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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Die Universität Frankfurt a, M,

Lehrstühle für Anatomie, Physiologie, Pharmakologie und gerichtliche Medizin
neu zu errichten, daneben naturgemäß Seminare, und es ist die Anstellung von
Assistenten erforderlich, soweit sie nicht bereits vorhanden sind.

Dazu sind als notwendige Neubauten vorgesehen: ein Kollegienhaus,
ein chemisches Institut, eine normale Anatomie, daneben Umbauten und Er¬
weiterungen der bestehenden Bauten zur Aufnahme der Poliklinik, des physio¬
logischen und pharmakologischen Instituts. Der Gesamtbedarf umfaßt nach der
Angabe der Denkschrift an einmaligen Ausgaben 1578000 Mark, während die
dauernden jährlichen Mehrausgaben sich auf 406000 Mark belaufen, was im
ganzen einem Kapital von über 11 ^MillionenMark entspricht, so daß die dauernden
Mehrausgaben für eine Frankfurter Universität sich neben den jetzigen Kosten
von 1^ Millionen Mark auf 2100000 M. belaufen werden.

Von den einmal zu deckenden Ausgaben fehlten bei Abfassung der
Denkschrift nur noch 500000 M. für ein chemisches Institut. Von der zur
Deckung der laufenden notwendigen Summe fehlen noch 130000 Mark jähr¬
liche Einnahmen, eine Summe, die sich seitdem durch weitere Stiftungen
noch mehr verringert hat.

Soweit Deckung der notwendigen Ausgaben bereits vorhanden ist, erfolgt
dieselbe durch die Stadt, die Stiftungen und durch eigene Einnahmen der Uni¬
versität (Kollegiengelder usw.); die Stadt ist allerdings bis jetzt nur in ganz
mäßigen: Umfange an den Ausgaben beteiligt, sie hat nur den Bauplatz für
die Anatomie und das Kollegienhaus herzugeben sowie eine Poliklinik in einem
schon vorhandenen Krankenhausgebäude einzurichten. Im übrigen sind sogar
gewisse Ersparnisse am Krankenhausbetrieb vorgesehen.

Man hätte nun glauben sollen, daß ein derartiges Universitätsprojekt
einmütige Zustimmung, helle Begeisterung und Jubel in der Bevölkerung aus¬
gelöst hätte, zumal die Hochschule die guten Frankfurter ja nichts kosten, sie
dieselbe vielmehr geradezu als Geschenk erhalten sollten. Gewiß, gegen die
Begründung, warum eine Universität gerade für Frankfurt eine Notwendigkeit
sei, und gegen die Vorteile, die sie der Stadt bringt, ließ sich nichts einwenden.
Herr Adickes will die Universität natürlich nicht nur aus Sympathie für die
Wissenschaft und weil ihn aus ästhetischen oder architektonischen Gründen die
mangelnde Abrundung unserer Institute zu einer Volluniversität schmerzt, er
hat mit der Propagierung seiner Lieblingsidee vielmehr als guter Stadtvater
auch recht praktische Zwecke im Auge. Die Denkschrift weist darauf hin, daß
die äußerlich glänzende Entwicklung Frankfurts seit 1871 nicht darüber hinweg¬
täuschen dürfe, daß der Hauptlebensquell der Stadt, das Börsen- und Bank¬
geschäft, unter dem immer stärker einsetzenden zentralisierenden Einfluß der Reichs¬
hauptstadt bedenklich zurückgegangen sei. Es werde daher immer allgemeiner
gefühlt, daß die vielfach erschwerte Entwicklung auf wirtschaftlichem Gebiet durch
umfassende Förderung geistiger Interessen ergänzt werden müsse. Dazu ist
Frankfurt infolge der geschichtlichen Entwicklung den konkurrierenden Städten


Die Universität Frankfurt a, M,

Lehrstühle für Anatomie, Physiologie, Pharmakologie und gerichtliche Medizin
neu zu errichten, daneben naturgemäß Seminare, und es ist die Anstellung von
Assistenten erforderlich, soweit sie nicht bereits vorhanden sind.

Dazu sind als notwendige Neubauten vorgesehen: ein Kollegienhaus,
ein chemisches Institut, eine normale Anatomie, daneben Umbauten und Er¬
weiterungen der bestehenden Bauten zur Aufnahme der Poliklinik, des physio¬
logischen und pharmakologischen Instituts. Der Gesamtbedarf umfaßt nach der
Angabe der Denkschrift an einmaligen Ausgaben 1578000 Mark, während die
dauernden jährlichen Mehrausgaben sich auf 406000 Mark belaufen, was im
ganzen einem Kapital von über 11 ^MillionenMark entspricht, so daß die dauernden
Mehrausgaben für eine Frankfurter Universität sich neben den jetzigen Kosten
von 1^ Millionen Mark auf 2100000 M. belaufen werden.

Von den einmal zu deckenden Ausgaben fehlten bei Abfassung der
Denkschrift nur noch 500000 M. für ein chemisches Institut. Von der zur
Deckung der laufenden notwendigen Summe fehlen noch 130000 Mark jähr¬
liche Einnahmen, eine Summe, die sich seitdem durch weitere Stiftungen
noch mehr verringert hat.

Soweit Deckung der notwendigen Ausgaben bereits vorhanden ist, erfolgt
dieselbe durch die Stadt, die Stiftungen und durch eigene Einnahmen der Uni¬
versität (Kollegiengelder usw.); die Stadt ist allerdings bis jetzt nur in ganz
mäßigen: Umfange an den Ausgaben beteiligt, sie hat nur den Bauplatz für
die Anatomie und das Kollegienhaus herzugeben sowie eine Poliklinik in einem
schon vorhandenen Krankenhausgebäude einzurichten. Im übrigen sind sogar
gewisse Ersparnisse am Krankenhausbetrieb vorgesehen.

