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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Schutz dem deutschen Arbeiter

aber nicht durch den guten Willen und die höheren Lohnzahlungen einzelner
Landwirte erreicht werden, sondern nur durch ein Gesetz, welches die Landarbeiter
im Vergleich zum Städter und zum ausländischen Wanderarbeiter auf eine bessere,
konkurrenzfähigere Basis bringt." -- "Was soll aus dem deutschen Landarbeiter
werden, wenn man ihn gegen seinen Konkurrenten nicht schützt, sondern im
Gegenteil seinen schon überlegenen Konkurrenten noch subventioniert?" (nämlich
durch die Getreidezölle, die diesseits der Grenze die Lebensmittel des Arbeiters
verteuern, jenseits verbilligen). -- "Was würden wir Landwirte denn dazu
sagen, wenn man nicht unsere Produkte geschützt hätte, sondern die Produkte
des Allslandes subventioniert hätte?" -- "Der Großgrundbesitz wird nur
bestehen bleiben, wenn er dafür sorgt, daß ihm tüchtige, zuverlässige Arbeits¬
kräfte zuwachsen und erhalten bleiben, und darum darf er nicht dulden, daß aus¬
wärtige Arbeitskräfte durch Subventionierung in die Lage gebracht sind, die
Einheimischen zu vertreiben und zu verdrängen." -- "Es ist auch unsere
Pflicht, für unsere Arbeiter die Geschäfte zu besorgen, wer soll es wohl sonst
tun?" -- "Nationalpolitisch hat mein Vorschlag den allergrößten Wert. Darüber
noch zu schreiben, führt mich zu weit; ich möchte aber alle Landwirte bitten,
sich meinen Vorschlag recht ernstlich durch den Kops gehen zu lassen."---

Also so kann ein ostelbischer Agrarier aussehen! Ja, wenn sie alle so
wären! Nun, im Vertrauen gesagt, ich weiß, daß es noch mehr solche gibt,
die ebenso denken. Jedenfalls könnte es die erfreulichsten Folgen haben, wenn
dies wichtigste Problem unserer politischen Zukunft ins Rollen gebracht würde
durch solchen Anstoß von agrarischer Seite, und wir wollen uns ein Verdienst
daraus machen, ihm noch einen Stoß zu geben. Aber halt, da kommt noch
eine Stimme zu demselben Thema von einem ganz anderen Instrument und aus
einem ganz anderen Lager, nämlich aus dem Lager der "Gelben".

Die Gelben sind diejenigen deutschen Arbeiter, die es müde sind, unter
dem Joch der roten sozialdemokratischen Gewerkschaften zu seufzen. Sie sind
bekehrt von dem Glauben an die Notwendigkeit des prinzipiellen Klassenkampfes,
an die Nützlichkeit ewiger Streiks, nicht für einen unentbehrlichen Gewinn,
sondern nur um der Bewegung, um der Organisation willen angezettelt. Sie
wollen mit ihren Familien nicht beständig in der Angst vor einer Hungerkur
stehen, die unruhige politische Führer für nötig halten. Sie wollen nicht unter
der beständigen Gefahr wirtschaftlicher Vernichtung leben, sobald sie einmal
gegen ihre roten Einpeitscher sich auflehnen, sondern sie meinen, daß der Friede
mit den Unternehmern auch zuweilen sein Recht und seine Vorteile hat. Diesen
Leuten hat man den Spottnamen "die Gelben" angehängt, und sie haben ihn
als Feldgeschrei angenommen.

