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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Die Offizier-Ehrengerichte
von Major Freiherr v. Bnttlcrr

er Frieden von Tilsit sah das preußische Heer, das ehemals so
stolze Instrument seiner Könige, am Boden liegen. Eine endlose
Reihe von Verfehlungen hatte die Niederlagen verschuldet. Wollte
man das Heer wieder aufrichten, so mußte es zunächst von den
Schuldigen gesäubert werden. Sie waren unter den unteren und
oberen Führern zu suchen. Von der Militär-Reorganisationskommission, mit
Scharnhorst an der Spitze, wurden Neinigungsgerichte eingesetzt, die ihre Arbeit
mit außerordentlicher Gründlichkeit besorgten. Das Vertrauen auf die Führer
und Erzieher des Heeres war aber zu tief erschüttert. Wie konnte man sich
künftig gegen einen Rückfall dieser in den Geist der Kraft- und Ehrlosigkeit
schützen, der sich soeben dokumentiert und der die Katastrophe gezeitigt hatte.
Die Reinigung war erfolgt, man fand es nötig, eine dauernde Einrichtung zu
schaffen, die über die Ehrenhaftigkeit der Offiziere zu wachen hatte. Ehren¬
gerichte wurden eingeführt. Die königliche Verordnung über diese erschien am
3. August 1808.

Dem preußischen Beispiel folgten andere Staaten. Bayern führte im Jahre
1823 Ehrengerichte ein. Ihre Wirkung erstreckte sich, im Gegensatz zu den
preußischen, auch auf die Militärärzte und Beamten.

In der preußischen Armee wurde unter dem 20. Juli 1843 eine Neuord¬
nung für die Ehrengerichte eingeführt. Als ihre Aufgabe wird bezeichnet, gegen
Offiziere bei Handlungen einzuschreiten, die zwar nicht unter den Strafparagraphen
fallen, die aber dem richtigen Ehrgefühl des Offiziers nicht entsprechen. Genauere
Bezeichnung der ehrengerichtlich zu verfolgenden Handlungen fehlt. Unterstellt
sind den Ehrengerichten die Offiziere der aktiven Armee und des Beurlaubten¬
standes, die Offiziere z. D., sowie die inaktiven Offiziere, soweit ihnen beim
Ausscheiden die Erlaubnis zum Tragen der Uniform verliehen ist. strafrecht¬
liche Verurteilung schließt spätere ehrengerichtliche Verfolgung nicht aus. Das


Grenzboten IV 1911 ^


Die Offizier-Ehrengerichte
von Major Freiherr v. Bnttlcrr

er Frieden von Tilsit sah das preußische Heer, das ehemals so
stolze Instrument seiner Könige, am Boden liegen. Eine endlose
Reihe von Verfehlungen hatte die Niederlagen verschuldet. Wollte
man das Heer wieder aufrichten, so mußte es zunächst von den
Schuldigen gesäubert werden. Sie waren unter den unteren und
oberen Führern zu suchen. Von der Militär-Reorganisationskommission, mit
Scharnhorst an der Spitze, wurden Neinigungsgerichte eingesetzt, die ihre Arbeit
mit außerordentlicher Gründlichkeit besorgten. Das Vertrauen auf die Führer
und Erzieher des Heeres war aber zu tief erschüttert. Wie konnte man sich
künftig gegen einen Rückfall dieser in den Geist der Kraft- und Ehrlosigkeit
schützen, der sich soeben dokumentiert und der die Katastrophe gezeitigt hatte.
Die Reinigung war erfolgt, man fand es nötig, eine dauernde Einrichtung zu
schaffen, die über die Ehrenhaftigkeit der Offiziere zu wachen hatte. Ehren¬
gerichte wurden eingeführt. Die königliche Verordnung über diese erschien am
3. August 1808.

Dem preußischen Beispiel folgten andere Staaten. Bayern führte im Jahre
1823 Ehrengerichte ein. Ihre Wirkung erstreckte sich, im Gegensatz zu den
preußischen, auch auf die Militärärzte und Beamten.

In der preußischen Armee wurde unter dem 20. Juli 1843 eine Neuord¬
nung für die Ehrengerichte eingeführt. Als ihre Aufgabe wird bezeichnet, gegen
Offiziere bei Handlungen einzuschreiten, die zwar nicht unter den Strafparagraphen
fallen, die aber dem richtigen Ehrgefühl des Offiziers nicht entsprechen. Genauere
Bezeichnung der ehrengerichtlich zu verfolgenden Handlungen fehlt. Unterstellt
sind den Ehrengerichten die Offiziere der aktiven Armee und des Beurlaubten¬
standes, die Offiziere z. D., sowie die inaktiven Offiziere, soweit ihnen beim
Ausscheiden die Erlaubnis zum Tragen der Uniform verliehen ist. strafrecht¬
liche Verurteilung schließt spätere ehrengerichtliche Verfolgung nicht aus. Das


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[0013] [Abbildung] Die Offizier-Ehrengerichte von Major Freiherr v. Bnttlcrr er Frieden von Tilsit sah das preußische Heer, das ehemals so stolze Instrument seiner Könige, am Boden liegen. Eine endlose Reihe von Verfehlungen hatte die Niederlagen verschuldet. Wollte man das Heer wieder aufrichten, so mußte es zunächst von den Schuldigen gesäubert werden. Sie waren unter den unteren und oberen Führern zu suchen. Von der Militär-Reorganisationskommission, mit Scharnhorst an der Spitze, wurden Neinigungsgerichte eingesetzt, die ihre Arbeit mit außerordentlicher Gründlichkeit besorgten. Das Vertrauen auf die Führer und Erzieher des Heeres war aber zu tief erschüttert. Wie konnte man sich künftig gegen einen Rückfall dieser in den Geist der Kraft- und Ehrlosigkeit schützen, der sich soeben dokumentiert und der die Katastrophe gezeitigt hatte. Die Reinigung war erfolgt, man fand es nötig, eine dauernde Einrichtung zu schaffen, die über die Ehrenhaftigkeit der Offiziere zu wachen hatte. Ehren¬ gerichte wurden eingeführt. Die königliche Verordnung über diese erschien am 3. August 1808. Dem preußischen Beispiel folgten andere Staaten. Bayern führte im Jahre 1823 Ehrengerichte ein. Ihre Wirkung erstreckte sich, im Gegensatz zu den preußischen, auch auf die Militärärzte und Beamten. In der preußischen Armee wurde unter dem 20. Juli 1843 eine Neuord¬ nung für die Ehrengerichte eingeführt. Als ihre Aufgabe wird bezeichnet, gegen Offiziere bei Handlungen einzuschreiten, die zwar nicht unter den Strafparagraphen fallen, die aber dem richtigen Ehrgefühl des Offiziers nicht entsprechen. Genauere Bezeichnung der ehrengerichtlich zu verfolgenden Handlungen fehlt. Unterstellt sind den Ehrengerichten die Offiziere der aktiven Armee und des Beurlaubten¬ standes, die Offiziere z. D., sowie die inaktiven Offiziere, soweit ihnen beim Ausscheiden die Erlaubnis zum Tragen der Uniform verliehen ist. strafrecht¬ liche Verurteilung schließt spätere ehrengerichtliche Verfolgung nicht aus. Das Grenzboten IV 1911 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/13>, abgerufen am 23.07.2024.