürre
des verflossenen Sommers einen Notstand ge¬
schaffen hat, unter dem weite Bevölkerungs¬
schichten seufzen. Eine Prüfung soll uns da¬
mit nach der Meinung vieler der Himmel
zugedacht haben, die ein christlich religiöses
Gemüt ertragen müsse. Die Mehrzahl des
Volkes teilt aber diesen Glauben nicht, sie ist
vielmehr der festen Überzeugung, daß die
Teuerung in erster Linie durch eine falsche
Wirtschaftspolitik verschuldet ist, die in ihrer
Wirkung allerdings durch abnorme Witterungs¬
verhältnisse erheblich verschärft worden ist. Die
Staatsregierung hat den Ruf von allen Seiten
vernommen, alle „im Bereich staatlicher Mög¬
lichkeit liegenden Maßnahmen zur Bekämpfung
des Rotstandes zu ergreifen", und sie hat den
ersten Schritt zur Linderung der Teuerung
am 26. September d. Is. getan, indem sie
Ausnahmctarife für Düngemittel und Roh¬
materialien der Kunstdüngerfabrikation, für
Kartoffeln, für bestimmte frische Feld- und
Gartenfrüchte, für verschiedene Hülsenfrüchte,
Futter- und Streumittel, sowie für Seefische
chaffte. So dankenswert auch der Wille zur
Hilfe ist, so muß es doch ausgesprochen wer¬
en, daß von allen diesen Maßnahmen eine
wirksame Bekämpfung der Teuerung nicht er¬
wartet werden kann. Die hohen Frachten
sind an dein Notstände nicht schuld, sondern
er Mangel an Ware, und der kann durch
Tarifherabsetzuugen nicht beseitigt werden.
Zudem ist es ja auch eine bekannte Tatsache,
aß dergleichen Tarismaßnahmen nur eine
Erleichterung in der Güterverteilung bewir¬
en, fast niemals aber dem Kleinkonsumentcn
ugute kommen, immer vielmehr dem Pro¬
uzenten der Ware einen vorteilhafterer Ver¬
auf seiner Artikel ermöglichen.
Mit der Herabsetzung der Tarife scheinen
ie im Bereich staatlicher Möglichkeit liegenden
Kampfmittel gegen die Teuerung erschöpft zu
Grenzboten IV 191113
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