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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Liszt-- Goethe -- Weimar

wird in die Geschichte Frankfurts einzuschreiben sein -- der Unioersitätsvorlage
unter den schon genannten Voraussetzungen im Prinzip zu. Ohne Hoffnungs¬
freudigkeit und Optimismus läßt sich allerdings eine derartige große Sache nicht ins
Werk setzen, und es ist erfreulich, daß die Frankfurter Stadtverordneten von einen:
solchen Optimismus beseelt sind, wozu die faszinierende Rede des Oberbürger¬
meisters zweifellos nicht wenig beigetragen hat, da sie geeignet war, die letzten noch
Wartenden umzustimmen. Allerdings soll man sich nicht verhehlen, daß eine
Universität einer Stadt nicht über Nacht in den Schoß sällt, sondern mit schweren
finanziellen, allenfalls auch politischen Opfern erkauft werden muß. Will man
also die Universität, so muß man sich auch diese Opfer gefallen lassen.

Das Wort hat nun der preußische Staat, und zwar kommt es zunächst
darauf an, ob die Universität durch eine königliche Kabinettsorder ins Leben
gerufen werden kann oder ob die Zustimmung des Landtags notwendig ist.
In letzterem Fall stehen die Chancen schlecht, da die augenblickliche Mehrheit des
Landtags einer kommunalen Universitätsgründuug zumal in Frankfurt nichts
weniger wie geneigt ist. Anderseits glaubt man, daß Herr Adickes sich nicht so
weit engagiert hätte, wenn er nicht für sein von langer Hand vorbereitetes
Projekt die Zustimmung des preußischen Kultusministers in der Tasche hätte.
Zur Zeit sind die Verhandlungen mit dem Minister bereits eingeleitet. Man
wird nunmehr sehen, was er für Bedingungen stellen, was er für finanzielle
Garantien fordern und wie weit er geneigt sein wird, der Universität eine den
besonderen Verhältnissen entsprechende Selbstverwaltung zu gewähren.

Franz Adickes Name aber wird, wenn es gelingt, seine Universität in den
sicheren Hafen zu bringen, der Geschichte angehören, wie der des Julius Echter
von Mespelbronn und des Gerlach von Münchhausen; und von Frankfurt wird
sich wieder einmal das Goethewort bewahrheiten: "Es geziemt Frankfurt nach
allen Seiten zu glänzen und nach allen Seiten hin tätig zu sein".




Liszt ^ Goethe ^ Weimar
von Dr. Wilhelm Kleefeld

O Weimar! Dir fiel ein desund'res Los
Wie Bethlehem in Juda, klein und aroßl

Im 26. November 1842 hatte Liszt zum erstenmal in Weimar
gespielt. Der seit vielen Jahren in ganz Europa bejubelte Klavier¬
meister war erst mit einunddreißig Jahren nach der thüringischen
Residenz gekommen, die bald für sein Leben entscheidende Bedeutung
! gewinnen sollte. Bereits in: folgenden Jahre 1843 wurde er als
Hofkapellmeister zunächst "in außerordentlichen Diensten" an den Ort gefesselt,
der durch die Erinnerungen der größten Genies geweiht war. Liszt, der Klavier-


Grenzvoten IV 1911 1^
Liszt— Goethe — Weimar

wird in die Geschichte Frankfurts einzuschreiben sein — der Unioersitätsvorlage
unter den schon genannten Voraussetzungen im Prinzip zu. Ohne Hoffnungs¬
freudigkeit und Optimismus läßt sich allerdings eine derartige große Sache nicht ins
Werk setzen, und es ist erfreulich, daß die Frankfurter Stadtverordneten von einen:
solchen Optimismus beseelt sind, wozu die faszinierende Rede des Oberbürger¬
meisters zweifellos nicht wenig beigetragen hat, da sie geeignet war, die letzten noch
Wartenden umzustimmen. Allerdings soll man sich nicht verhehlen, daß eine
Universität einer Stadt nicht über Nacht in den Schoß sällt, sondern mit schweren
finanziellen, allenfalls auch politischen Opfern erkauft werden muß. Will man
also die Universität, so muß man sich auch diese Opfer gefallen lassen.

Das Wort hat nun der preußische Staat, und zwar kommt es zunächst
darauf an, ob die Universität durch eine königliche Kabinettsorder ins Leben
gerufen werden kann oder ob die Zustimmung des Landtags notwendig ist.
In letzterem Fall stehen die Chancen schlecht, da die augenblickliche Mehrheit des
Landtags einer kommunalen Universitätsgründuug zumal in Frankfurt nichts
weniger wie geneigt ist. Anderseits glaubt man, daß Herr Adickes sich nicht so
weit engagiert hätte, wenn er nicht für sein von langer Hand vorbereitetes
Projekt die Zustimmung des preußischen Kultusministers in der Tasche hätte.
Zur Zeit sind die Verhandlungen mit dem Minister bereits eingeleitet. Man
wird nunmehr sehen, was er für Bedingungen stellen, was er für finanzielle
Garantien fordern und wie weit er geneigt sein wird, der Universität eine den
besonderen Verhältnissen entsprechende Selbstverwaltung zu gewähren.

