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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Schutz dem deutschen Arbeiter

Hebung des vierten Standes". Sie glauben, es gäbe ohnedem keine Ver¬
besserung der Lebenshöhe des Arbeiterstandes und somit des Volkes, und darum
sehen sie unter Streikbrechern und Arbeitswilligen nur rückständige, moralisch
und intellektuell minderwertige Elemente, blinde oder böse Verräter der guten
Sache. Mit dieser Meinung sind sie allerdings mehr als eine Tagereise hinter
der Wirklichkeit zurück.

Gerade in der Aristokratie der deutschen Arbeiterschaft, bei den groß-
industriellen Belegen unserer berühmtesten Unternehmungen, die den Weltruf der
deutschen Industrie begründet haben, an welchem Weltruf neben den Unter¬
nehmern auch die Arbeiter ihr gut Teil Verdienst haben, nämlich in den Krupp¬
werken und Siemenswerken ist die gelbe Bewegung entstanden, und zwar ohne
Anstoß von feiten der Unternehmer lediglich als eine Notwehr der älteren
Arbeiter, der Familienväter gegen die ruinöse unverantwortliche Streikunruhe
der roten Gewerkschaftsführer.

In der Wehr, dem Zeitungsorgan der Gelben in Augsburg, ist nun ein
Aufsatz erschienen, worin es ungefähr heißt, wie folgt:

Seit einem Menschenalter suchen die deutschen Arbeiter ihre Lebenslage
zu bessern auf keinem anderen Wege als auf dem des prinzipiellen Klassen¬
kampfes und ewiger Streiks. Ob sie daran recht tun? Ob wohl der deutsche
Arbeitslohn heute auch nur um einen Groschen niedriger stände, wenn alle diese
unendlichen Opfer sauer verdienter Arbeitergroschen erspart geblieben wären?
Wir glauben, daß er um keinen Groschen niedriger stände, eher höher. Denn
zur wirtschaftlichen Blüte einer Volkswirtschaft gehört ein gewisser Optimismus.
Wie können die Unternehmer Herangehen an das, was doch ihre volkswirtschaft¬
liche Aufgabe und Pflicht ist, nämlich neue Auslandsmärkte zu eröffnen, neue
Arbeitsmethoden und Maschinen einzuführen, zu versuchen, zu verbessern und
zu wagen, wenn sie doch immer fürchten müssen, gerade dann überfallen zu
werden, wenn sie mitten in: Wagnis am schwächsten sind. Friede nährt, Un¬
friede verzehrt. Verlieren die Arbeiter den Streik, so sind immer beide geschädigt,
Unternehmer und Arbeiter, und mit ihnen die gesamte Volkswirtschaft. Gewinnen
die Arbeiter den Streik, so steigt bestenfalls der Arbeitslohn etwas, aber doch
nur scheinbar; nach einiger Zeit steht er niedriger als er ohne Streik gestanden
haben würde, -- wegen des Druckes, den die beständige Streikgefahr ausübt
auf die erreichbare Höhe der Fruchtbarkeit der Arbeit. Die Höhe des Arbeits¬
lohnes entsteht eben aus der Fruchtbarkeit und Menge der Arbeitsgelegenheit,
also auf natürliche Weise und aus natürlichen Ursachen, nicht aber aus Streit
und Neid. Neid und Streit können ihn in der Regel nur mindern, aber
nicht erhöhen.

Wohl aber hat die Konkurrenz der kulturürmeren ausländischen Arbeiter
den allergrößten Einfluß darauf, wie hoch der deutsche Arbeitslohn und der
Lebensstand des deutschen Arbeiters steigen kann. Die Mitarbeit dieser roheren
Elemente hält die Kulturhöhe der deutschen Arbeit, die Intensität der Maschinen-


Schutz dem deutschen Arbeiter

Hebung des vierten Standes". Sie glauben, es gäbe ohnedem keine Ver¬
besserung der Lebenshöhe des Arbeiterstandes und somit des Volkes, und darum
sehen sie unter Streikbrechern und Arbeitswilligen nur rückständige, moralisch
und intellektuell minderwertige Elemente, blinde oder böse Verräter der guten
Sache. Mit dieser Meinung sind sie allerdings mehr als eine Tagereise hinter
der Wirklichkeit zurück.

Gerade in der Aristokratie der deutschen Arbeiterschaft, bei den groß-
industriellen Belegen unserer berühmtesten Unternehmungen, die den Weltruf der
deutschen Industrie begründet haben, an welchem Weltruf neben den Unter¬
nehmern auch die Arbeiter ihr gut Teil Verdienst haben, nämlich in den Krupp¬
werken und Siemenswerken ist die gelbe Bewegung entstanden, und zwar ohne
Anstoß von feiten der Unternehmer lediglich als eine Notwehr der älteren
Arbeiter, der Familienväter gegen die ruinöse unverantwortliche Streikunruhe
der roten Gewerkschaftsführer.

