Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Schutz dem deutschen Arbeiter

kultur auf einer niederen Stufe fest. Manche Verbesserungen der Arbeitsmethoden
können nul der Mitarbeit dieser sprachfremden und schlechtgeschulten Kräfte willen
nicht eingeführt werden. Ohne sie würde der deutsche Arbeitslohn höher stehen,
und zwar nicht zum Schaden der Unternehmer. Denn die deutsche Arbeit würde
wohl auf den Arbeiterkopf berechnet teurer, aber auf das Produkt berechnet
billiger sein. Also könnten wohl die Unternehmer auf eine Einschränkung,
Besteuerung der ausländischen Arbeiter eingehen, wenn sie dafür nur von der
ewigen Streikgefahr befreit würden. Sie würden mit dem letzteren mehr
gewinnen, als sie mit dem ersteren verlieren können.

Darum meint das Blatt, es gäbe "für die nächste Neichstagswahl keine
bessere Wahlparole als diese: Friede zwischen den Unternehmern und der
deutschen Arbeiterschaft. Schutz der deutschen Arbeit in Stadt und Land, aber
Schutz auch der deutschen Arbeiterschaft gegen die Konkurrenz der ausländischen
Arbeiter und Kopfzoll auf jeden fremdsprachigen Wanderarbeiter oder Einwanderer I
Wenn Nordamerika, Australien, Dänemark die Einwanderung im Interesse der
Hochkultur ihres Arbeiterstandes einschränken, warum sollte das bei uns nicht
möglich sein? In Deutschland, dem Lande, das auf seine allgemeine Volks¬
bildung stolz ist, soll erst recht jeder einzelne ein würdiger Sohn und voll¬
wertiger Vertreter seines Volkstums sein".

Nun aber findet sich noch eine dritte Stimme zu diesem Thema, und zwar
wiederum aus einem ganz anderen Lager, aus dem der industriellen Unter¬
nehmer. Die Deutsche volkswirtschaftliche Korrespondenz wird von ihren Feinden
als Unternehmerblatt und Scharfmacherorgan bezeichnet. In dieser heißt es in
Ur. 83 und 84: "Wir brauchen ein Arbeitswilligengesetz. Wenn streiklustige
Arbeiter ihre arbeitswilligen Kameraden terrorisieren, verrufen, um ihre wirt¬
schaftliche Existenz bringen, ja körperlich so sehr bedrohen, daß Polizeihilfe nötig
ist und daß diese nicht einmal genügt, weil sie doch nicht allgegenwärtig sein
kann, so ist der Bürgerkrieg schon da, und die blutigen Vorgänge auf der
Straße sind nur die unabwendbare späte Folge, die den Bürgerkrieg für die
Unbeteiligten offenbar macht. Der Friedensstand ist da schon verkehrt. Die
wilden Leidenschaften sind da schon mächtiger als Gerechtigkeit und Vernunft.
Die Wilden. streitsüchtigen sind dann den Ruhigen, Geordneten über, die
Jungen den Alten, die Unverheirateten oder Schlechtverheirateten jeden: ordent¬
lichen Familienvater, die Nowdies, die Feinde menschlicher Gesittung, jeder
Ordnung und Kultur. Diese haben dann das größte Recht auf die Straße
und vou da aus über jeden Herd einer unter ihnen wohnenden Familie. Es
ist die verdammte Pflicht und Schuldigkeit derer, die ein öffentliches Amt haben,
die Arbeitswilligen zu schützen, und derer, die die Gesetze geben, die Gesetze so
zu gestalten, daß ihr Schutz ausreicht."