Franz Adickes Name aber wird, wenn es gelingt, seine Universität in den
sicheren Hafen zu bringen, der Geschichte angehören, wie der des Julius Echter
von Mespelbronn und des Gerlach von Münchhausen; und von Frankfurt wird
sich wieder einmal das Goethewort bewahrheiten: „Es geziemt Frankfurt nach
allen Seiten zu glänzen und nach allen Seiten hin tätig zu sein".




Liszt ^ Goethe ^ Weimar
von Dr. Wilhelm Kleefeld

O Weimar! Dir fiel ein desund'res Los
Wie Bethlehem in Juda, klein und aroßl

Im 26. November 1842 hatte Liszt zum erstenmal in Weimar
gespielt. Der seit vielen Jahren in ganz Europa bejubelte Klavier¬
meister war erst mit einunddreißig Jahren nach der thüringischen
Residenz gekommen, die bald für sein Leben entscheidende Bedeutung
! gewinnen sollte. Bereits in: folgenden Jahre 1843 wurde er als
Hofkapellmeister zunächst „in außerordentlichen Diensten" an den Ort gefesselt,
der durch die Erinnerungen der größten Genies geweiht war. Liszt, der Klavier-


Grenzvoten IV 1911 1^
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[0117] Liszt— Goethe — Weimar wird in die Geschichte Frankfurts einzuschreiben sein — der Unioersitätsvorlage unter den schon genannten Voraussetzungen im Prinzip zu. Ohne Hoffnungs¬ freudigkeit und Optimismus läßt sich allerdings eine derartige große Sache nicht ins Werk setzen, und es ist erfreulich, daß die Frankfurter Stadtverordneten von einen: solchen Optimismus beseelt sind, wozu die faszinierende Rede des Oberbürger¬ meisters zweifellos nicht wenig beigetragen hat, da sie geeignet war, die letzten noch Wartenden umzustimmen. Allerdings soll man sich nicht verhehlen, daß eine Universität einer Stadt nicht über Nacht in den Schoß sällt, sondern mit schweren finanziellen, allenfalls auch politischen Opfern erkauft werden muß. Will man also die Universität, so muß man sich auch diese Opfer gefallen lassen. Das Wort hat nun der preußische Staat, und zwar kommt es zunächst darauf an, ob die Universität durch eine königliche Kabinettsorder ins Leben gerufen werden kann oder ob die Zustimmung des Landtags notwendig ist. In letzterem Fall stehen die Chancen schlecht, da die augenblickliche Mehrheit des Landtags einer kommunalen Universitätsgründuug zumal in Frankfurt nichts weniger wie geneigt ist. Anderseits glaubt man, daß Herr Adickes sich nicht so weit engagiert hätte, wenn er nicht für sein von langer Hand vorbereitetes Projekt die Zustimmung des preußischen Kultusministers in der Tasche hätte. Zur Zeit sind die Verhandlungen mit dem Minister bereits eingeleitet. Man wird nunmehr sehen, was er für Bedingungen stellen, was er für finanzielle Garantien fordern und wie weit er geneigt sein wird, der Universität eine den besonderen Verhältnissen entsprechende Selbstverwaltung zu gewähren. Franz Adickes Name aber wird, wenn es gelingt, seine Universität in den sicheren Hafen zu bringen, der Geschichte angehören, wie der des Julius Echter von Mespelbronn und des Gerlach von Münchhausen; und von Frankfurt wird sich wieder einmal das Goethewort bewahrheiten: „Es geziemt Frankfurt nach allen Seiten zu glänzen und nach allen Seiten hin tätig zu sein". Liszt ^ Goethe ^ Weimar von Dr. Wilhelm Kleefeld O Weimar! Dir fiel ein desund'res Los Wie Bethlehem in Juda, klein und aroßl Im 26. November 1842 hatte Liszt zum erstenmal in Weimar gespielt. Der seit vielen Jahren in ganz Europa bejubelte Klavier¬ meister war erst mit einunddreißig Jahren nach der thüringischen Residenz gekommen, die bald für sein Leben entscheidende Bedeutung ! gewinnen sollte. Bereits in: folgenden Jahre 1843 wurde er als Hofkapellmeister zunächst „in außerordentlichen Diensten" an den Ort gefesselt, der durch die Erinnerungen der größten Genies geweiht war. Liszt, der Klavier- Grenzvoten IV 1911 1^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/117>, abgerufen am 03.07.2024.