Man hätte nun glauben sollen, daß ein derartiges Universitätsprojekt
einmütige Zustimmung, helle Begeisterung und Jubel in der Bevölkerung aus¬
gelöst hätte, zumal die Hochschule die guten Frankfurter ja nichts kosten, sie
dieselbe vielmehr geradezu als Geschenk erhalten sollten. Gewiß, gegen die
Begründung, warum eine Universität gerade für Frankfurt eine Notwendigkeit
sei, und gegen die Vorteile, die sie der Stadt bringt, ließ sich nichts einwenden.
Herr Adickes will die Universität natürlich nicht nur aus Sympathie für die
Wissenschaft und weil ihn aus ästhetischen oder architektonischen Gründen die
mangelnde Abrundung unserer Institute zu einer Volluniversität schmerzt, er
hat mit der Propagierung seiner Lieblingsidee vielmehr als guter Stadtvater
auch recht praktische Zwecke im Auge. Die Denkschrift weist darauf hin, daß
die äußerlich glänzende Entwicklung Frankfurts seit 1871 nicht darüber hinweg¬
täuschen dürfe, daß der Hauptlebensquell der Stadt, das Börsen- und Bank¬
geschäft, unter dem immer stärker einsetzenden zentralisierenden Einfluß der Reichs¬
hauptstadt bedenklich zurückgegangen sei. Es werde daher immer allgemeiner
gefühlt, daß die vielfach erschwerte Entwicklung auf wirtschaftlichem Gebiet durch
umfassende Förderung geistiger Interessen ergänzt werden müsse. Dazu ist
Frankfurt infolge der geschichtlichen Entwicklung den konkurrierenden Städten


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[0112] Die Universität Frankfurt a, M, Lehrstühle für Anatomie, Physiologie, Pharmakologie und gerichtliche Medizin neu zu errichten, daneben naturgemäß Seminare, und es ist die Anstellung von Assistenten erforderlich, soweit sie nicht bereits vorhanden sind. Dazu sind als notwendige Neubauten vorgesehen: ein Kollegienhaus, ein chemisches Institut, eine normale Anatomie, daneben Umbauten und Er¬ weiterungen der bestehenden Bauten zur Aufnahme der Poliklinik, des physio¬ logischen und pharmakologischen Instituts. Der Gesamtbedarf umfaßt nach der Angabe der Denkschrift an einmaligen Ausgaben 1578000 Mark, während die dauernden jährlichen Mehrausgaben sich auf 406000 Mark belaufen, was im ganzen einem Kapital von über 11 ^MillionenMark entspricht, so daß die dauernden Mehrausgaben für eine Frankfurter Universität sich neben den jetzigen Kosten von 1^ Millionen Mark auf 2100000 M. belaufen werden. Von den einmal zu deckenden Ausgaben fehlten bei Abfassung der Denkschrift nur noch 500000 M. für ein chemisches Institut. Von der zur Deckung der laufenden notwendigen Summe fehlen noch 130000 Mark jähr¬ liche Einnahmen, eine Summe, die sich seitdem durch weitere Stiftungen noch mehr verringert hat. Soweit Deckung der notwendigen Ausgaben bereits vorhanden ist, erfolgt dieselbe durch die Stadt, die Stiftungen und durch eigene Einnahmen der Uni¬ versität (Kollegiengelder usw.); die Stadt ist allerdings bis jetzt nur in ganz mäßigen: Umfange an den Ausgaben beteiligt, sie hat nur den Bauplatz für die Anatomie und das Kollegienhaus herzugeben sowie eine Poliklinik in einem schon vorhandenen Krankenhausgebäude einzurichten. Im übrigen sind sogar gewisse Ersparnisse am Krankenhausbetrieb vorgesehen. Man hätte nun glauben sollen, daß ein derartiges Universitätsprojekt einmütige Zustimmung, helle Begeisterung und Jubel in der Bevölkerung aus¬ gelöst hätte, zumal die Hochschule die guten Frankfurter ja nichts kosten, sie dieselbe vielmehr geradezu als Geschenk erhalten sollten. Gewiß, gegen die Begründung, warum eine Universität gerade für Frankfurt eine Notwendigkeit sei, und gegen die Vorteile, die sie der Stadt bringt, ließ sich nichts einwenden. Herr Adickes will die Universität natürlich nicht nur aus Sympathie für die Wissenschaft und weil ihn aus ästhetischen oder architektonischen Gründen die mangelnde Abrundung unserer Institute zu einer Volluniversität schmerzt, er hat mit der Propagierung seiner Lieblingsidee vielmehr als guter Stadtvater auch recht praktische Zwecke im Auge. Die Denkschrift weist darauf hin, daß die äußerlich glänzende Entwicklung Frankfurts seit 1871 nicht darüber hinweg¬ täuschen dürfe, daß der Hauptlebensquell der Stadt, das Börsen- und Bank¬ geschäft, unter dem immer stärker einsetzenden zentralisierenden Einfluß der Reichs¬ hauptstadt bedenklich zurückgegangen sei. Es werde daher immer allgemeiner gefühlt, daß die vielfach erschwerte Entwicklung auf wirtschaftlichem Gebiet durch umfassende Förderung geistiger Interessen ergänzt werden müsse. Dazu ist Frankfurt infolge der geschichtlichen Entwicklung den konkurrierenden Städten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/112>, abgerufen am 23.07.2024.