Also ein Arbeitswilligengesetz! Dies Verlangen ist von jener Seite nichts
Neues. Nun aber kommt folgende Einschränkung: "Der Arbeitermangel in
Deutschland hat in steigendem Maße zur Einführung fremder Arbeitskräfte


Schutz dem deutschen Arbeiter

kultur auf einer niederen Stufe fest. Manche Verbesserungen der Arbeitsmethoden
können nul der Mitarbeit dieser sprachfremden und schlechtgeschulten Kräfte willen
nicht eingeführt werden. Ohne sie würde der deutsche Arbeitslohn höher stehen,
und zwar nicht zum Schaden der Unternehmer. Denn die deutsche Arbeit würde
wohl auf den Arbeiterkopf berechnet teurer, aber auf das Produkt berechnet
billiger sein. Also könnten wohl die Unternehmer auf eine Einschränkung,
Besteuerung der ausländischen Arbeiter eingehen, wenn sie dafür nur von der
ewigen Streikgefahr befreit würden. Sie würden mit dem letzteren mehr
gewinnen, als sie mit dem ersteren verlieren können.

Darum meint das Blatt, es gäbe „für die nächste Neichstagswahl keine
bessere Wahlparole als diese: Friede zwischen den Unternehmern und der
deutschen Arbeiterschaft. Schutz der deutschen Arbeit in Stadt und Land, aber
Schutz auch der deutschen Arbeiterschaft gegen die Konkurrenz der ausländischen
Arbeiter und Kopfzoll auf jeden fremdsprachigen Wanderarbeiter oder Einwanderer I
Wenn Nordamerika, Australien, Dänemark die Einwanderung im Interesse der
Hochkultur ihres Arbeiterstandes einschränken, warum sollte das bei uns nicht
möglich sein? In Deutschland, dem Lande, das auf seine allgemeine Volks¬
bildung stolz ist, soll erst recht jeder einzelne ein würdiger Sohn und voll¬
wertiger Vertreter seines Volkstums sein".

Nun aber findet sich noch eine dritte Stimme zu diesem Thema, und zwar
wiederum aus einem ganz anderen Lager, aus dem der industriellen Unter¬
nehmer. Die Deutsche volkswirtschaftliche Korrespondenz wird von ihren Feinden
als Unternehmerblatt und Scharfmacherorgan bezeichnet. In dieser heißt es in
Ur. 83 und 84: „Wir brauchen ein Arbeitswilligengesetz. Wenn streiklustige
Arbeiter ihre arbeitswilligen Kameraden terrorisieren, verrufen, um ihre wirt¬
schaftliche Existenz bringen, ja körperlich so sehr bedrohen, daß Polizeihilfe nötig
ist und daß diese nicht einmal genügt, weil sie doch nicht allgegenwärtig sein
kann, so ist der Bürgerkrieg schon da, und die blutigen Vorgänge auf der
Straße sind nur die unabwendbare späte Folge, die den Bürgerkrieg für die
Unbeteiligten offenbar macht. Der Friedensstand ist da schon verkehrt. Die
wilden Leidenschaften sind da schon mächtiger als Gerechtigkeit und Vernunft.
Die Wilden. streitsüchtigen sind dann den Ruhigen, Geordneten über, die
Jungen den Alten, die Unverheirateten oder Schlechtverheirateten jeden: ordent¬
lichen Familienvater, die Nowdies, die Feinde menschlicher Gesittung, jeder
Ordnung und Kultur. Diese haben dann das größte Recht auf die Straße
und vou da aus über jeden Herd einer unter ihnen wohnenden Familie. Es
ist die verdammte Pflicht und Schuldigkeit derer, die ein öffentliches Amt haben,
die Arbeitswilligen zu schützen, und derer, die die Gesetze geben, die Gesetze so
zu gestalten, daß ihr Schutz ausreicht."