Zwar unsere Intellektuellen verkennen diese Bewegung. Unsere Studierten
leben selber noch unter der Herrschaft des sozialistischen Dogmas, daß der Klassen¬
kampf zwischen Arbeiter und Arbeitgeber eine wirtschaftliche, ja eine kulturelle
Notwendigkeit sei, und halten ihn für eine "großartige Kulturbewegung zur


Grenzvoten IV 1911 16
Schutz dem deutschen Arbeiter

aber nicht durch den guten Willen und die höheren Lohnzahlungen einzelner
Landwirte erreicht werden, sondern nur durch ein Gesetz, welches die Landarbeiter
im Vergleich zum Städter und zum ausländischen Wanderarbeiter auf eine bessere,
konkurrenzfähigere Basis bringt." — „Was soll aus dem deutschen Landarbeiter
werden, wenn man ihn gegen seinen Konkurrenten nicht schützt, sondern im
Gegenteil seinen schon überlegenen Konkurrenten noch subventioniert?" (nämlich
durch die Getreidezölle, die diesseits der Grenze die Lebensmittel des Arbeiters
verteuern, jenseits verbilligen). — „Was würden wir Landwirte denn dazu
sagen, wenn man nicht unsere Produkte geschützt hätte, sondern die Produkte
des Allslandes subventioniert hätte?" — „Der Großgrundbesitz wird nur
bestehen bleiben, wenn er dafür sorgt, daß ihm tüchtige, zuverlässige Arbeits¬
kräfte zuwachsen und erhalten bleiben, und darum darf er nicht dulden, daß aus¬
wärtige Arbeitskräfte durch Subventionierung in die Lage gebracht sind, die
Einheimischen zu vertreiben und zu verdrängen." — „Es ist auch unsere
Pflicht, für unsere Arbeiter die Geschäfte zu besorgen, wer soll es wohl sonst
tun?" — „Nationalpolitisch hat mein Vorschlag den allergrößten Wert. Darüber
noch zu schreiben, führt mich zu weit; ich möchte aber alle Landwirte bitten,
sich meinen Vorschlag recht ernstlich durch den Kops gehen zu lassen."---

Also so kann ein ostelbischer Agrarier aussehen! Ja, wenn sie alle so
wären! Nun, im Vertrauen gesagt, ich weiß, daß es noch mehr solche gibt,
die ebenso denken. Jedenfalls könnte es die erfreulichsten Folgen haben, wenn
dies wichtigste Problem unserer politischen Zukunft ins Rollen gebracht würde
durch solchen Anstoß von agrarischer Seite, und wir wollen uns ein Verdienst
daraus machen, ihm noch einen Stoß zu geben. Aber halt, da kommt noch
eine Stimme zu demselben Thema von einem ganz anderen Instrument und aus
einem ganz anderen Lager, nämlich aus dem Lager der „Gelben".

Die Gelben sind diejenigen deutschen Arbeiter, die es müde sind, unter
dem Joch der roten sozialdemokratischen Gewerkschaften zu seufzen. Sie sind
bekehrt von dem Glauben an die Notwendigkeit des prinzipiellen Klassenkampfes,
an die Nützlichkeit ewiger Streiks, nicht für einen unentbehrlichen Gewinn,
sondern nur um der Bewegung, um der Organisation willen angezettelt. Sie
wollen mit ihren Familien nicht beständig in der Angst vor einer Hungerkur
stehen, die unruhige politische Führer für nötig halten. Sie wollen nicht unter
der beständigen Gefahr wirtschaftlicher Vernichtung leben, sobald sie einmal
gegen ihre roten Einpeitscher sich auflehnen, sondern sie meinen, daß der Friede
mit den Unternehmern auch zuweilen sein Recht und seine Vorteile hat. Diesen
Leuten hat man den Spottnamen „die Gelben" angehängt, und sie haben ihn
als Feldgeschrei angenommen.

Zwar unsere Intellektuellen verkennen diese Bewegung. Unsere Studierten
leben selber noch unter der Herrschaft des sozialistischen Dogmas, daß der Klassen¬
kampf zwischen Arbeiter und Arbeitgeber eine wirtschaftliche, ja eine kulturelle
Notwendigkeit sei, und halten ihn für eine „großartige Kulturbewegung zur


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/125>, abgerufen am 23.07.2024.