In der Wehr, dem Zeitungsorgan der Gelben in Augsburg, ist nun ein
Aufsatz erschienen, worin es ungefähr heißt, wie folgt:

Seit einem Menschenalter suchen die deutschen Arbeiter ihre Lebenslage
zu bessern auf keinem anderen Wege als auf dem des prinzipiellen Klassen¬
kampfes und ewiger Streiks. Ob sie daran recht tun? Ob wohl der deutsche
Arbeitslohn heute auch nur um einen Groschen niedriger stände, wenn alle diese
unendlichen Opfer sauer verdienter Arbeitergroschen erspart geblieben wären?
Wir glauben, daß er um keinen Groschen niedriger stände, eher höher. Denn
zur wirtschaftlichen Blüte einer Volkswirtschaft gehört ein gewisser Optimismus.
Wie können die Unternehmer Herangehen an das, was doch ihre volkswirtschaft¬
liche Aufgabe und Pflicht ist, nämlich neue Auslandsmärkte zu eröffnen, neue
Arbeitsmethoden und Maschinen einzuführen, zu versuchen, zu verbessern und
zu wagen, wenn sie doch immer fürchten müssen, gerade dann überfallen zu
werden, wenn sie mitten in: Wagnis am schwächsten sind. Friede nährt, Un¬
friede verzehrt. Verlieren die Arbeiter den Streik, so sind immer beide geschädigt,
Unternehmer und Arbeiter, und mit ihnen die gesamte Volkswirtschaft. Gewinnen
die Arbeiter den Streik, so steigt bestenfalls der Arbeitslohn etwas, aber doch
nur scheinbar; nach einiger Zeit steht er niedriger als er ohne Streik gestanden
haben würde, — wegen des Druckes, den die beständige Streikgefahr ausübt
auf die erreichbare Höhe der Fruchtbarkeit der Arbeit. Die Höhe des Arbeits¬
lohnes entsteht eben aus der Fruchtbarkeit und Menge der Arbeitsgelegenheit,
also auf natürliche Weise und aus natürlichen Ursachen, nicht aber aus Streit
und Neid. Neid und Streit können ihn in der Regel nur mindern, aber
nicht erhöhen.

Wohl aber hat die Konkurrenz der kulturürmeren ausländischen Arbeiter
den allergrößten Einfluß darauf, wie hoch der deutsche Arbeitslohn und der
Lebensstand des deutschen Arbeiters steigen kann. Die Mitarbeit dieser roheren
Elemente hält die Kulturhöhe der deutschen Arbeit, die Intensität der Maschinen-


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[0126] Schutz dem deutschen Arbeiter Hebung des vierten Standes". Sie glauben, es gäbe ohnedem keine Ver¬ besserung der Lebenshöhe des Arbeiterstandes und somit des Volkes, und darum sehen sie unter Streikbrechern und Arbeitswilligen nur rückständige, moralisch und intellektuell minderwertige Elemente, blinde oder böse Verräter der guten Sache. Mit dieser Meinung sind sie allerdings mehr als eine Tagereise hinter der Wirklichkeit zurück. Gerade in der Aristokratie der deutschen Arbeiterschaft, bei den groß- industriellen Belegen unserer berühmtesten Unternehmungen, die den Weltruf der deutschen Industrie begründet haben, an welchem Weltruf neben den Unter¬ nehmern auch die Arbeiter ihr gut Teil Verdienst haben, nämlich in den Krupp¬ werken und Siemenswerken ist die gelbe Bewegung entstanden, und zwar ohne Anstoß von feiten der Unternehmer lediglich als eine Notwehr der älteren Arbeiter, der Familienväter gegen die ruinöse unverantwortliche Streikunruhe der roten Gewerkschaftsführer. In der Wehr, dem Zeitungsorgan der Gelben in Augsburg, ist nun ein Aufsatz erschienen, worin es ungefähr heißt, wie folgt: Seit einem Menschenalter suchen die deutschen Arbeiter ihre Lebenslage zu bessern auf keinem anderen Wege als auf dem des prinzipiellen Klassen¬ kampfes und ewiger Streiks. Ob sie daran recht tun? Ob wohl der deutsche Arbeitslohn heute auch nur um einen Groschen niedriger stände, wenn alle diese unendlichen Opfer sauer verdienter Arbeitergroschen erspart geblieben wären? Wir glauben, daß er um keinen Groschen niedriger stände, eher höher. Denn zur wirtschaftlichen Blüte einer Volkswirtschaft gehört ein gewisser Optimismus. Wie können die Unternehmer Herangehen an das, was doch ihre volkswirtschaft¬ liche Aufgabe und Pflicht ist, nämlich neue Auslandsmärkte zu eröffnen, neue Arbeitsmethoden und Maschinen einzuführen, zu versuchen, zu verbessern und zu wagen, wenn sie doch immer fürchten müssen, gerade dann überfallen zu werden, wenn sie mitten in: Wagnis am schwächsten sind. Friede nährt, Un¬ friede verzehrt. Verlieren die Arbeiter den Streik, so sind immer beide geschädigt, Unternehmer und Arbeiter, und mit ihnen die gesamte Volkswirtschaft. Gewinnen die Arbeiter den Streik, so steigt bestenfalls der Arbeitslohn etwas, aber doch nur scheinbar; nach einiger Zeit steht er niedriger als er ohne Streik gestanden haben würde, — wegen des Druckes, den die beständige Streikgefahr ausübt auf die erreichbare Höhe der Fruchtbarkeit der Arbeit. Die Höhe des Arbeits¬ lohnes entsteht eben aus der Fruchtbarkeit und Menge der Arbeitsgelegenheit, also auf natürliche Weise und aus natürlichen Ursachen, nicht aber aus Streit und Neid. Neid und Streit können ihn in der Regel nur mindern, aber nicht erhöhen. Wohl aber hat die Konkurrenz der kulturürmeren ausländischen Arbeiter den allergrößten Einfluß darauf, wie hoch der deutsche Arbeitslohn und der Lebensstand des deutschen Arbeiters steigen kann. Die Mitarbeit dieser roheren Elemente hält die Kulturhöhe der deutschen Arbeit, die Intensität der Maschinen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/126>, abgerufen am 23.07.2024.