Also ein Arbeitswilligengesetz! Dies Verlangen ist von jener Seite nichts
Neues. Nun aber kommt folgende Einschränkung: „Der Arbeitermangel in
Deutschland hat in steigendem Maße zur Einführung fremder Arbeitskräfte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0127" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319728"/>
          <fw type="header" place="top"> Schutz dem deutschen Arbeiter</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_515" prev="#ID_514"> kultur auf einer niederen Stufe fest. Manche Verbesserungen der Arbeitsmethoden<lb/>
können nul der Mitarbeit dieser sprachfremden und schlechtgeschulten Kräfte willen<lb/>
nicht eingeführt werden. Ohne sie würde der deutsche Arbeitslohn höher stehen,<lb/>
und zwar nicht zum Schaden der Unternehmer. Denn die deutsche Arbeit würde<lb/>
wohl auf den Arbeiterkopf berechnet teurer, aber auf das Produkt berechnet<lb/>
billiger sein. Also könnten wohl die Unternehmer auf eine Einschränkung,<lb/>
Besteuerung der ausländischen Arbeiter eingehen, wenn sie dafür nur von der<lb/>
ewigen Streikgefahr befreit würden. Sie würden mit dem letzteren mehr<lb/>
gewinnen, als sie mit dem ersteren verlieren können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_516"> Darum meint das Blatt, es gäbe &#x201E;für die nächste Neichstagswahl keine<lb/>
bessere Wahlparole als diese: Friede zwischen den Unternehmern und der<lb/>
deutschen Arbeiterschaft. Schutz der deutschen Arbeit in Stadt und Land, aber<lb/>
Schutz auch der deutschen Arbeiterschaft gegen die Konkurrenz der ausländischen<lb/>
Arbeiter und Kopfzoll auf jeden fremdsprachigen Wanderarbeiter oder Einwanderer I<lb/>
Wenn Nordamerika, Australien, Dänemark die Einwanderung im Interesse der<lb/>
Hochkultur ihres Arbeiterstandes einschränken, warum sollte das bei uns nicht<lb/>
möglich sein? In Deutschland, dem Lande, das auf seine allgemeine Volks¬<lb/>
bildung stolz ist, soll erst recht jeder einzelne ein würdiger Sohn und voll¬<lb/>
wertiger Vertreter seines Volkstums sein".</p><lb/>
          <p xml:id="ID_517"> Nun aber findet sich noch eine dritte Stimme zu diesem Thema, und zwar<lb/>
wiederum aus einem ganz anderen Lager, aus dem der industriellen Unter¬<lb/>
nehmer. Die Deutsche volkswirtschaftliche Korrespondenz wird von ihren Feinden<lb/>
als Unternehmerblatt und Scharfmacherorgan bezeichnet. In dieser heißt es in<lb/>
Ur. 83 und 84: &#x201E;Wir brauchen ein Arbeitswilligengesetz. Wenn streiklustige<lb/>
Arbeiter ihre arbeitswilligen Kameraden terrorisieren, verrufen, um ihre wirt¬<lb/>
schaftliche Existenz bringen, ja körperlich so sehr bedrohen, daß Polizeihilfe nötig<lb/>
ist und daß diese nicht einmal genügt, weil sie doch nicht allgegenwärtig sein<lb/>
kann, so ist der Bürgerkrieg schon da, und die blutigen Vorgänge auf der<lb/>
Straße sind nur die unabwendbare späte Folge, die den Bürgerkrieg für die<lb/>
Unbeteiligten offenbar macht. Der Friedensstand ist da schon verkehrt. Die<lb/>
wilden Leidenschaften sind da schon mächtiger als Gerechtigkeit und Vernunft.<lb/>
Die Wilden. streitsüchtigen sind dann den Ruhigen, Geordneten über, die<lb/>
Jungen den Alten, die Unverheirateten oder Schlechtverheirateten jeden: ordent¬<lb/>
lichen Familienvater, die Nowdies, die Feinde menschlicher Gesittung, jeder<lb/>
Ordnung und Kultur. Diese haben dann das größte Recht auf die Straße<lb/>
und vou da aus über jeden Herd einer unter ihnen wohnenden Familie. Es<lb/>
ist die verdammte Pflicht und Schuldigkeit derer, die ein öffentliches Amt haben,<lb/>
die Arbeitswilligen zu schützen, und derer, die die Gesetze geben, die Gesetze so<lb/>
zu gestalten, daß ihr Schutz ausreicht."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_518" next="#ID_519"> Also ein Arbeitswilligengesetz! Dies Verlangen ist von jener Seite nichts<lb/>
Neues. Nun aber kommt folgende Einschränkung: &#x201E;Der Arbeitermangel in<lb/>
Deutschland hat in steigendem Maße zur Einführung fremder Arbeitskräfte</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0127] Schutz dem deutschen Arbeiter kultur auf einer niederen Stufe fest. Manche Verbesserungen der Arbeitsmethoden können nul der Mitarbeit dieser sprachfremden und schlechtgeschulten Kräfte willen nicht eingeführt werden. Ohne sie würde der deutsche Arbeitslohn höher stehen, und zwar nicht zum Schaden der Unternehmer. Denn die deutsche Arbeit würde wohl auf den Arbeiterkopf berechnet teurer, aber auf das Produkt berechnet billiger sein. Also könnten wohl die Unternehmer auf eine Einschränkung, Besteuerung der ausländischen Arbeiter eingehen, wenn sie dafür nur von der ewigen Streikgefahr befreit würden. Sie würden mit dem letzteren mehr gewinnen, als sie mit dem ersteren verlieren können. Darum meint das Blatt, es gäbe „für die nächste Neichstagswahl keine bessere Wahlparole als diese: Friede zwischen den Unternehmern und der deutschen Arbeiterschaft. Schutz der deutschen Arbeit in Stadt und Land, aber Schutz auch der deutschen Arbeiterschaft gegen die Konkurrenz der ausländischen Arbeiter und Kopfzoll auf jeden fremdsprachigen Wanderarbeiter oder Einwanderer I Wenn Nordamerika, Australien, Dänemark die Einwanderung im Interesse der Hochkultur ihres Arbeiterstandes einschränken, warum sollte das bei uns nicht möglich sein? In Deutschland, dem Lande, das auf seine allgemeine Volks¬ bildung stolz ist, soll erst recht jeder einzelne ein würdiger Sohn und voll¬ wertiger Vertreter seines Volkstums sein". Nun aber findet sich noch eine dritte Stimme zu diesem Thema, und zwar wiederum aus einem ganz anderen Lager, aus dem der industriellen Unter¬ nehmer. Die Deutsche volkswirtschaftliche Korrespondenz wird von ihren Feinden als Unternehmerblatt und Scharfmacherorgan bezeichnet. In dieser heißt es in Ur. 83 und 84: „Wir brauchen ein Arbeitswilligengesetz. Wenn streiklustige Arbeiter ihre arbeitswilligen Kameraden terrorisieren, verrufen, um ihre wirt¬ schaftliche Existenz bringen, ja körperlich so sehr bedrohen, daß Polizeihilfe nötig ist und daß diese nicht einmal genügt, weil sie doch nicht allgegenwärtig sein kann, so ist der Bürgerkrieg schon da, und die blutigen Vorgänge auf der Straße sind nur die unabwendbare späte Folge, die den Bürgerkrieg für die Unbeteiligten offenbar macht. Der Friedensstand ist da schon verkehrt. Die wilden Leidenschaften sind da schon mächtiger als Gerechtigkeit und Vernunft. Die Wilden. streitsüchtigen sind dann den Ruhigen, Geordneten über, die Jungen den Alten, die Unverheirateten oder Schlechtverheirateten jeden: ordent¬ lichen Familienvater, die Nowdies, die Feinde menschlicher Gesittung, jeder Ordnung und Kultur. Diese haben dann das größte Recht auf die Straße und vou da aus über jeden Herd einer unter ihnen wohnenden Familie. Es ist die verdammte Pflicht und Schuldigkeit derer, die ein öffentliches Amt haben, die Arbeitswilligen zu schützen, und derer, die die Gesetze geben, die Gesetze so zu gestalten, daß ihr Schutz ausreicht." Also ein Arbeitswilligengesetz! Dies Verlangen ist von jener Seite nichts Neues. Nun aber kommt folgende Einschränkung: „Der Arbeitermangel in Deutschland hat in steigendem Maße zur Einführung fremder Arbeitskräfte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/127
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/127>, abgerufen am 23.07.2024.